Frauenfelder Zelle der 'Ndrangheta: erster Auslieferungsentscheid des BJ

Bern, 05.08.2016 - Das Bundesamt für Justiz (BJ) hat die Auslieferung eines mutmasslichen Mitgliedes der Frauenfelder Zelle der 'Ndrangheta an Italien bewilligt. Der italienische Staatsangehörige kann den Auslieferungsentscheid des BJ innert 30 Tagen beim Bundesstrafgericht anfechten.

Der Mann war am 8. März 2016 zusammen mit zwölf anderen mutmasslichen Mitgliedern der Frauenfelder Zelle der 'Ndrangheta festgenommen und in Auslieferungshaft versetzt worden. Die Haftanordnung des BJ stützte sich auf italienische Auslieferungsersuchen, die zwischen Februar 2015 und Januar 2016 eingereicht worden waren. Grundlage dieser Ersuchen sind Haftbefehle des Gerichts von Reggio Calabria wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation. Angesichts des kleinen Fluchtrisikos und der geringen Kollusionsgefahr ordnete das BJ noch im gleichen Monat an, alle festgenommenen Personen unter bestimmten Auflagen (Kaution, Schriftenabgabe, Meldepflicht bei der Polizei) aus der Auslieferungshaft zu entlassen.

Eingliederung in die kriminelle Organisation dargelegt

Das BJ ist in seinem ersten Auslieferungsentscheid zum Schluss gelangt, dass sämtliche Voraussetzungen für eine Auslieferung erfüllt sind. Insbesondere ist der im italienischen Auslieferungsersuchen dargelegte Sachverhalt auch nach schweizerischem Recht strafbar (beidseitige Strafbarkeit). Die kalabresische 'Ndrangheta gilt gemäss Rechtsprechung als kriminelle Organisation im Sinne von Art. 260ter StGB. Diese mafiöse Vereinigung hat sich auch ausserhalb von Kalabrien und Italien ausgebreitet. Die im Rahmen des Strafverfahrens der Bundesanwaltschaft durchgeführten Überwachungen haben bestätigt, dass auch im Raum Frauenfeld eine operative Zelle der 'Ndrangheta existiert, die vom Führungsorgan in Kalabrien abhängig ist.

Gemäss Art. 260ter StGB wird wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft, wer sich an einer Organisation beteiligt, die ihren Aufbau und ihre personelle Zusammensetzung geheim hält und die den Zweck verfolgt, Gewaltverbrechen zu begehen oder sich mit verbrecherischen Mitteln zu bereichern. Bei der Beurteilung der Strafbarkeit spielt es keine Rolle, ob die kriminelle Organisation bereits andere Verbrechen wie z.B. Erpressung oder Drogendelikte begangen oder zu begehen versucht hat und ob sie ihre verbrecherische Tätigkeit massgeblich oder ausschliesslich im Ausland entfaltet. Als Beteiligte im Sinne dieser Strafbestimmung gelten alle Personen, die in die kriminelle Organisation eingegliedert sind und im Hinblick auf deren verbrecherischen Zweck Aktivitäten entfalten. Diese Aktivitäten brauchen nicht notwendigerweise strafbar zu sein; auch legale Handlungen wie das Zur-Verfügung-Stellen von Material, Räumlichkeiten oder andere Dienstleistungen können darunter fallen.

Im vorliegenden Fall soll der Betroffene seit Jahren Mitglied der 'Ndrangheta sein und in der Frauenfelder Zelle besondere Aufgaben wahrgenommen haben. Die italienischen Behörden legen im Auslieferungsersuchen dar, wie er in die kriminelle Organisation eingegliedert war. Sie beschreiben namentlich, dass er an Treffen mitgewirkt und dass er die typischen Riten, Strukturen und Hierarchien der 'Ndrangheta akzeptiert habe.

Der Auslieferungsentscheid des BJ ist noch nicht rechtskräftig. Der Betroffene kann innert 30 Tagen eine Beschwerde beim Bundesstrafgericht erheben. Der Entscheid des Bundesstrafgerichts kann nur in besonderen Fällen - namentlich bei Hinweisen auf schwere Mängel des Strafverfahrens im Ausland - an das Bundesgericht weitergezogen werden.

Die weiteren Auslieferungsentscheide des BJ folgen in den kommenden Wochen. Wegen der je unterschiedlichen konkreten Sachverhalte muss das BJ in jedem einzelnen Fall prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Auslieferung erfüllt sind.

Kanton Wallis: Zwei Mitglieder der ‘Ndrangheta bereits ausgeliefert

Die beiden ebenfalls am 8. März 2016 im Kanton Wallis verhafteten Mitglieder einer kalabresischen Zelle der 'Ndrangheta sind bereits an Italien ausgeliefert worden. Das BJ hatte die Auslieferung der beiden italienischen Staatsangehörigen, die vom Gericht in Reggio Calabria wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation zu einer Freiheitsstrafe von neun bzw. sechs Jahren verurteilt worden sind, am 7. Juni bewilligt. Eine Person teilte am 13. Juni dem BJ mit, die Auslieferung zu akzeptieren, und wurde am 21. Juni den italienischen Behörden übergeben. Die andere Person erklärte am 26. Juli, ihre beim Bundesstrafgericht eingereichte Beschwerde gegen den Auslieferungsentscheid des BJ zurückzuziehen, und wurde heute den italienischen Behörden übergeben.


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