Bildgebung am Paul Scherrer Institut hilft Aargauer ABB-Standort bei der Produktionssteigerung

Villigen, 12.02.2018 - Konkrete Empfehlungen zur Produktionssteigerung von Keramikbauteilen erhielt der ABB-Standort Wettingen, Aargau. Bei den Keramiken handelt es sich um spannungsabhängige Widerstände, die in den Überspannungsableitern – eine Art Blitzableiter – beispielsweise in elektrischen Übertragungsleitungen eingesetzt werden. Dank der am PSI etablierten Bildgebung mittels Neutronen konnte die Materialveränderung, die bei der Produktion der Keramiken während des Ausbrennens abläuft, untersucht werden. Dies geschah im Rahmen einer Machbarkeitsstudie, die vom Hightech Zentrum Aargau gefördert wurde. Anhand der Neutronenbilder konnten die ABB-Mitarbeitenden sehen, wo es noch Potenzial für eine Prozessoptimierung gibt.

In einer Zusammenarbeit haben Forschende des Paul Scherrer Instituts PSI gemeinsam mit Ingenieuren des Technologieunternehmens ABB sowie Wissenschaftlern des ABB-Forschungszentrums Hochleistungsbauteile aus Keramik untersucht. Die am PSI durchgeführte dreimonatige Machbarkeitsstudie (Oktober bis Dezember 2017) hatte zum Ziel, die Prozesse bei der Herstellung der Keramikbauteile besser zu verstehen. Die Bauteile werden am ABB-Standort in Wettingen, Aargau, produziert. Mit den Studienergebnissen hat die ABB eine wichtige Grundlage, um eine Produktionssteigerung bei gleichbleibender Qualität der Keramikbauteile zu lancieren. Am 14. Februar 2018 findet die Abschlusssitzung zur Machbarkeitsstudie statt.

Für ihre Untersuchungen der Keramikbauteile setzten die PSI-Forschenden auf eine besondere Art der Qualitätskontrolle: Sie nutzten die Bildgebung mittels Neutronen, welche weltweit nur an wenigen Forschungsinstituten verfügbar ist. Am PSI ist die Bildgebungsmethode solide etabliert und erlaubt einen besonderen, zerstörungsfreien Blick ins Innere von Materialien und Bauteilen. Im Falle der Keramiken nutzten die PSI-Forschenden die Neutronen-Bildgebung, um Materialveränderungen zu untersuchen, die während des Ausbrennens der Keramik geschehen.

 

Hochleistungskeramiken mit Neutronen durchleuchtet

Bei den in Wettingen hergestellten Keramikbauteilen handelt es sich um sogenannte Varistoren: spannungsabhängige elektrische Widerstände, die im Mittel- und Hochspannungsbereich eingesetzt werden, also beispielsweise in den Übertragungsleitungen von Kraftwerken zu Verteilanlagen. Dort schützen sie die Leitung vor Überspannungen wie etwa bei Blitzeinschlag. Die in Wettingen hergestellten zylinderförmigen Varistoren haben ungefähr die Grösse von Eishockey-Pucks. Sie bestehen aus einer besonderen Zinkoxid-Keramik und ein Produktionsschritt erfordert es, die Bauteile in einem Spezialofen auf bis zu 1200 Grad Celsius zu erhitzen. Die Varistoren der ABB Wettingen zeichnen sich durch eine verlässlich hohe Qualität aus und sind dadurch weltweit konkurrenzfähig. Um die Produktion zu steigern und dadurch auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben zu können, wollten die ABB-Mitarbeitenden herausfinden, wie weit sich die Anzahl der zeitgleich im Ofen gebrannten Varistoren erhöhen lässt, ohne dass es zu Qualitätseinbussen kommt. „Mithilfe unserer Neutronenbilder von verschiedenen Varistoren aus speziellen Versuchsreihen konnten wir diese Frage fundiert beantworten", sagt PSI-Forscher Christian Grünzweig.

Die dreimonatige Machbarkeitsstudie wurde vom Hightech Zentrum Aargau im Rahmen der Innovationsförderung für Aargauer Unternehmungen mit 20‘000 Schweizer Franken gefördert. „Für das Projekt haben sich das PSI, die ABB und das Hightech Zentrum zusammengefunden. Damit können wir wirklich mal die ‚Power of Aargau‘ zeigen", freut sich Grünzweig. Zusätzlich zur Machbarkeitsstudie haben die PSI-Forschenden gemeinsam mit den ABB-Mitarbeitenden weitere Daten gesammelt, die zu einer wissenschaftlichen Publikation führen werden.

 

Neutronen machen Keramikbinder sichtbar

Die Neutronenbildgebung am PSI erwies sich als vorteilhaftes Untersuchungsverfahren, weil Neutronen besonders von den Atomen des Wasserstoffs von ihrer geraden Bahn abgelenkt werden - sodass sich Wasserstoff als Kontrast im Neutronenbild zeigt. Die Keramik-Varistoren werden aus einer trockenen Pulvermixtur hergestellt, die mit einem flüssigen Binder vermischt wird. Letzterer enthält Wasserstoff. Dadurch lässt sich mittels Neutronen die Verteilung des Binders in der Keramik gut sichtbar machen.

Das Erhitzen der Keramikbauteile brennt diesen Binder aus. „Unsere Neutronenbilder konnten sichtbar machen, wie gut und wie gleichmässig das Ausbrennen des Binders funktioniert", sagt David Mannes, der zusammen mit Grünzweig am PSI forscht. „Weil wir Varistoren aus verschiedenen Versuchsreihen angeschaut haben, die bei unterschiedlich voll beladenem Ofen ausgebrannt worden waren, konnten wir eindeutig sagen, ab welcher Beladungsdichte im Ofen die Qualität der Varistoren leidet - und bis zu welcher noch nicht." Und Michael Hagemeister, Gruppenleiter Forschung und Entwicklung für Metalloxid-Varistoren bei ABB Wettingen, ergänzt: „Auf dieser Datenbasis konnten wir schliesslich ermitteln, wie viele Varistoren sich ohne Qualitätseinbussen gleichzeitig in unserem Ofen brennen lassen."

Text: Paul Scherrer Institut/Laura Hennemann

 

Über das PSI

Das Paul Scherrer Institut PSI entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Materie und Material, Energie und Umwelt sowie Mensch und Gesundheit. Die Ausbildung von jungen Menschen ist ein zentrales Anliegen des PSI. Deshalb sind etwa ein Viertel unserer Mitarbeitenden Postdoktorierende, Doktorierende oder Lernende. Insgesamt beschäftigt das PSI 2100 Mitarbeitende, das damit das grösste Forschungsinstitut der Schweiz ist. Das Jahresbudget beträgt rund CHF 380 Mio. Das PSI ist Teil des ETH-Bereichs, dem auch die ETH Zürich und die ETH Lausanne angehören sowie die Forschungsinstitute Eawag, Empa und WSL.

 

 


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