Bern, 30.03.2019 - Bundesrätin Karin Keller-Sutter. Es gilt das gesprochene Wort.

Grüezi mitenand. Wieder einmal an einem Anlass in Wil. Freue mich sehr. Ich bin immer gerne hier.

Bin jetzt ja drei Monate als Bundesrätin im Bundeshaus, in meinem Büro als Chefin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartments. Gestern die traditionelle erste Bilanz gezogen. Will das heute nicht noch einmal wiederholen. Nur so viel: Es macht mir viel Freude. Ich habe spannende Aufgaben. Einige Themen kenne ich schon lange, aus meiner Zeit als St. Galler Justiz- und Sicherheitsdirektorin. Andere Aufgaben sind für mich völlig neu - zum Beispiel, dass ich jetzt für die Eidgenossenschaft zwischen den Kantonen Bern und Jura vermitteln darf, als St. Gallerin. Wie damals Kurt Furgler, als die Schweizerinnen und Schweizer vor 40 Jahren Ja sagten zu einem Kanton Jura und damit zu einem grossen Schritt vorwärts.

Was ich als Bundesrätin in Bern aber vor allem habe: Ein gutes Team. Mit vielen Frauen in meinem Stab. Eine Ostschweizerin führt diesen Stab als Generalsekretärin. Und auch ein paar Ostschweizer Männer sind dabei. Ich muss also kein Heimweh haben unter der Woche.

Dass ich kein Heimweh habe, hat aber noch einen Grund, und zwar einen grossen: Den Säntis. Ich habe gleich in der ersten Arbeitswoche ein riesiges Bild des Säntis bekommen. Eine mächtige Fotografie eines mächtigen Bergs. So mächtig, dass er früher einmal diesem Teil der Ostschweiz den Namen gab: "Kanton Säntis" hiess das Gebiet von Rheintal über Rorschach bis nach Wil und wieder zurück über Wattwil ins Rheintal für ein paar Jahre am Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert. Und heute habe ich den Säntis im Rücken, wenn ich an meinem Bundesrats-Schreibtisch sitze. Der "Kanton Säntis" liegt jetzt also in Bern, im Bundeshaus.

Ja, der Säntis gibt mir Kraft. Wil gibt mir Kraft - die erste und einzige Stadt im Kanton mit einer Frau an der Spitze. Und Sie, liebe Ostschweizerinnen, Sie geben mir Kraft mit Ihrer Veranstaltung, die Sie schon seit über 20 Jahren machen, um Frauen zu stärken. Danke dafür und danke für die Einladung. Ich habe diese Einladung gerne angenommen, noch im letzten Jahr, lange vor der Bundesratswahl. Ich habe als Ständerätin zugesagt und stehe jetzt als Bundesrätin vor Ihnen.

Es ist mir wichtig, dass ich bei Ihnen sein kann. Denn Sie haben sich viel vorgenommen. Ich habe Ihr Tagungsprogramm quer gelesen, da ist vieles dabei, was Frauen vorwärts bringen kann. Mit Ihrer Veranstaltung tragen Sie auch dazu bei, dass unsere Region und Wil zu dem werden, was die Wiler Stadtpräsidentin Susanne Hartmann schon bei ihrer Wahl als Ziel vorgegeben hat: "aktivstes und leistungsfähigstes Wirtschaftszentrum, familienfreundlichste Stadt".

Und Sie, liebe Organisatorinnen, Sie helfen mit Ihrer Tagung Frauen, Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten zu fassen, damit sie mutig ihren Weg gehen können.

Beides ist wichtig: Die Politik muss günstige Rahmenbedingungen schaffen. Und die einzelne muss sich engagieren. Ohne Chancengleichheit beim Zugang zu Bildung und zu Arbeit geht es ebenso wenig, wie wenn der individuelle Antrieb fehlt, der Ehrgeiz jeder und jedes einzelnen.

Gefordert ist vor allem aber auch die Wirtschaft: Ihre Verbände, aber auch die Unternehmen selbst müssen ihr Bewusstsein für Frauenkarrieren schärfen. Sie können noch mehr tun, um Frauen zu fördern, gerade auch die vielfach gut ausgebildeten Mütter. Von den Menschen im erwerbsfähigen Alter, die einen Hochschulabschluss haben, sind heute nämlich fast gleich viele Frauen wie Männer.

Da liegt also viel Potenzial brach. Potenzial, das in den nächsten Jahren immer mehr wert wird. Denn es ist klar: Die Zahl der neuen Arbeitskräfte auf dem Markt wird in den nächsten Jahren weiter abnehmen. Der Blick in die demographischen Daten zeigt das. Das heisst auch: Der internationale Wettbewerb um Fachkräfte wird sich verschärfen. Die Unternehmer müssen sich also mehr Gedanken darüber machen, wie sie als Arbeitgeber attraktiv bleiben. Teilzeitmodelle, Kinderbetreuung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Das sind nur ein paar Stichworte dazu, wie auch Frauenkarrieren besser gelingen können. Ich ermuntere die Wirtschaftsführer bei jeder Gelegenheit dazu, hier mehr zu tun. Ich bin froh, dass es jetzt ein konkretes Vorhaben gibt. In einer breiten und parteiübergreifenden Allianz wollen Vertreter der Wirtschaft, von Kantonen, Städten, Gemeinden und des Bundes unter der Leitung des Präsidenten des Arbeitgeberverbands konkrete Projekte ausarbeiten, damit wir hier Fortschritte machen können. Ich habe für den Bund jetzt die Schirmherrschaft übernommen. Es braucht hier jeden möglichen Support.

Wenn ich jetzt schon politisch geworden bin, bleibe ich es noch kurz: Sie hören gleich ein Referat über Sexismus im Alltag. Es ist gut, dass sich Frauen konsequent dagegen wehren. Allerdings sollte das Engagement gegen Sexismus partnerschaftlich mit den Männern angegangen werden. Kein neuer Geschlechterkampf!

Am internationalen Tag der Frau vor gut zwei Wochen habe ich mit meinen beiden Bundesratskolleginnen Viola Amherd und Simonetta Sommaruga 30 junge Frauen empfangen. Das Treffen war eindrücklich. Wir Frauen haben es in der Hand. Zum Beispiel bei den Parlamentswahlen im Herbst. Aber auch schon am 19. Mai, wenn wir über das Waffengesetz abstimmen. Mit dem Gesetz wollen wir mehr machen gegen die Verwendung von Waffen für kriminelle Zwecke und gegen andere Menschen. Ich bin sicher: Wir Frauen werden bei dieser Abstimmung eine wichtige Rolle spielen. Fast vier von fünf sind für das neue Gesetz. Und damit haben sie recht. Das Gesetz bringt der Polizei mehr Möglichkeiten. Es sichert die Instrumente der europäischen Zusammenarbeit in der Sicherheit und im Asylwesen; das ist für uns zentral. Und wer in seiner Freizeit schiessen will - am Schützenfest oder beim Knabenschiessen zum Beispiel -, kann das weiterhin tun. Die lange und friedliche Schiesstradition der Schweiz ist nicht gefährdet. Bundesrat und Parlament empfehlen deshalb ein Ja.

Ich komme zum Schluss.
Sie haben es gemerkt: Ich habe mir Ihr heutiges Motto "quer denken - quer machen" zu Herzen genommen: Ich habe Sie querfeldein durch ein paar Themen geführt, die mir wichtig sind. Und, Sie sehen es hier: Auch meine Notizen habe ich "quer gemacht".

Es ist mir eine Freude und eine Ehre, dass ich Ihnen hier in Wil im Namen des Bundesrates sagen darf: Ich wünsche Ihnen eine inspirierende Tagung.

 


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