Mit Offenheit und unternehmerischem Geist für jeden eine Perspektive schaffen

Zürich, 30.04.2016 - Rede von Bundespräsident Johann N. Schneider-Ammann, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF Dies Academicus Universität Zürich

Sehr geehrter Herr Rektor Hengartner
Sehr geschätzte Gäste aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik
Meine sehr verehrten Damen und Herren

Es ist mir eine grosse Ehre und Freude, mit Ihnen den „Dies 2016" begehen zu dürfen.

Ich überbringe Ihnen die Grüsse, die Wünsche und die Gratulationen des Bundesrates.

Irgendwie komisch als ETH-Absolvent hier stehen zu dürfen. Ich kann mich gut an meine Studienzeit erinnern. Damals hiess es, die von der ETH seien die Schüler.

Und die wahren Akademiker bilde die Universität aus.

Na, und?
Ich bin deshalb auch „nur" Bundesrat geworden und nicht Gelehrter.

Meine Damen und Herren

Ich höre sofort auf mit irgendwelchen Wortspielen; der Tag ist zu würdig und ich könnte Sie und mich plötzlich zum Lachen bringen – und dies am „Dies der Gesündesten", sprich am Dies Academicus der weltweit höchst reputierten und höchst erfolgreichen UNI Zürich.

Nur etwas Persönliches aus der Vergangenheit mute ich Ihnen noch zu. Anfang März eröffnete ich zusammen mit Frau Merkel die CEBIT, die grösste Informatikmesse der Welt. Letzte Woche hat der Bundesrat seine „Strategie Digitale Schweiz" vorgestellt.

Und am Montag werde ich – wieder hier in Zürich – an einem Fintech-Anlass teilnehmen. Denken Sie bitte jetzt nicht „typisch Polyaner"…

Nein: Das digitale Zeitalter ist ganz einfach da. Begriffe wie Big-Data, Industrie 4.0 oder künstliche Intelligenz dominieren die Debatten. Die rasante technologische Entwicklung erobert die Arbeits- und Lebensräume.

Das fordert uns alle enorm heraus: die Politik, die Wirtschaft, die Gesellschaft – und selbstverständlich prominent die Wissenschaft, die Forschung und die Lehre. Ich elaboriere nicht, wie sich der Bund dem Phänomen Digitalisierung anzunehmen hat. Ich erlaube mir viel mehr, kurz Ihre Rolle aus meiner Sicht anzutippen.

Wie begegnen Sie als Universität dem digitalen Umbruch?

Wie können Sie als Bildungs- und Forschungsinstitution in Zeiten des Umbruchs vom analogen und digitalen Zeitalter ins Netzdasein, in die sharing economy etc, einen Beitrag leisten? Chancen eröffnen?

Ich will Ihnen heute zwei Aspekte ans Herz legen:

  1. Es braucht Ihre starke Unterstützung, um die Offenheit des Standorts Schweiz zu verteidigen. Horizon 2020, vollassoziiert, muss ein konkretes Element dieser Offenheit sein.
  2. Es kommt auf den „esprit entrepreneurial" an!

Bilden Sie junge, kreative, neugierige, eigenverantwortliche Unternehmerinnen und Unternehmer aus. Es geht um Fackelträger der Innovation. Sie wissen, ich will möglichst allen einen Job und damit eine Perspektive eröffnen. Und dies kann nur gelingen, wenn wir mehr und mehr eine Kultur entwickeln, wo man als gesättigt Risiken auf sich nimmt, um Chancen zu eröffnen.Darauf kommt es an. Und wir können damit gewinnen.

Zur Offenheit:
Sie wissen bestens, zurzeit sind wir an Horizon 2020 nur teilassoziiert. Es ist vordringlich, dass wir die Vollassoziierung wieder erreichen. Ein Scheitern hätte längerfristig gravierende Konsequenzen für den Denk- und Forschungsplatz – und damit auch für den Wirtschaftsstandort Schweiz mit seinem Arbeitsmarkt.

Der Nationalrat unternahm diese Woche einen wichtigen Schritt. Das Kroatienprotokoll der Personenfreizügigkeit soll ratifiziert werden. Damit nimmt das Dossier H2020 quasi in letzter Minute die nötige Fahrt auf. Und um es klar zu sagen: die Zusammenarbeit mit den Europäern ist entscheidend wichtig. Genauso wichtig ist allerdings die Zusammenarbeit in Wissenschaft und Forschung mit Dritten.

Da erinnere ich mich gerne an den Februar dieses Jahres zurück: Rektor Hengartner unterzeichnete als Präsident von swissuniversities ein Memorandum of Understanding mit der Universität in Teheran.

Wenn wir noch weiter in den Osten schauen: Die mit China im Rahmen meines Präsidialbesuchs anfangs April vereinbarte „Innovative Strategische Partnerschaft" ist auch eine Einladung an die Wissenschaft. Nutzen Sie diese Plattform für neue Projekte der Zusammenarbeit!

Und als ein letztes Beispiel füge ich Ihre Mitgliedschaft beim europäischen Netzwerk für digitale Forschungsinfrastruktur (DARIAH) an. Dies auch, damit Sie nicht etwa denken, der ETH-Absolvent Schneider-Ammann wäre sich nicht bewusst, dass auch die Geistes- und Sozialwissenschaften längst in der Digitalisierung angekommen sind.

Meine Damen und Herren
Beim zweiten Aspekt, dem unternehmerischen Geist, geht es mir um drei Dinge:

Die Innovation, die begrenzten Mittel und den Mut!

Zur Innovation:
Lassen Sie sich dazu kurz ins 16. Jahrhundert entführen. Oder ein paar Häuser weiter…ins zoologische Museum. Sie ehren zurzeit mit einer Ausstellung den Zürcher Arzt und Universalgelehrten Conrad Gessner. Er verdiente ein karges Gehalt als Lehrer und Arzt hier in Zürich – und gilt mit seiner Tier-Enzyklopädie Historia animalium als Mitbegründer der modernen Zoologie. (Diese diente noch 300 Jahre später Charles Darwin als Standardwerk).

Warum erzähle ich Ihnen das?

Nun, wir sprechen heute noch von Gessner, weil er sich nicht damit begnügte, bestehendes Wissen zu sammeln. Er ordnete es, fügte eigene Beobachtungen dazu und schuf so neue Erkenntnisse. Kurz: er war innovativ.

Gessner lebte in einer Zeit, in welcher sich das Wissen durch die vielen Entdecker-Fahrten rasant vergrösserte und durch den Buchdruck in nie dagewesener Geschwindigkeit verbreitete.

Ganz ähnlich wie heute. Aber eben nur ähnlich. Gessner schrieb vor einem halben Jahrtausend vom „enormen, zusammengetragenen Wissen". Man kann sich eines Schmunzelns nicht erwehren: Wie hätte er wohl geurteilt angesichts von „Big Data"? Heute geht es um Zettabytes an Daten. Da sind MINT-Talente gefragt: Ein Zettabyte ist eine 1 mit 21 Nullen.

In Zeiten, wo kein Superrechner das kumulierte Wissen speichern kann und es Universalgelehrte wie Gessner nicht mehr gibt (Anwesende ausgenommen),

sind einsame innovative Meisterleistungen wie diejenige von Gessner tempi passati; sind wir mehr denn je auf Zusammenarbeit angewiesen: Zwischen Spezialisten aus verschiedenen Forschungsgebieten einerseits und Teams aus Forschung und Privatwirtschaft andererseits.

Für die Vernetzung kommt im Schweizer BFI-System dem partnerschaftlichen Zusammenwirken von öffentlicher Hand und Privatwirtschaft – auf gut Berndeutsch PPP – eine hohe Bedeutung zu.

Das System ist so gut, dass man kaum davon spricht. Oder nur dann, wenn es Negatives zu berichten gibt: Vor wenigen Tagen wurde in den Medien die Frage der Freiheit von Lehre und Forschung angesichts von finanzieller Unterstützung durch Unternehmen aufgeworfen.

Für den Bundesrat und mich persönlich ist klar: Die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Unternehmen oder anderen privaten Geldgebern ist und bleibt eine unabdingbare Voraussetzung für die Spitzenleistungen unserer Wissenschaft. Die Freiheit von Lehre und Forschung ist ohne Abstriche und immer zu wahren. Das ist Aufgabe der jeweiligen Hochschulen und der zuständigen kantonalen Behörden beziehungsweise des ETH-Rats.

Auch die Universität Zürich arbeitet erfolgreich mit der Privatwirtschaft zusammen.

Ich denke an das „UBS International Center of Economics in Society". Oder, wenn es um individuelle Geldgeber geht, an den „Wyss Translational Center. Sichern wir diese wertvolle Zusammenarbeit, in der wir aus der aktuellen Debatte die richtigen Schlüsse ziehen.

Meine Damen und Herren
Der unternehmerische Geist ist aber auch dann gefragt, wenn es darum geht, mit begrenzten Mitteln das Beste zu erreichen. Ich spreche natürlich von den finanziellen Mitteln in der BFI-Botschaft 2017 bis 2020. 2% Wachstum im Schnitt hat der Bundesrat festgelegt. Ihre Kritik, das sei zu wenig, um den anspruchsvollen Leistungsauftrag zu erfüllen, kann ich verstehen.

Ich versichere Ihnen: Für den Bundesrat geniesst der BFI-Bereich erstrangige Bedeutung. Und für den Bildungs- und Forschungsminister steht er sowieso zuoberst. Und wenn es darum geht, die Attraktivität des Standorts Schweiz nachhaltig zu sichern, dann gehört ein ausgeglichener Bundeshaushalt dank der Schuldenbremse, natürlich auch dazu.

Und vergessen Sie nicht: Von „Sparen" zu sprechen, ist genau genommen verfehlt. Die Bildungsausgaben wachsen immer noch, wenn auch nicht mehr im Ausmass der vergangenen Jahre.

Meine Damen und Herren
Unternehmerischer Geist verlangt von Ihnen und allen betroffenen Institutionen, auch mit weniger stark wachsenden Mitteln weiterhin hervorragende Resultate zu erzielen. Und weiterhin an die Spitze zu streben, resp. den Spitzenplatz zu verteidigen. So wie auch Gessner, aus ärmlichen Verhältnissen kommend, schliesslich mit seinen Werken die Gunst Kaiser Ferdinands des Ersten erwarb.

Wir haben keinen Kaiser, meine Damen und Herren. Wir sind ein kleines Land.

Und trotzdem, oder gerade deswegen, ist die Schweiz weltweit top in Bildung, Forschung und Innovation.

Das verdanken wir ganz stark dem Hotspot Zürich. Sie sind dank der Universität, der ETH, der Zürcher Fachhochschule und vielen weiteren Institutionen wie der EMPA – und natürlich bald dem Innovationspark – ein zentraler Pfeiler unseres exzellenten BFI-Systems. Es ist kein Zufall, dass die Limmat-Stadt Firmen mit klingendsten Namen wie Google anzuziehen vermag. Das Amalgam der Exzellenz braucht es, um Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätze und Wohlstand sicher zu stellen – erst recht in den kommenden Jahren, wenn die Digitalisierung die Kraft der konstruktiven Zerstörung zur Wirkung bring, so wie sie Schumpeter beschwor.

Und drittens – last but not least – will ich heute den Mut als wesentliches Element des Erfolgs betonen. Ohne Mut zum Scheitern gibt es keine Wissenschaft. Oder zumindest sicherlich keine erfolgreiche. Dabei erweist sich natürlich nicht jede Entscheidung als goldrichtig. Das war bei Conrad Gessner nicht anders: So illustrierte er in seiner Enzyklopädie das Stachelschwein mit Hasengesicht, Menschenohren und Bärenfüssen.

Sehr geehrte Damen und Herren

Genug der Kalauer, ich komme zum Schluss:

Ich gratuliere der Universität Zürich zu Ihrem nationalen und internationalen Erfolg. Er ist das verdiente Resultat Ihrer hervorragenden Arbeit, von überzeugter Offenheit und von innovativem und unternehmerischem Geist. Für Ihr tägliches Engagement danke ich der Universitätsleitung, den Professoren, dem Mittelbau, Doktorierenden, Studierenden und natürlich dem Kanton als stolzem Träger.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Es gilt das gesprochene Wort!


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