«Konfliktbewältigung, Terrorismusbekämpfung und Gestaltung der Globalisierung: Schweizer Aussenpolitik in einer krisengeplagten Welt»

Zürich, 16.11.2015 - Zürich, 16.11.2015 - Ansprache von Bundesrat Didier Burkhalter anlässlich des «Forum for Economic Dialogue 2015 - The Economics of War and Peace» - Es gilt das gesprochene Wort

Herr Bundesrat, lieber Kaspar
Professor Fehr, Professor Zilibotti (geschätzte Gastgeber)
Exzellenzen, verehrte Gäste

Wir kommen hier zusammen nach einem Wochenende voller Trauer, Schock und Schmerz. Die schrecklichen Terroranschläge in Paris haben uns alle tief erschüttert. Sie richteten sich nicht nur gegen Paris und Frankreich, sondern gegen uns alle – gegen unsere Freiheit und die Werte der Menschlichkeit. Nun müssen wir Rückgrat zeigen und noch konsequenter darauf hinarbeiten, gewalttätigen Extremismus zu verhindern.

Der Bundesrat hat diese barbarischen Taten des sogenannten Islamischen Staats aufs Schärfste verurteilt. Mit unseren Gedanken sind wir bei den Familien der Opfer und der Bevölkerung Frankreichs. Die Schweiz trauert mit Frankreich – unserem Nachbarn, Freund und engen Partner. Wir werden uns von den Terroristen nicht einschüchtern lassen und sind entschlossen, mit Frankreich und anderen Partnern zusammen zu arbeiten, um die Menschen und unseren Lebensstil zu schützen. Der Herausforderung, vor die uns der Terrorismus stellt, werden wir mit unnachgiebiger Hartnäckigkeit begegnen.

Die Anschläge in Paris haben uns tragisch vor Augen geführt, wie aktuell das heutige Diskussionsthema ist. Wir erleben ein steigendes Ausmass an bewaffneter Gewalt, die uns alle betrifft, in Form von gewalttätigen Konflikten und Terrorismus. Die zunehmende bewaffnete Gewalt verursacht enormes menschliches Leid und beeinträchtigt die Sicherheit und den Wohlstand weltweit. Gleichzeitig hat diese Gewaltwelle eine massive Flüchtlingskrise ausgelöst, die für Europa schwierig zu bewältigen ist. Krisen sind in unserer Welt zur neuen Normalität geworden. Schon lange nicht mehr war der Bedarf an Diplomatie so gross wie heute.

Doch nicht nur Konflikte und Terrorismus beschäftigen die Aussenministerien derzeit. Eine zweite Entwicklung spielt ebenfalls eine wichtige Rolle, nämlich die Rückkehr der Geopolitik. Diese beiden Trends – Geopolitik und bewaffnete Gewalt – prägen unsere Welt derzeit stark.

Der Megatrend unserer Zeit ist und bleibt die Globalisierung. Aber diese Globalisierung verändert sich und wird überlagert durch die Geopolitik und die Zunahme bewaffneter Gewalt. Diese Entwicklungen haben Auswirkungen auf die aussenpolitische Agenda – auch auf diejenige der Schweiz.

Wenn Sie heute einen Aussenminister oder eine Aussenministerin zu einer Veranstaltung einladen, zeichnen diese wohl oder übel ein eher düsteres Bild der Weltpolitik.  Wir leben in einer Zeit grosser Unsicherheit. Doch ich bin nicht zu Ihnen gekommen, um Weltuntergangsstimmung zu verbreiten. Vielmehr bin ich hier, weil ich überzeugt bin, dass kreative Diplomatie und Zusammenarbeit etwas bewirken können; dass wir die tiefgreifenden globalen Veränderungen bewältigen können; und dass die Schweiz dabei einen nützlichen Beitrag leisten kann.

Darauf möchte ich in dieser Rede eingehen – wie die Welt sich verändert, und wie die Schweizer Aussenpolitik auf diese Veränderungen reagiert. Ich werde die Thematik breit angehen – wir müssen über den Terrorismus hinaus schauen, um die Kräfte zu verstehen, die am Werk sind. Gegen Ende werde ich dann aber meine Hauptpunkte konkret auf die Ukraine-Krise übertragen, um so (in gut schweizerischer Manier) eine Brücke zu schlagen zur nachfolgenden Diskussion, die sich um Russland und den Westen dreht. 

Beginnen wir mit dem Megatrend – mit der Globalisierung.

Nichts hat die Welt seit dem Ende des Kalten Kriegs stärker geprägt als die Globalisierung. Mit der wachsenden wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und technologischen Vernetzung der Welt haben zahlreiche Akteure an Macht und Einfluss gewonnen. Das gilt für nichtstaatliche Akteure wie NGO, multinationale Konzerne und Megastädte. Doch auch innerhalb der Staatenwelt haben sich die Kräfteverhältnisse verschoben, weg von den entwickelten Volkswirtschaften hin zu den Schwellen- und Entwicklungsländern im Süden und Osten.

Das globale Entwicklungsgefälle hat sich abgeflacht. Der Anteil der Menschen, die in den Entwicklungsländern in extremer Armut leben, ist von 47 Prozent im Jahr 1990 auf derzeit 14 Prozent zurückgegangen. Hunderte von Millionen Menschen profitieren von wachsenden Einkommen, besserer Bildung und einem breiteren Zugang zu modernen Technologien.

Die Verbreitung von wirtschaftlichem Reichtum und wirtschaftlichen Aktivitäten verringert die globale Ungleichheit. Sie schafft Möglichkeiten für Menschen, Unternehmen und Staaten gleichermassen. Laut verschiedenen Rankings gehört die Schweiz zu den zehn am stärksten globalisierten Ländern weltweit. Mit ihrer exportorientierten, wettbewerbsfähigen und innovativen Wirtschaft und ihrer offenen Gesellschaft hat sie massgeblich von den Chancen der Globalisierung profitiert.

Natürlich ist auch die Globalisierung eine Medaille mit einer Kehrseite. Die Globalisierung hat neue Ungleichheiten geschaffen. Die wirtschaftliche Entwicklung ist nach wie vor nicht überall gleich weit fortgeschritten. China und Indien vereinigen den Löwenanteil der Armutsreduktion auf sich, während Subsahara-Afrika weiter hinterher hinkt. Durch die rasche Verbreitung von Ideen, Waren, Kapital und Menschen kann sich in konkreten Kontexten die soziale, wirtschaftliche und politische Instabilität verschärfen. In der Schweiz ebenso wie in anderen Ländern sind viele Leute besorgt über die Zuwanderung und den härteren Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt. Identitätsfragen sind zu einem wichtigen politischen Thema geworden.

Die Subprime-Krise, die Schuldenkrise und die Eurokrise – sie alle haben die Risiken der weltweit verwobenen Finanzsysteme aufgezeigt. Und während die Globalisierung im Informationsbereich die liberale internationale Agenda langfristig voranbringen dürfte, eröffnet sie auch neue Möglichkeiten für die Ausweitung von Staatspropaganda und für die Rekrutierungsaktivitäten von Terrororganisationen. Die Zunahme von grenzübergreifend aktiven terroristischen und kriminellen Gruppen hängt eng mit der Globalisierung zusammen. Die Anschläge in Paris, wie auch die jüngsten Anschlägen in Beirut, Bagdad und im Sinai, haben uns schmerzhaft vor Augen geführt, dass die Globalisierung auch ihre Schattenseiten hat.

Als Fazit ist festzuhalten: die Globalisierung kann eine positive Kraft sein, die der Menschheit enorme Chancen eröffnet. Doch wir müssen sie so gestalten, dass wir die Vorteile maximieren und die Nachteile minimieren. Wenn wir die Globalisierungsagenda vorantreiben wollen, geht es darum, eine gerechte und friedliche internationale Ordnung zu gewährleisten, effiziente und ausreichend legitimierte Institutionen aufzubauen und gemeinsame Antworten zu finden auf die vielen gemeinsamen Herausforderungen – sei es auf grenzüberschreitende Bedrohungen oder globale Themen wie Klimawandel, Wassersicherheit und Migration.

Diese Globalisierungsagenda umzusetzen, war schon immer ein schwieriges Unterfangen. Noch anspruchsvoller ist dies durch die eingangs erwähnten Trends geworden: durch die Geopolitik und die bewaffnete Gewalt.

Die Rückkehr der Geopolitik ist ein Nebenprodukt der Globalisierung. Auch wenn eine multipolare Welt nicht zwingend ein Hindernis für einen wirkungsvollen Multilateralismus sein muss, sind gemeinsame Aktionen doch schwieriger geworden. Grossmächte scheinen ihre Interessen eher gegeneinander zu definieren als miteinander. Verschiedene Visionen prallen aufeinander betreffend globale und regionale Ordnungsstrukturen, gute Regierungsführung und Entwicklungsmodelle.

Internationale Normen und das Völkerrecht geraten zunehmend unter Druck. Der geopolitische Wettbewerb hat sich nicht nur auf globaler Ebene verschärft, sondern auch in verschiedenen Regionen. Der Status quo wurde in mehreren Regionen infrage gestellt, unter anderem in Ostasien (mit den Spannungen im Südchinesischen Meer), in Europa (mit der Ukraine-Krise) und im Nahen Osten (auf vielfältige Art). Bei vielen Kontakten in diesen Kontexten ist für mich ein Gefühl des Misstrauens greifbar. Häufig ist die Bereitschaft zu einem Dialog allzu gering. 

Inwieweit der geopolitische Wettbewerb die globale Wirtschaft verändern wird, bleibt abzuwarten. Zu beobachten sind eine Regionalisierung und Fragmentierung des globalen Handels und eine ungewisse Zukunft der WTO-Verhandlungen, doch die Auswirkungen sind noch nicht absehbar. Nehmen wir das Beispiel der megaregionalen Freihandelsabkommen wie der Trans-Pacific Partnership und der Transatlantic Trade and Investment Partnership. Ob sich diese Abkommen als Bausteine des Multilateralismus herausstellen werden, wie die einen behaupten, oder aber als Stolpersteine, wie viele befürchten, ist vorderhand offen. Auch China hat mit der New Silk Road eine strategische Initiative lanciert. Während manche darin eine Win-win-Strategie zur Förderung der regionalen Vernetzung sehen, erachten andere sie als Instrument zum Ausbau der politischen Einflussnahme.

In dieselbe Richtung geht die Frage, ob die New Development Bank der BRICS-Länder und die von China initiierte Asian Infrastructure Investment Bank Ergänzungen oder Alternativen zu den bestehenden Bretton-Woods-Institutionen darstellen. Im Fall der Asian Infrastructure Investment Bank entschieden sich 57 Länder, darunter die Schweiz und mehr als ein Dutzend weitere europäische Länder, Gründungsmitglieder zu werden. Dies mit Blick auf den immensen Infrastrukturbedarf in Asien und weil wir erwarten, dass der Partizipationsprozess der Bank es ermöglicht, gemeinsam eine Politik zu entwickeln, die hohe Standards zur guten Regierungsführung erfüllt und mit den Zielen für eine nachhaltige Entwicklung vereinbar ist.

Insgesamt steigt der Druck auf das multilaterale System zweifellos, im wirtschaftlichen wie im politischen Bereich. Gleichzeitig hat sich das System als relativ widerstandsfähig erwiesen, und es wird nach wie vor von vielen Seiten unterstützt. Wirtschaftliche Instrumente – Z.B. Handelsabkommen oder Sanktionen – mögen künftig vermehrt für geopolitische Zwecke genutzt werden. Alte (und aus unserer Sicht bewährte) Regeln könnten von aufstrebenden  „neuen“ Akteuren vermehrt infrage gestellt werden. Geopolitik kann tatsächlich eine Deglobalisierung verursachen. Doch all dies ist keineswegs in Stein gemeisselt.

Geopolitik ist eine politische Strategie, für die sich Regierungen aus freien Stücken entscheiden; sie ist nicht gottgegeben. Es liegt an uns zu zeigen, dass es allen zugutekommt, wenn wir kooperative Lösungen statt Ausgrenzungen vorantreiben. Um wieder einen grösseren, tragfähigen Konsens herbeiführen und eine gerechte, friedliche Weltordnung gestalten zu können, müssen wir aber wohl eines anerkennen: dass der Universalismus des Westens Grenzen hat und die Globalisierung von einem westlich geprägten zu einem multipolaren Projekt wird.

Die Zunahme bewaffneter Gewalt ist das zweite Hindernis, wenn es darum geht, die Globalisierung weiterzuentwickeln und von deren Möglichkeiten zu profitieren. Auch wenn uns Friedensforscher daran erinnern, dass statistisch gesehen die Zahl der Gewaltkonflikte langfristig gesehen abnimmt, müssen wir zwei Phänomene zur Kenntnis nehmen:

Erstens ein massiver Anstieg der Opferzahlen. Gemäss einer Schätzung (IISS) stieg die Zahl der Todesfälle infolge gewalttätiger Konflikte von 56 000 im Jahr 2008 auf 180 000 im Jahr 2014. Allein der Syrien-Konflikt forderte im vergangenen Jahr 70 000 Menschenleben. Das UNHCR schätzt, dass Ende 2014 rund 60 Millionen Menschen weltweit vertrieben waren, so viele wie nie mehr seit dem Zweiten Weltkrieg.

Zweitens haben Instabilität und Gewalt in Europas Nachbarschaft dramatisch zugenommen. Im Osten hat die Ukraine-Krise den Krieg zurück nach Europa gebracht.

Im Süden hat sich die Situation vielerorts weiter verschlechtert. Die Gemengelage von erstens langjährig ungelösten Konflikten wie dem israelisch-palästinensischen Konflikt, zweitens jüngeren Kriegen in Syrien, im Jemen und in Libyen, die im Zuge des sogenannten Arabischen Frühlings entstanden sind, und drittens erstarkenden dschihadistischen Terrorgruppen, die von staatlicher Fragilität und erodierenden Grenzen profitieren, lässt die Region in eine immer tiefere Krise stürzen.

Einfache Erklärungen für die Zunahme an bewaffneter Gewalt gibt es nicht. Die treibenden Kräfte unterscheiden sich je nach Konflikt. Klar ist jedoch, dass dieser allgemeine Trend in Zusammenhang steht mit einer fehlenden stabilen internationalen Ordnung und mangelnder globaler Leadership.

Die Auswirkungen dieser Gewaltwelle sind verheerend. Spürbar sind sie vor allem in den konfliktbetroffenen Regionen. Sie beeinträchtigen die menschliche Sicherheit, hemmen die Wirtschaft und machen Fortschritte in der Entwicklung zunichte.

Doch die Folgen dieser bewaffneten Gewalt sind auch in Europa zu spüren. Erstens durch den grossen Zustrom an Flüchtlingen, die versuchen, der Gewalt zu entkommen. Eine geeignete Strategie zur Bewältigung dieser Flüchtlingskrise zu erarbeiten, ist zu einer der grössten Herausforderungen Europas der letzten Jahrzehnte geworden.

Hinzu kommt das Problem der Terroranschläge, das getrennt von der Flüchtlingsfrage anzugehen ist. Mit den Anschlägen von Paris hat der IS-Terror in Europa eine neue Dimension angenommen. Die Unsicherheiten im Nahen Osten und in Europa sind immer enger verflochten. Die Bedrohung durch den Terrorismus dürfte auf unserem Kontinent noch Jahre anhalten, selbst wenn wir alles unternehmen, um ihn zu bekämpfen.

Fassen wir das bisher Gesagte zusammen: Wir sind konfrontiert mit einer Welle von Gewalt und einer Vielzahl von Krisen. Dies dürfte sich in nächster Zeit kaum ändern, und diese Krisen werden in der Regel an den Grenzen nicht haltmachen. D Krisen zur neuen Normalität geworden sind, ist die internationale Diplomatie gezwungen, fast permanent im Krisenmanagement-Modus zu arbeiten. Die Geopolitik erschwert die Aufgabe zusätzlich und hat zum Beispiel zur Folge, dass der UNO-Sicherheitsrat nicht in der Lage ist, adäquat auf die Krisen in Syrien, der Ukraine und auch in Afrika (z. B. in Burundi und im Südsudan) zu reagieren. Die breiter gefasste Globalisierungsagenda unter diesen Umständen umzusetzen, ist nicht unmöglich. Doch es ist schwieriger geworden.

Meine Damen und Herren

Wo steht die Schweiz in diesem grösseren Ganzen?

Ich habe bereits erwähnt, dass wir ein globalisiertes Land sind, das von einer stabilen und offenen globalen Wirtschaft profitiert hat. Dies bedeutet gleichzeitig, dass wir für unseren Wohlstand und unsere Sicherheit auf ein stabiles und offenes internationales Umfeld angewiesen sind. Die schweizerische Wirtschaft ist anfällig, wenn die internationale Versorgung mit Waren, Dienstleistungen und Ressourcen stockt. Die Schweiz ist gegenüber den vielen Herausforderungen, die ich umrissen habe, nicht weniger exponiert als unsere europäischen Partner.

Die Schweiz hat deshalb grosses Interesse daran, zur Suche nach gemeinsamen Lösungen für diese Herausforderungen beizutragen. Unser Weg in die Zukunft liegt in einem umfassenden und kreativen Engagement für Frieden und Sicherheit, im Mitgestalten, nicht in einer auf Abschottung und Angst gründenden Immobilität.

In der multipolaren Welt, die am Entstehen ist, gehört die Schweiz nicht zu einem der Machtzentren. Wir sind ein europäisches Land, das europäische Werte vertritt, und die EU ist unsere wichtigste Partnerin. Doch in ihrer Aussenpolitik ist die Schweiz eigenständig.

Diese Unabhängigkeit kommt in der heutigen Welt einer anspruchsvollen Rolle gleich, sie birgt aber auch grosse Chancen. Dank unserer Unabhängigkeit können wir Brücken bauen, mit vielfältigen Partnern zusammenarbeiten und eigene Initiativen entwickeln. Die über 170 Schweizer Vertretungen weltweit bilden eine gute Basis dafür.

Unsere besondere Rolle in der internationalen Diplomatie ist dadurch geprägt, dass wir keinem Block angehören, keine koloniale Vergangenheit haben und glaubwürdig handeln. Wir tun das, was wir sagen, es gibt keine versteckte Schweizer Agenda. Wir sind zuverlässig und kommen unseren Verpflichtungen pünktlich nach. Das mag selbstverständlich scheinen, doch ich werde von meinen Kolleginnen und Kollegen regelmässig darauf angesprochen, dass sie diese Schweizer Qualitäten schätzen.

In der heutigen Welt ist die Schweiz nicht eine kleine, sondern eine mittelgrosse Macht. Nicht so gross, dass andere Angst vor uns hätten. Wir beteiligen uns auch an keinen geopolitischen Machtspielen. Wir sind aber auch nicht so klein, dass man  uns nicht zuhört und wir nichts bewegen könnten. Die Schweiz gehört zu den zwanzig grössten Volkswirtschaften der Welt und liegt in Europa auf Rang sieben – bei einer Bevölkerung von nur acht Millionen! Die Schweiz ist der fünfzehntgrösste Beitragszahler für das ordentliche UNO-Budget. Und wir sind führend in Sachen Innovation, nicht nur in der Technologie und der Wirtschaft, sondern auch in der Aussenpolitik.

Die Aussenpolitik der Schweiz spiegelt die Eigenheiten unserer politischen Kultur im eigenen Land – das ist ihre innere Stärke. Wir leben den Dialog und eine Kompromisskultur. Wir stehen für Lösungen, die alle einbeziehen, für Machtteilung, für die Menschenrechte und die humanitären Grundsätze, und dafür, dass wir die Macht durch das Recht zu zähmen suchen. Diese Themen und Werte sind relevanter denn je.

Dass die Schweizer Aussenpolitik auf einem soliden heimischen Fundament ruht, kommt in aktuellen Meinungsumfragen zum Ausdruck. In der jährlich von der EHT Zürich durchgeführten Sicherheitsstudie gaben in diesem Jahr rekordhohe 78 Prozent der befragten Schweizerinnen und Schweizer an, dass die Schweiz häufiger als Vermittlerin in Konflikten auftreten und eine aktivere Rolle an internationalen Konferenzen übernehmen solle. 68 Prozent befürworten ein starkes Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit. Dies bestätigen meine eigenen Erfahrungen aus Gesprächen mit der Bevölkerung: Es besteht ein breiter Konsens darüber, dass unser Land unser Umfeld mitgestalten und nützliche Beiträge machen soll – und dass wir mit unserer aktiven und kreativen Aussenpolitik etwas bewirken können.

Was ist also die Antwort der Schweiz auf die aktuellen globalen Veränderungen? Was unternehmen wir?

Ich möchte hier vier Punkte nennen:

- Wir suchen nach Lösungen für die Flüchtlingskrise.
- Wir intensivieren unsere Bemühungen zur Konfliktbewältigung, zur Terrorbekämpfung und zur Förderung von Frieden und Sicherheit.
- Wir berücksichtigen die Notwendigkeit von Frieden in unserer Entwicklungsagenda.
- Und trotz des grossen Bedarfs an Krisenmanagement halten wir genügend Kapazitäten frei, um auch zur Mitgestaltung und Umsetzung der Globalisierungsagenda beitragen zu können.

Zuerst zur Flüchtlingskrise: Diese hat ein Ausmass angenommen, das noch vor wenigen Monaten unvorstellbar war. Sie ist zu einer weiteren grossen Krise geworden, die es zu bewältigen gilt – neben allem anderen. Die Krise fordert uns sowohl politisch als auch moralisch. Es scheint mir kein Zufall zu sein, dass diese Flüchtlinge in die liberale Demokratien bei uns im Norden fliehen wollen. Diese liberalen Demokratien – wir in Europa – müssen nun unsere Fähigkeit unter Beweis stellen, eine gemeinsame Antwort zu finden, die auf Solidarität, den Genfer Konventionen und einer wirksamen Umsetzung der vereinbarten Massnahmen beruht.

Der einzig gangbare Weg besteht darin, dass die Herkunfts-, Transit- und Aufnahmeländer gemeinsame Strategien entwickeln und umsetzen. Wir müssen die Lasten und die Verantwortung teilen.

Die Schweiz hat seit Kriegsausbruch mehr als 9 000 Menschen aus Syrien Schutz geboten. Bei der Aufnahme syrischer Flüchtlinge arbeiten wir mit dem UNHCR zusammen. Und wir beteiligen uns an Massnahmen der EU zur Bewältigung der Flüchtlingskrise auf unserem Kontinent. Die Schweiz beteiligt sich am Umverteilungsplan. Ausserdem unterstützen wir die Anstrengungen der EU für einen besseren Schutz der Grenzen Europas sowohl mit finanziellen als auch mit personellen Ressourcen.

Die Schwächen des Schengen/Dublin-Systems, die in der aktuellen Lage zum Vorschein kamen, dürfen uns nicht dazu verleiten, unsere bilateralen Beziehungen mit der EU infrage zu stellen. Angesichts unserer gemeinsamen Interessen mit der EU müssen wir unseren erfolgreichen bilateralen Weg bekräftigen. Wir müssen gemeinsam Lösungen für unsere gemeinsamen Herausforderungen finden, sowohl für die erzwungene als auch für die legale Zuwanderung. Um die Erfolgsgeschichte der Schweiz weiterzuschreiben bedarf es einer zuverlässigen Partnerschaft mit der EU und einer offenen Haltung gegenüber der Welt.

Im Sinne der humanitären Tradition der Schweiz bestand in den vergangenen Monaten eine Priorität darin, rasch mehr humanitäre Hilfe für Flüchtlinge in den konfliktbetroffenen Regionen bereitzustellen – vor dem Wintereinbruch. Der Bundesrat hat zusätzliche 70 Millionen Schweizer Franken gesprochen, um zur Deckung des Hilfsbedarfs in Syrien und im Irak, in der Grossregion am Horn von Afrika und auf den Transitrouten beizutragen. Doch wir setzen auch bei den Fluchtursachen an: mit umfassenden Massnahmen zur Förderung des Friedens und der Entwicklung.

Damit komme ich zu meinem zweiten Punkt: Die Schweiz verstärkt ihr Engagement für Frieden und Sicherheit. Dies wird sich in der Aussenpolitischen Strategie des Bundesrats für die nächsten vier Jahre widerspiegeln. Die vielen Krisen einzudämmen, zu entschärfen und zu lösen und das Ausmass an bewaffneter Gewalt zu reduzieren, ist zu einer vordringlichen Aufgabe unserer Zeit geworden.

In den vergangenen fünfzehn Jahren hat die Schweiz ein einzigartiges Set von Instrumenten entwickelt, um Konflikte zu lösen und die menschliche Sicherheit zu verbessern. Unser Land beteiligt sich derzeit an über zwanzig Mediationen rund um die Welt. Mediation gehört denn auch zu den Bereichen, in denen wir unsere Kapazitäten ausbauen wollen.

Mediation ist das, was die Schweiz besonders gut kann, und Mediation ist das, was auf dem internationalen Parkett zurzeit besonders gefragt ist. Wir werden unseren Pool von Mediatorinnen und Mediatoren und anderen Fachpersonen weiter ausbauen und professionalisieren, um unsere Führungsrolle auf diesem Gebiet zu festigen. Ausserdem werden wir weiterhin unsere Dienste anbieten, um Friedensgespräche zu unterstützen, sei es im Internationalen Genf oder anderswo.

Ein weiterer Schlüsselbereich ist natürlich der Terrorismus. Vor zwei Monaten verabschiedete der Bundesrat eine nationale Strategie zur Terrorismusbekämpfung, die auf den vier Pfeilern Prävention, Repression, Schutz und Krisenvorsorge beruht. Wie bereits erwähnt ist die Prävention ein Schwerpunkt, und wir stärken diese auf zwei Arten:

Erstens hat das Parlament ein neues Nachrichtendienstgesetz verabschiedet, über das allerdings noch eine Volksabstimmung stattfinden könnte. Dieses Gesetz stattet unsere Sicherheitsdienste mit dringend notwendigen Mitteln aus, um terroristische Aktionen aufzudecken und zu verhindern. Gleichzeitig stellt das Gesetz sicher, dass Massnahmen zur Terrorbekämpfung stets mit den nationalen und internationalen Gesetzen in Einklang stehen.

Zweitens haben wir die Prävention des gewalttätigen Extremismus zu einer Priorität der schweizerischen Aussenpolitik gemacht. Alternativen für Personen zu schaffen, die anfällig für gewalttätigen Extremismus sind, ist eine enorme Aufgabe. Entwicklungs- und friedensfördernde Massnahmen müssen Bestandteil von Bemühungen zur Terrorbekämpfung sein – ich denke an Beschäftigungs- und Ausbildungsmöglichkeiten für Jugendliche, aber etwa auch an Massnahmen zur politischen Einbindung von religiösen Akteuren, die glaubhaft zu gefährdeten Jugendlichen sprechen können. Wir erarbeiten derzeit unseren ersten Aktionsplan zur Prävention von gewalttätigem Extremismus. Die Zusammenarbeit mit der UNO in diesem Bereich wird ein wichtiger Bestandteil dieser Bemühungen sein. Wir engagieren uns auch stark für den Global Community Engagement and Resilience Fund in Genf. Dieser ziel darauf ab, mit lokalen Initiativen und in Zusammenarbeit mit dem Privatsektor die Widerstandskraft in gefährdeten Kreisen gegenüber einer Radikalisierung zu stärken.

Natürlich werden solche Massnahmen hauptsächlich mittel- und langfristig Wirkung zeigen, ebenso wie der Ausbau unserer Mediationskapazitäten. Kurzfristig höchste Priorität für eine Verringerung bewaffneter Gewalt und Stärkung der Sicherheit kommt der Beendigung des Krieges in Syrien zu. Dies würde den Menschen in Syrien die Hoffnung geben, ihr Land wieder aufzubauen, und den Vertriebenen die Perspektive, wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Auch erhöhte sich damit die Chance, den physischen Kern von IS in Syrien und Irak zu zerschlagen.

Die Schweiz unterstützt die Bemühungen des UNO-Sondergesandten Staffan de Mistura, den innersyrischen Dialog zu fördern, mit Expertise und gegebenenfalls auch mit finanziellen Mitteln und der Genfer Logistik. Während der politische Transitionsprozess Syriens unter der Führung Syriens erfolgen und in der Verantwortung des Landes liegen muss, ist es wichtig, dass die regionalen und internationalen Akteure ein Umfeld schaffen, das diesem Ziel förderlich ist. Diesbezüglich ist ermutigend, dass die USA und Russland trotz all ihrer Differenzen nun die Syria Support Group zusammengebracht haben, bei der auch Saudi-Arabien und der Iran mit am Tisch sitzen.

Die Schweiz fordert alle Akteure auf, den allseitigen Solidaritätsbekundungen nach den Anschlägen von Paris konkrete Bemühungen um eine Beendigung der Gewalt in Syrien folgen zu lassen. Nur dann besteht die Chance, dass wir Fortschritte in Richtung des erklärten Ziels einer glaubwürdigen, inklusiven, säkular geprägten Gouvernanz machen, mit einer neuen Verfassung und freien, fairen Wahlen.

Unsere dritte Antwort auf die aktuellen globalen Entwicklungen betrifft den immer deutlicher zutage tretenden Zusammenhang zwischen bewaffneter Gewalt und Entwicklung. Es gibt keine Entwicklung ohne Frieden und keinen Frieden ohne Entwicklung.

Diese Wechselwirkung zwischen Frieden und Entwicklung wird auch in der neuen multilateralen Rahmenvereinbarung für die internationale Zusammenarbeit, der Agenda 2030, die «friedliche und inklusive Gesellschaften» als eines der 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung aufführt. Die Berücksichtigung dieser Wechselwirkung ist auch ein Leitgrundsatz der Schweiz bei der Erarbeitung ihrer Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2017-20.

Der Bundesrat wird dem Parlament erstmals eine gemeinsame Botschaft über seine Strategien für die Entwicklungszusammenarbeit und die menschliche Sicherheit vorlegen. Zudem gewinnt innerhalb unserer Strategie zur Entwicklungszusammenarbeit  das Engagement der Schweiz zur Reduzierung von Armut und Ausgrenzung in fragilen und konfliktbetroffenen Kontexten immer mehr an Bedeutung.

Die Schweiz gehörte zu den ersten Geberländern, die sich mit den negativen Folgen von bewaffneter Gewalt und Fragilität auf die Entwicklung befasste. Heute lebt fast die Hälfte der Armen weltweit in fragilen Kontexten – also in Staaten, die nicht fähig oder nicht willens sind, grundlegende Funktionen in den Bereichen Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und soziale Grundversorgung zu erbringen. Laut Schätzungen der OECD könnte dieser Anteil in den nächsten fünfzehn Jahren auf zwei Drittel aller Armen steigen.

Mit anderen Worten: Wenn wir die Armut weiter reduzieren, die nachhaltige Entwicklung vorantreiben und gewalttätigen Extremismus verhindern wollen, müssen wir fragile Staaten in friedliche, inklusive und stabile Staaten verwandeln. Dies bedeutet auch, dass wir die traditionelle Entwicklungshilfe durch friedensfördernde und staatsbildende Massnahmen ergänzen müssen. Heute sind bereits die Hälfte der Entwicklungspartner der Schweiz fragile Staaten. Die Ursachen ihrer Fragilität zu bekämpfen, ihre Krisenresistenz zu erhöhen und ihre Menschenrechtssituation zu verbessern, wird in den kommenden Jahren wichtiger denn je.

Damit komme ich zum vierten und letzten Punkt der Antwort der Schweiz auf die aktuellen Entwicklungen. Während unser Land zur Bewältigung der vielen laufenden Krisen beitragen kann und muss, gehört auch das Vorantreiben der Globalisierungsagenda und struktureller aussenpolitischer Themen weiterhin zu den Prioritäten der Schweiz.

Ich denke an unsere Beiträge zur Debatte über die Reform der UNO und unsere Ideen zur Stärkung der Handlungsfähigkeit der OSZE; an unsere Anstrengungen, die kooperative Sicherheit in Ostasien und im Nahen Osten zu erhöhen; an unser Engagement für die Nichtverbreitung von Waffen und die Abrüstung; an unsere gemeinsame Initiative mit dem IKRK zur einer stärkeren Einhaltung des humanitären Völkerrechts; an unsere aktive und prominente Rolle bei der Ausgestaltung normativer Prozesse wie der Agenda 2030 und dem Sendai-Rahmenwerk zur Minderung von Katastrophenrisiken; oder an unsere Globalprogramme für Themen wie Klimawandel, Ernährungssicherheit, Migration und Wasser. Das Internationale Genf schafft eine hervorragende Ausgangslage dafür, dass wir unserer Stimme in Debatten zu solchen Themen Gehör verschaffen können.

Meine Damen und Herren

Lassen Sie mich abschliessend zur Diskussionsrunde überleiten, indem ich das bisher Gesagte auf die Ukrainekrise übertrage.

Die Ukraine-Krise hat zwar viele Ursachen, sie ist aber vor allem auch Ausdruck einer Welt mit wachsender wirtschaftlicher und politischer Polarisierung. Die Ukrainekrise ist der gewaltsame Kulminationspunkt einer strategischen Entfremdung zwischen Russland und dem Westen, die sukzessive zu einer Erosion der paneuropäischen Partnerschaft und Sicherheit führte. In dieser Krise geht es um ein Land, die Ukraine, das sich zwischen zwei Polen zu positionieren versucht – ein Land, das sich konfrontiert sieht mit konkurrierenden Integrationsmodellen im Osten und Westen, die auch für verschiedene politische Anbindungen stehen.

In dieser Krise geht es aber auch um ein anderes Land, Russland, das eine westliche Orientierung seiner Nachbarn als Bedrohung für die eigene Identität und Sicherheit wahrnimmt, und das geopolitische Mittel einsetzt, um rote Linien zu ziehen und seinem Anspruch, als Grossmacht behandelt zu werden, Nachdruck zu verleihen. Die Annexion der Krim war eine Verletzung des Völkerrechts und ein Angriff auf die nach dem Kalten Krieg entstandene europäische Ordnung und deren normativen Fundamente.

Die Ukrainekrise mündete in einen schrecklichen Krieg und eine humanitäre Tragödie. Die Ukraine ist dadurch fragil geworden. Wirtschaftliche und finanzielle Sanktionen haben die russische Wirtschaft geschwächt, zusammen mit anderen Faktoren wie einem sinkenden Erdölpreis. Die Sanktionen haben auch negative Auswirkungen auf die westlichen Volkswirtschaften.

Elemente einer Deglobalisierung sind nicht nur in den Beziehungen zwischen Russland und dem Westen zu beobachten, sondern auch zwischen Russland und der Ukraine. Wirtschaftliche Verflechtungen werden weniger dicht. Das gegenseitige Verbot von Flügen zwischen Kiew und Moskau hat eine der verkehrsreichsten Flugstrecken der Welt lahm gelegt.

Betreffend Krisenmanagement spielen auch hier die Grossmächte eine Schlüsselrolle, insbesondere im Normandie-Format, das Deutschland, Frankreich, Russland und die Ukraine zusammenbringt. Die Schweiz vermochte jedoch durch eine Reihe von Massnahmen einen nützlichen Beitrag zur Deeskalation der Krise zu leisten und den Weg für eine politische Lösung zu ebnen.

Als unabhängige und glaubwürdige Vorsitzende der OSZE gelang es der Schweiz im letzten Jahr, diese Organisation als zentrale Plattform für einen inklusiven Dialog und als wichtigsten internationalen operationellen Krisenakteur zu positionieren. Besonders zu erwähnen ist dabei die Trilaterale Kontraktgruppe mit der Schweizer Botschafterin Heidi Tagliavini und ihrem österreichischen Nachfolger Martin Sajdik als Fazilitator und Mediator im Namen der OSZE. Auch die Special Monitoring Mission muss erwähnt werden, die massgeblich zur Deeskalation der Situation in der Ostukraine beiträgt.

Ergänzend zu den Bemühungen, die Handlungsfähigkeit der OSZE zu stärken, hat die Schweiz auch ihre bilaterale Zusammenarbeit mit der Ukraine intensiviert. So haben wir das Budget der neuen bilateralen Kooperationsstrategie verdoppelt. Mit dieser Strategie wird versucht, den inneren Zusammenhalt der Ukraine durch demokratische Regierungsführung, nachhaltige Entwicklung und Massnahmen zur Friedensförderung zu stärken. Bisher sind wir zudem das einzige Land, das humanitäre Hilfe an Menschen auf beiden Seiten der Kontaktlinie geleistet hat. Die Schweizer Hilfskonvois, welche die Kontaktlinie in diesem Jahr drei Mal überquerten, sind ein gutes Beispiel für unsere humanitäre Tradition und unsere Glaubwürdigkeit in diesem Konflikt. Ich bin stolz auf sie.

Aber auch in dieser Krise arbeitet die Schweiz nicht nur darauf hin, den Gewaltkonflikt zu beenden, das Land zu stabilisieren und die Folgen der Krise abzufedern. Wir schenken auch grundsätzlicheren, strukturellen Fragen Aufmerksamkeit. Unser Ziel ist es, Wege für eine gemeinsame Zukunft aufzuzeigen.

Ein Konzept, an dem wir arbeiten, betrifft die wirtschaftliche Konnektivität. Dazu gehört, Trennungslinien innerhalb von Ländern zu überbrücken und Vertrauen zwischen konkurrierenden wirtschaftlichen Integrationsstrukturen aufzubauen. Wir wollen frische Ideen einbringen, um bestehende Muster wirtschaftlicher Konfrontation zu durchbrechen und einen sicheren Handel zu ermöglichen. In konfliktbetroffenen Ländern wird der Handel häufig in die Schattenwirtschaft gedrängt – mit enormen Kosten für die Bevölkerung. In Georgien, in der Ukraine und in Moldova haben wir Studien in Auftrag gegeben, die die wirtschaftlichen Auswirkungen der Konflikte aufzeigen und neue Ansätze zur Regulierung des Handels über politische Trennungslinien hinaus vorschlagen. Wir werden anstreben, das Konzept der wirtschaftlichen Konnektivität auch in der OSZE zu etablieren.

Ein anderes Thema, das wir angehen, ist die europäische Friedensordnung. Die Ukrainekrise und die europäische Sicherheitskrise hängen eng zusammen. Keine der beiden lässt sich ohne die andere lösen. Deshalb lancierte die Schweiz zusammen mit unseren Troika-Partnern Serbien und Deutschland das Panel of Eminent Persons on European Security as a Common Project. Dieses Panel hat bereits nützliche Empfehlungen darüber abgegeben, wie die OSZE gestärkt werden kann. Der geplante Schlussbericht soll in der OSZE eine breite Debatte darüber in Gang bringen, wie sich die kooperative Sicherheit in Europa auf dem Fundament einer Partnerschaft wiederherstellen lässt.

Zufälligerweise sind heute drei Mitglieder des Panels hier anwesend. Botschafter Ischinger, der das Panel umsichtig präsidiert, sowie Professor Karaganov aus Russland und die frühere Präsidentin von Lettland, Vaira Vike-Freiberga, die beide an der Diskussionsrunde teilnehmen werden.

In dieser Diskussionsrunde werden Sie vermutlich selber feststellen, wie anspruchsvoll es ist, einen gemeinsamen Weg zur Überwindung der europäischen Krise zu finden... Ein langer Atem ist gefragt. Dasselbe gilt für die Ukrainekrise. Zwar hat sich die Sicherheitslage im Konfliktgebiet in den letzten Wochen verbessert, die Situation bleibt aber instabil. Wir sind noch weit von einer Umsetzung des Minsker Abkommens entfernt.

Meine Damen und Herren

In unserer multipolaren Welt hat sich bei der Suche nach Konfliktlösungen, in der Terrorismusbekämpfung und bei der Bewältigung gemeinsamer Herausforderungen vor allem eines gezeigt: wir brauchen Geduld und Ausdauer. Wir stehen vor grossen Herausforderungen und zahlreichen Krisen. Doch wie ich bereits zu Beginn sagte: Ich glaube fest daran, dass kreative Diplomatie etwas bewirken kann. Wir müssen uns alle weiterhin engagieren und bereit sein, Verantwortung zu übernehmen.

Die Schweiz wird auch künftig ihren Teil beisteuern. Wir werden weiterhin den Dialog und kooperative Lösungen fördern, Brücken zur Lösung von Konflikten bauen, gewalttätigem Extremismus vorbeugen und uns für eine Globalisierung einsetzen, die Wohlstand und Sicherheit fördert. Wir wollen möglichst vielen Menschen ein Leben in Würde ermöglichen – in unserer Generation, vor allem aber auch für künftige Generationen.


Adresse für Rückfragen

Kommunikation EDA
Bundeshaus West
CH-3003 Bern
Tel. Medienstelle: +41 58 460 55 55
E-Mail: kommunikation@eda.admin.ch
Twitter: @EDA_DFAE


Herausgeber

Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten
https://www.eda.admin.ch/eda/de/home.html

https://www.admin.ch/content/gov/de/start/dokumentation/reden/reden-der-bundesraete.msg-id-59475.html