Licht für Biomoleküle und blitzschnelle Prozesse

Villigen, 16.05.2018 - Der 16. Mai ist der Internationale Tag des Lichts. Mithilfe von Licht untersuchen Forschende am Paul Scherrer Institut PSI unter anderem, wie Moleküle aufgebaut sind und welche rasanten chemischen oder physikalischen Prozesse auf der Ebene einzelner Atome ablaufen. Ihre Erkenntnisse ermöglichen Fortschritte in der Biologie und Pharmazie, dienen aber auch zur Entwicklung neuer Materialien für die Datenspeicherung oder medizinischer Technologien wie zum Beispiel zu einer Methode zur besseren Früherkennung von Brustkrebs.

Es war der 16. Mai 1960, als ein Experiment des amerikanischen Ingenieurs Theodore Maiman das erste Laserlicht hervorbrachte. Deshalb wählte nun die UNESCO für den neuen, Internationalen Tag des Lichts den 16. Mai als Datum. Mit Laserlicht einer ganz besonderen Art arbeitet die neue Grossforschungsanlage am PSI in ihrem 740 Meter langen Tunnelgebäude: Der Röntgenlaser SwissFEL erzeugt extrem kurze und intensive Blitze aus Röntgenlicht in Laserqualität. Damit lassen sich Moleküle und Atome in Aktion quasi filmen. Die Schweiz ist das erste kleine Land, das eine solche Anlage betreibt, sagt Gabriel Aeppli, Leiter der Photonenforschung am PSI. Weltweit gibt es insgesamt nur fünf dieser sogenannten Freie-Elektronen-Röntgenlaser. Seit Ende 2017 laufen die ersten Pilotexperimente am SwissFEL. Die Inbetriebnahme der Anlage verläuft ausgezeichnet, zieht Gabriel Aeppli eine erste Bilanz.

Beim Bau des SwissFEL stützte sich das PSI auf die Erfahrungen mit der etwas älteren hiesigen Grossforschungsanlage, die ebenfalls intensives Röntgenlicht erzeugt: Die Synchrotron Lichtquelle Schweiz, kurz SLS, ist untergebracht in einem kreisrunden Gebäude, das an eine grosse fliegende Untertasse erinnert. Die SLS ist im internationalen Vergleich zwar nur eine mittelgrosse Forschungsanlage, doch unsere Wissenschaft hat Weltniveau, sagt Oliver Bunk, Leiter des Labors für Makromoleküle und Bioimaging am PSI. Eines der grössten und wichtigsten Biomoleküle, die hier untersucht wurden, ist das Ribosom. Es hat eine entscheidende Aufgabe in den Zellen aller Lebewesen: Es übersetzt hier die genetische Information der DNA so, dass die Zelle entsprechende Proteine erstellt. Für die Entschlüsselung der Ribosom-Struktur erhielt Venkatraman Ramakrishnan 2009 zusammen mit zwei weiteren Forschern den Nobelpreis für Chemie. Einen Teil seiner Experimente hatte der Wissenschaftler am Synchrotron des PSI durchgeführt.

Gezielt neue Medikamente entwickeln

Besonders wichtig ist die Untersuchung von lebenswichtigen Proteinmolekülen. Man kann sich die Proteine als kleine Maschinen vorstellen, die an allen Prozessen im menschlichen Körper beteiligt sind, erklärt Oliver Bunk. Möchte man die Funktion dieser Maschinen verstehen, muss man ihre Struktur kennen. Oft stehen Fehlfunktionen der Proteine mit Krankheiten in Verbindung. Die Pharmaindustrie sucht dann nach einem kleinen Medikamentenmolekül, das an das Protein andockt und auf diese Weise die Fehlfunktion blockiert, sodass der Mensch wieder gesund wird, sagt der PSI-Physiker Bunk. Die Schweizer Pharmaindustrie unterstützt deshalb Experimentierstationen an der SLS.

An der SLS betreiben wir primär Grundlagenforschung, sagt Bunk. Die Ergebnisse tragen aber auch zu wertvollen Anwendungen bei, die völlig überraschend sein können. Ein Beispiel dafür ist eine neue Methode zur Früherkennung von Brustkrebs. Eigentlich wollten die Forschenden im Bereich der Bildgebung das Röntgenlicht der SLS besser charakterisieren. Dazu entwickelten sie ein Verfahren, das nicht nur misst, wie stark ein Material Röntgenstrahlen absorbiert, sondern auch, wie es sie ablenkt und streut. Es stellte sich heraus, dass sich mit dieser Methode zudem Weichgewebe viel besser sichtbar machen lässt als mit dem herkömmlichen Röntgenverfahren, das vor allem Knochen zeigt. Deshalb erkennt man Gewebeveränderungen früher und genauer.

In einem zweiten Schritt wurde die neue Messmethode so weiter entwickelt, dass sie nicht nur an einem Synchrotron, sondern auch mit der herkömmlichen Röntgenröhre eines Spitals funktioniert. Mittlerweile haben wir ein Pilotprojekt zur Mammografie im Kantonsspital Baden und am Universitätsspital Zürich, sagt Oliver Bunk. Zudem gründeten Forscher des PSI und der ETH-Zürich im Jahr 2017 ein Spin-off-Unternehmen, das ein neuartiges 3-D-Mammografiegerät, basierend auf diesem Verfahren, bauen will. Die Firma namens GratXray mit Sitz im Innovationspark in unmittelbarer Nähe zum PSI gewann schon in ihrem Gründungsjahr den Swiss Technology Award.

Investitionen zahlen sich aus

GratXray ist eines von mehreren PSI-Spin-offs aus der Forschung mit Licht. Eine weitere, besonders schöne Erfolgsgeschichte ist die Firma DECTRIS, sagt Oliver Bunk. Das 2006 gegründete Start-up in Baden-Dättwil stellt Röntgendetektoren her und beschäftigt über 100 Mitarbeitende. Ursprünglich hatte das PSI für das Teilchenphysiklabor CERN einen Detektor gebaut, der am Nachweis des Higgs-Teilchens beteiligt war. Darauf basierend entwickelten die PSI-Physiker für die SLS besondere Detektoren, die jetzt von DECTRIS weltweit an Forschungsinstitute verkauft werden. Die Firma ist marktführend bei der Herstellung dieser Geräte für Synchrotron-Anlagen. Die Investitionen in die SLS haben sich für unser Land ausgezahlt, sagt Gabriel Aeppli. Das Gleiche erwarten wir nun auch vom Röntgenlaser SwissFEL.

Diese neue Anlage erzeugt Röntgenlichtpulse, die eine Milliarde Mal so hell sind wie das Licht der SLS. Die Röntgenblitze sind dabei so kurz, dass sich damit extrem schnelle Vorgänge abbilden lassen. So werden beispielsweise die chemischen Reaktionen sichtbar, die den Sehvorgang im Auge auslösen oder den Energietransport in einer Solarzelle. In einem ersten Experiment am SwissFEL untersuchten die Forschenden, wie eine Metall-Legierung ihre Struktur ändert, wenn sie mit Laserlicht bestrahlt wird. Weil diese Strukturumwandlungen auch die elektrischen Eigenschaften des Materials verändern, könnten sich solche Legierungen zur Herstellung besonders effizienter Datenspeicher eignen.

Aber auch in der Krebsforschung erhofft man sich neue Einsichten. Besonders gespannt sind wir auf Experimente, welche die zeitabhängige Wirkung einer Chemotherapie auf molekularer Ebene zeigen werden, sagt Gabriel Aeppli. Solche Erkenntnisse könnten wesentlich zur Entwicklung der personalisierten Krebsbehandlung beitragen.

Text: Barbara Vonarburg

 

Über das PSI

Das Paul Scherrer Institut PSI entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Materie und Material, Energie und Umwelt sowie Mensch und Gesundheit. Die Ausbildung von jungen Menschen ist ein zentrales Anliegen des PSI. Deshalb sind etwa ein Viertel unserer Mitarbeitenden Postdoktorierende, Doktorierende oder Lernende. Insgesamt beschäftigt das PSI 2100 Mitarbeitende, das damit das grösste Forschungsinstitut der Schweiz ist. Das Jahresbudget beträgt rund CHF 380 Mio. Das PSI ist Teil des ETH-Bereichs, dem auch die ETH Zürich und die ETH Lausanne angehören sowie die Forschungsinstitute Eawag, Empa und WSL. Einblick in die spannende Forschung des PSI mit wechselnden Schwerpunkten erhalten Sie 3-mal jährlich in der Publikation 5232 - Das Magazin des Paul Scherrer Instituts.


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