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Bern, 15.01.2016 - Rede von Herrn Bundespräsident Johann N. Schneider-Ammann, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF Albisgüetli-Tagung der SVP des Kantons Zürich

Ich bin enttäuscht und erleichtert.

Enttäuscht: Eigentlich habe ich gehofft, heute Abend im Albisgüetli viele Frauen und Mannen mit dunklen Sonnenbrillen zu sehen. Zumindest den einen oder anderen (alt-)Bundesrat und (jung-)Nationalrat.

Und erleichtert: ich habe nämlich meine Sonnenbrille auch vergessen…

Meine Damen und Herren

Es liegt ein wahrhaft ereignisreiches Jahr hinter uns. In der Schweiz genauso wie in unserem Umfeld.

Ich denke dabei natürlich nicht nur an unterhaltsame Wahlkampf-Filme, sondern vor allem an die eidgenössischen Wahlen. Die Wählerinnen und Wähler haben Ihre Partei gestärkt – dazu gratuliere ich Ihnen herzlich – und meine FDP auch. Das freut mich noch ein Stück mehr.

Für unser Land ist aber vor allem wichtig: der 18. Oktober und der 9. Dezember 2015 verkörpern die Rückkehr zur Konkordanz. Und damit zur Stabilität, welche die Schweiz seit Jahrzehnten auszeichnet. Auf dieses Fundament können wir nun wieder bauen.

Besonders in diesem Jahr als Bundespräsident werde ich mich dafür engagieren, Brücken zu bauen – für eine Politik des Wohlstands, der Sicherheit und der Freiheit. Auch der Schweizer Franken ist stabil, könnte man verharmlosend sagen.

Auf den Tag genau vor einem Jahr, am 15. Januar 2015, hob die Schweizer Nationalbank den Mindestkurs des Euro zum Schweizer Franken auf. Die schlagartige Stärke unserer Währung macht vielen unserer Unternehmen auch im neuen Jahr noch enorm zu schaffen.

Aufgewühlt und verunsichert haben uns im vergangenen Jahr aber vor allem auch Ereignisse in Europa, allen voran die Terroranschläge in Paris und die riesigen Flüchtlingsströme. Beide Entwicklungen haben uns bisher weniger getroffen als andere Länder. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass sich dies ändert.

Sorgen wir also vor, statt überrascht zu werden: mit der weiterhin eng verzahnten Zusammenarbeit von Bund und Kantonen im Sicherheitsbereich und der Verstärkung unserer zuständigen Behörden. Das beschloss der Bundesrat bereits im Dezember. Unsere Sicherheit und Freiheit sind nicht selbstverständlich – wir werden sie mit aller Kraft verteidigen.

Und wir müssen eine konsequente Asylpolitik umsetzen, welche unseren humanitären Tradition ebenso wie unseren begrenzten Möglichkeiten als Kleinstaat gerecht wird: Den an Leib und Leben bedrohten Flüchtlingen bieten wir Schutz. Wer gemäss dem Gesetz wieder gehen soll, muss rasch zurückgeschafft werden.

Und wir müssen weiterhin in Brüssel energisch darauf drängen, dass die Regeln von Schengen / Dublin wieder eingehalten werden.

Wer hier bleiben darf, hat allerdings unsere Regeln zu befolgen.

Ich sage es mit aller Deutlichkeit, als Landesvater und als Vater einer Tochter: Ereignisse wie in Köln darf es in der Schweiz nicht geben. Man muss sich in unserem Land jederzeit überall ohne Angst bewegen können.

Das Vertrauen zwischen Menschen und in die Institutionen ist in unserem Land gross. Das macht uns stark. Das müssen und werden wir verteidigen.

Dazu sind alle aufgerufen: Die Polizei mit ihrer sehr geschätzten Arbeit. Die Politik, die weder schändliche Taten verharmlosen und verklären – noch hinter jedem Fremden einen Täter sehen darf. Und wir alle als Bürgerinnen und Bürger, die für unsere offene und freie Gesellschaft einstehen.

Man ist kein „Bünzli“, wenn man im Zug älteren Personen Platz macht und die schmutzigen Schuhe nicht aufs Polster legt. Und man muss Mitmenschen an diese Anstandsregeln erinnern dürfen, ohne in Gefahr zu geraten.

Solchen guten Sitten Sorge zu tragen, ist wichtig.

Denn seien wir uns im Klaren: Den Sicherheitsapparat auszubauen, wird nicht genügen. Die offene und freie Gesellschaft, welche durch religiöse und politische Extremisten bedroht wird, kann nur durch den Zusammenhalt und die Zivilcourage von uns allen verteidigt werden. Parallelgesellschaften darf es bei uns nicht geben.

Zu unserer starken Gesellschaft gehören aber nicht nur klare Gesetze und ihre konsequente Anwendung – sondern auch Rechtsstaat und Verhältnismässigkeit. Und damit komme ich auf die Durchsetzungs-Initiative zu sprechen. Beides wahrt Ihr Volksbegehren nicht. Und deshalb lehnen es Bundesrat und Parlament ab. Ich setze auf eine harte, aber faire Umsetzung der Ausschaffungsinitiative.Das muss hier auch gesagt sein.

Meine Damen und Herren 2015 war ein schwieriges Jahr. Und 2016 wird kaum einfacher werden. Unser Land ist an vielen Fronten gefordert. Ich nennen nur die zwei aus meiner Sicht drängendsten: - Wir müssen unseren Verfassungsauftrag zur Begrenzung und Steuerung
der Zuwanderung umsetzen – und gleichzeitig den bilateralen Weg sichern.

Denn der hat uns beileibe nicht nur Zuwanderer gebracht – sondern vor allem auch Wohlstand. Jaja… ich komme darauf zurück. - Wir müssen unseren Unternehmen noch bessere Rahmenbedingungen bieten. Damit sie bestehen und die Arbeitsplätze sichern können. Viele von ihnen stehen unter enormen Druck. Ihre Marge ist von einem Tag auf den anderen weggebrochen. Und damit sind Arbeitsplätze in Gefahr.

Wir können diese grossen Herausforderungen aus einer Position der Stärke angehen – und meistern.

Ich nenne dazu drei Zahlen:

- 3.4%: so tief war die Arbeitslosigkeit im Dezember 2015. Auch wenn jede und jeder Arbeitslose in einer ganz schwierigen Situation ist und damit jede Prozentzahl zu hoch: 3,4% trotz Frankenstärke, trotz der schleppenden Konjunktur in Europa, trotz Turbulenzen in Asien: Das ist ein Leistungsausweis für unsere Unternehmen und ihre hervorragenden Mitarbeitenden. Rund um uns herum ist die Zahl doppelt, viermal, ja bis zu siebenmal so hoch.

- 84%: So hoch ist unsere Erwerbstätigenquote. 13% über OECD-Schnitt. So schlecht wird das inländische Fachkräfte-Potenzial also nicht ausgeschöpft, wie manche immer wieder unken. Aber wir können und müssen noch besser werden.

Denn jede inländische Fachkraft mehr ist eine zugewanderte Person weniger, die benötigt wird.
 
- 94%: Diese Ziffer stammt aus dem letzten Sorgenbarometer: Fast jede junge Schweizerin, fast jeder junge Schweizer – ob links oder rechts – ist stolz auf unser Land.

Das beeindruckt und freut mich! Es zeigt, dass wir auch für die Zukunft auf einem starken, stabilen Fundament aufbauen können. Und damit den Kompass für die Willensnation Schweiz immer wieder richtig ausrichten können.

Nun, meine Damen und Herren: Wohin wollen wir – das Volk, die Politik, die Wirtschaft –unser Land steuern?

Ich kann das für mich in drei Sätzen sagen:

- Ich will mithelfen, dass in der Schweiz auch zukünftig möglichst Jede und Jeder einen Job findet – und damit eine Perspektive.
- Ich will, dass wir die Freiheit und die Verantwortung des Einzelnen wieder ins Zentrum stellen.
- Und ich will, dass unser Land seine Souveränität bewahren kann.

Erstens: Ich freue mich, heute so viele Unternehmer in Ihren Reihen zu sehen. Und ebenso Politiker, deren Herz für den Wirtschaftsstandort Schweiz schlägt. Dann fühle ich hier mich gleich wie zuhause – und das ist ja im Albisgüetli für den Gast aus Bern nicht selbstverständlich! Mein Präsidialjahr steht unter dem Motto „Gemeinsam für Jobs und unser Land“.

Dass der Bundespräsident Wirtschaftsminister bleibt und seine Unternehmer-Vergangenheit nicht unter den Tisch wischt, sondern mit voller Überzeugung lebt: Das irritiert offenbar. Das zeigten Kommentare zum Bundesrats-Foto, das wir in einer Berner Druckerei aufnahmen.

Ich habe mich über die positiven und die negativen Reaktionen gefreut. Denn über folgende Fakten muss die Schweiz diskutieren: Die weltweit führende Stellung unseres Standorts bei Innovation und Wettbewerbsfähigkeit ist nicht gottgeben. Unsere tiefe Arbeitslosigkeit ist nicht selbstverständlich. Und ebenso wenig unser Wohlstand.

Nein: All dies haben wir über Generationen sorgfältig aufgebaut. Der Erfolg ist Resultat einer vernünftigen Wirtschaftspolitik. Sie lässt den Unternehmen Luft. Sie ist von der Überzeugung getragen, dass immer mehr Regeln und eine wuchernde Bürokratie schädlich sind.

Sie glaubt an die Kraft eines möglichst freien Marktes, gepaart mit einer starken Sozialpartnerschaft und Eigenverantwortung. In den letzten Jahren wurde an diesen Erfolgsfaktoren gerüttelt.

Die Politik kann Unternehmen zu vielem zwingen. Aber niemand kann gezwungen werden, Unternehmer in diesem Land zu sein. Dieses Bewusstsein fehlt in unserem Land zunehmend. Die Wirtschaft war an dieser Entwicklung nicht unbeteiligt. Wenn so über die Stränge geschlagen wird von Einzelnen bei den Löhnen, muss man sich über eine Retourkutsche nicht wundern. Aber gut tut sie unserem Land nicht.

Doch schauen wir nicht zurück, blicken wir nach vorne: Stellen wir auch in Zukunft die Stellschrauben richtig – für einen attraktiven Standort, für wirtschaftlichen Erfolg, für Beschäftigung.

Wir müssen darum kämpfen, dass in allen Branchen auch zukünftig hier bei uns investiert wird, damit hier die Arbeitsplätze erhalten ebenso wie neue geschaffen werden und wir unser hohes Niveau halten können.

In vielen Regionen Europas geht kein Gespenst der De-Industrialisierung um – weil sie schon stattgefunden hat. Das dürfen wir bei uns nicht zulassen. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass wir hier am selben Strick ziehen.

Zweitens: Die Freiheit ist unter Beschuss. Nicht nur die Wirtschaft wurde in den letzten Jahren enger an die Kandare genommen, auch jede Bürgerin, jeder Bürger. Das macht mir Sorgen.

In einer sich immer rascher verändernden Welt sind viele Menschen verunsichert. Globalisierung und Digitalisierung sind dazu zwei Stichworte. Das verstehe ich gut. Aber Angst ist dabei ein schlechter Ratgeber. Ein chinesisches Sprichwort lautet: „Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.“

Ein enges Korsett raubt uns die Bewegungsfreiheit, die wir brauchen, um bestehen zu können.

Lassen Sie uns wieder mutiger vom Vertrauen aus denken, statt vom Misstrauen. Arbeiten wir darauf hin, wieder mehr zu ermöglichen, statt immer mehr zu verbieten. Das ist mühselige Kleinstarbeit in den Regierungen und Parlamenten. Sie und ich müssen hier vorangehen. So, meine Damen und Herren

Jetzt werden Sie sich vielleicht denken: „Der Schneider-Ammann hat nun lange geredet. Aber zu Europa hat er noch nichts gesagt. Das darf doch nicht wahr sein!“

Gemach: Erstens sind Sie Zürcher (jedenfalls die meisten), ich hingegen Berner (zu 100%). Nume nid z’grpängt! Zweitens sollte man sich das Beste immer bis zum Schluss aufsparen.

Jetzt komme ich aber gleich zum Punkt. Und der heisst:

Wie bewahren wir unsere Souveränität – ohne wieder zum Armenhaus zu werden, das unser Land noch im vorletzten Jahrhundert war? (Sie sehen mir diese Zuspitzung als Bundespräsident nach.)

Lieber Christoph Blocher: Ich habe vor Deinem Weg viel Respekt. Als Unternehmer, als Politiker, als Bundesrat.

Ja: Du hast viele Gefahren für unser Land frühzeitig erkannt und davor gewarnt. Und Du hast Dich nicht gescheut, den Finger auf die wunden Punkte zu legen – gegen viel Widerstand. Das verdient Anerkennung. Hier und heute – und erst recht, wenn Du auf April Dein Amt niederlegst.

Aber wie wir uns über vieles einige sind – in dieser entscheidenden Frage, haben wir uns noch nicht gefunden:  Wieviel Offenheit braucht es, um Souverän und Wohlstand zu erhalten?

Ich bin zutiefst davon überzeugt: Der Bilaterale Weg sichert unsere Souveränität und unseren Wohlstand. Weder Alleingang noch Beitritt sind eine Alternative.

Und: Wir wollen eidgenössisch bleiben – und nicht armengenössig werden. Souveränität und klug gewählte Offenheit sind keine Widersprüche, sondern sie bedingen einander. Selbstverständlich gilt: Blinde Offenheit ohne dem Willen zur Souveränität raubt uns unsere Wurzeln und unsere Identität.

Aber ebenso richtig ist: Ohne wirtschaftliche Offenheit und politische Zusammenarbeit wird die Schweiz vom unabhängigen Staat… zum Übernahmekandidat!

Und das kam für uns beide nie in Frage. Weder als frühere Unternehmer, noch als Nationalräte, noch als Bundesräte.

Lieber Christoph, Dein Lieblingsmaler ist Ferdinand Hodler. Meiner – natürlich, als gebürtiger Emmentaler – Franz Gertsch.

Ein Bild der Souveränität, dass die Bedeutung der Offenheit nicht genug berücksichtigt – das ist wie ein Hodler mit Axt ohne Stiel. Oder ein Gertsch ohne Farbe: also unvollständig.

Ja: die Schweiz ist ein einzigartiges Land. Eine Vorreiterin und Bannerträgerin der Demokratie. Ein Staat, der von unten nach oben gebaut ist. Ein Land, auf dessen Geschichte und Gegenwart wir nicht nur stolz sein dürfen, sondern stolz sein sollten. Stolz auf Erreichtes und Bewährtes ist gut.

Aber er ist gefährlich, wenn er in Hochmut umschlägt. Denn Hochmut kommt vor dem Fall. Und gefährlich, wenn er in Stillstand umschlägt. Denn Stillstand bedeutet Rückschritt.


Zum vollständigen Bild unseres höchst erfolgreichen Landes gehört eben auch, dass:

- Wir ein Export-Land sind, dessen wirtschaftliches Wohlergehen längst nicht alleine in unserer eigenen Hand liegt, sondern in starkem Mass vom Gang der Absatzmärkte abhängt.

- Dass rund 200 Firmen in unserem Land 70% der Unternehmenssteuern zahlen – es sind die grossen Exportfirmen, die Weltkonzerne. Sie alle rufen nach einer raschen Sicherung des Bilateralen Wegs.

- Dass unser Vorsprung auf die Konkurrenz ohne ein geregeltes, für uns vorteilhaftes Verhältnis mit Europa, ohne Doppelbesteuerungsabkommen und ohne neue Freihandelshandabkommen wie Butter an der Sonne schmilzt.

Zur Schweiz von heute – und erst recht zur Schweiz der Zukunft – gehören neben den traditionellen eben auch untrennbar Bild-Elemente wie:

- Der Pharmastandort Basel, der ohne höchst qualifizierte ausländische Fachkräfte aus Europa und der Welt – in die Bedeutungslosigkeit abrutschen würde und schliesslich schlicht die Läden dichtmachen müsste.
 
- IT-Standorte wie Zürich mit Grosskonzernen wie Google, welche die besten Hochschulabgänger – Schweizer oder Ausländer – wenige Kilometer entfernt frisch ab Diplom findet und anstellt.
 
- Das ist der Biotech-Bogen „Arc Lemanique“, der seit Jahren boomt und Arbeitsplätze schafft. Angetrieben massgeblich von der ETH Lausanne, welche ein Star in der Champions-League der Forschung ist. Und wie im Fussball geht die Post eben europäisch und weltweit ab – und nicht am Grümpelturnier in Schwamendingen. Das europäische Forschungsprogramm Horizon2020 ist nicht nur entscheidend, damit die Schweiz ein Forschungsstandort von Weltklasse bleibt. Horizon2020 hat in den letzten Jahren auch mehr Geld zurück in die Schweizer Kassen gebracht, als wir investierten. Ich frage mich: Wie kann man bloss dagegen sein?

- Eine moderne Landwirtschaft, die ihre Top-Produkte weltweit höchst erfolgreich verkauft und vermarktet. (A propos „Landwirtschaft“, „höchst erfolgreich“ und „vermarkten“: das gilt auch für Dich, lieber Toni Brunner! Ich wünsche Dir schon jetzt mit der neu gewonnenen Freiheit ab April alles Gute!)

Ihre Reaktion auf diese Beispiele mag sein: Offenheit ja. Aber eben nicht primär mit Europa und erst recht nicht politisch – sondern mit den USA, mit Asien. Diesen Weg gehen wir auch. Mit dem Freihandelsabkommen China als Meilenstein. Mit weiteren Schritten, die folgen werden. Wir verringern auch damit unsere Abhängigkeit vom europäischen Markt.

Aber zwei Drittel, unserer Exporte gehen nach Europa. Mit Baden-Württemberg handeln wir so viel wie mit den USA, mit Bayern so viel wie mit China.

Es ist eine Illusion zu glauben, als kleines Land mitten in Europa könnten wir den Wohlstand verteidigen ohne privilegierten Zugang zum europäischen Markt.

Aus eigener Erfahrung weiss ich, wie wichtig es ist, dass wir mit den Bilateralen 1 die technischen Handelshemmnisse beseitigen konnten. Und viele von Ihnen in diesem Saal wissen dies genauso gut.

Jedes neue Produkt in den verschiedenen Prüfstellen von „Ponts et chaussées“ bis TÜV: Das war früher ein riesiger Aufwand. Das kostete Zeit und Geld. Das war ein schwerer Wettbewerbsnachteil. In den 1990er stagnierte unsere Wirtschaft, wir waren Wachstums-Schlusslicht der OECD. Nach dem Abschluss der Bilateralen Verträge holten wir in den 2000er-Jahren massiv auf. Wir dürfen das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen!

Wenn Sie nun sagen: Gutfreundschaftliche Verhältnisse mit Europa ja – aber eine solch Zuwanderung wie in den letzten Jahren ist trotzdem zu hoch.

Dann sage ich Ihnen auch mit einer persönlichen Antwort:

Ja, die Zuwanderung der letzten Jahren war tatsächlich auf lange Sicht für unser Land nicht tragbar. Wir müssen sie dämpfen.

Wir haben dazu einen Volksauftrag und einen neuen Verfassungsartikel. Das gilt es also eigentlich gar nicht mehr zu diskutieren. Sondern umzusetzen.

Der Bundesrat wird im Frühling die Botschaft zum Zuwanderungsartikel verabschieden. Wir wollen mit einer Schutzklausel die Quadratur des Kreises schaffen. Einvernehmlich mit der EU wenn möglich, einseitig wenn nötig, um dem Verfassungsauftrag nachzukommen.

Ist eine Schutzklausel der Weisheit letzter Schluss? Wir werden es sehen. Aber bisher hat noch niemand einen besseren Vorschlag präsentiert, der überzeugt.

Manche Geschichten kann nur der Zufall schreiben: Ausgerechnet heute führte ich mein erstes Gespräch als Bundespräsident mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Ich werde mich in Brüssel mit voller Kraft für die Interessen unseres Landes einsetzen.

Aber das kann ich nur mit Ihrer Unterstützung. Ich fordere Sie auf, engagiert und konstruktiv in diese Diskussion einzusteigen.

Streit darf es dabei geben. Spöttische Zaungäste hingegen nicht. Denn am Schluss brauchen wir alle eine Lösung, denen die erfolgreiche Zukunft unseres Landes am Herzen liegt. Also auch Sie.

Und die Unternehmen, die auf Planungssicherheit und Zugang zum riesigen europäischen Markt angewiesen sind.

Eine Lösung ist nur möglich, wenn alle über ihren Schatten springen.

Ich habe es gesagt: in diesem Saal sitzen unzählige Unternehmer mit viel Erfahrung. Unternehmerblut heisst: eine Herausforderung erkennen, sie anpacken, sie meistern.

An Sie alle, und besonders an Christoph Blocher, appelliere ich heute Abend: Die Herausforderung haben wir erkannt. Packen wir sie gemeinsam an.

Und meistern wir sie mit einer vernünftigen Lösung, die gleichzeitig unser Verhältnis mit Europa wieder in geordnete Bahnen lenkt: Eine Stabilisierungsregel für die Zuwanderung – ein Stabilisierungspakt für die Europapolitik.


Meine Damen und Herren,
ich komme zum Schluss.

Ich will heute nicht zu Ihnen sprechen, ohne Alfred Escher erwähnt zu haben. Der Zürcher Liberale, dessen Erbe wir im kommenden Juni mit der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels feiern, war ein Mann der Offenheit und der Neuerung. Denken wir nur an ETH, Schweizerische Kreditanstalt und Rentenanstalt. Die Schweiz wäre heute ärmer ohne diesen Pionier.

1848 schlug die Schweiz ein neues Kapitel in ihrer reichen Geschichte auf, ohne die bisherigen Seiten zu vergessen. Und genau so müssen auch wir das Buch Schweiz fortschreiben, um die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern. Souverän, beschäftigt, offen – und frei.

„Gemeinsam für Jobs und unser Land“: Ich zähle auf Sie.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.


Es gilt das gesprochene Wort!


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