Die 24-Stunden-Gesellschaft und ihr Einfluss auf den öffentlichen Raum

Ittigen, 22.12.2015 - Die Polizeistunde ist in den meisten Kantonen abgeschafft, der öffentliche Verkehr ist fast rund um die Uhr im Einsatz. Die klassische Zweiteilung in Tag und Nacht stimmt nicht mehr immer und überall. In der neuen Ausgabe des «Forums Raumentwicklung» zeigt das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE), dass die 24-Stunden-Gesellschaft komplexe Herausforderungen an die Gestaltung des öffentlichen Raums stellt.

Bis ins 20. Jahrhundert hinein war es nachts in den Städten und Dörfern ruhig. Heute sind die Tag/Nacht-Grenzen gefallen: Die 24-Stunden-Gesellschaft hat sowohl Teile des urbanen wie auch des ländlichen Raumes definitiv in Beschlag genommen. Auch die Raumentwicklung muss das Phänomen der vielfältigen, mehrschichtigen 24-Stunden-Gesellschaft ernst nehmen. Es drängt sich deshalb auf, zu überprüfen, ob die Planungsansätze der Vergangenheit den heutigen Rahmenbedingungen noch gerecht werden. Die neue Ausgabe des «Forums Raumentwicklung», der Zeitschrift des Bundesamts für Raumentwicklung (ARE), zeigt facettenreich auf, wie die Nacht zum Tag wird und dokumentiert, wie einzelne Städte damit umgehen.

Im Leitartikel geht der französische Geograf Luc Gwiazdzinski, der sich an der Universität Grenoble mit Chrono-Urbanistik beschäftigt, dem Phänomen aus historisch-wissenschaftlicher Optik nach. Der Wechsel von Tag und Nacht habe das Leben auf der Erde strukturiert und die Funktionsweise unserer Städte ebenso wie unseren individuellen und kollektiven Alltag geprägt. «Nun hat die Stadt ihren Tag-Nacht-Rhythmus verschoben, die Gesellschaft hat sich gewandelt und die Stadtplanung steht vor neuen Fragen», so Gwiazdzinski. Allerdings sei diese Entwicklung nicht so gegeben: «Letztlich stehen wir alle vor der entscheidenden Frage: Wollen wir überhaupt eine 24-Stunden-Stadt? Wollen wir, dass die Werte und Regeln des Tages auch für die Nacht gelten? Lohnt sich der Aufwand?»

Tatsache ist, dass die Stadt von heute immer intensiver genutzt wird. Diese Verdichtung schmälere jedoch die freie Wahl, Neues auszuprobieren, schreibt der Zürcher Architekt Rainer Klostermann in seinem Beitrag. Umso mehr seien Lösungen gefragt, die das enge Zusammenleben weiterhin ermöglichen. Ob Tag oder Nacht, eine Stadt lebe von Freiräumen. Sie seien Voraussetzung dafür, dass die urbanen Zentren langfristig ihre Funktion als Innovationstreiber wahrnehmen könnten.

Häufiger als die Chancen stehen die Auswüchse der 24-Stunden-Gesellschaft im Fokus der Diskussionen. Im Interview beschreibt Alexandra Heeb, Delegierte für Quartiersicherheit der Stadt Zürich, mit welchen Instrumenten die grösste Schweizer Stadt die Balance zwischen Partygängern und Ruhebedürftigen zu halten versucht. Zum Instrumentarium gehören runde Tische und der Dienst «Sicherheit Intervention Prävention» (sip). Dauerhafte Lösungen seien im Organismus Stadt aber nicht zu haben, relativiert Heeb: «Es gibt nur ein ständiges Aushandeln.»

Eine Stadt, welche die wachsende Bedeutung der Nacht schon seit langem erkannt hat, ist Lyon. Die Verantwortlichen der drittgrössten Metropole Frankreichs sind überzeugt, dass dem Licht eine zentrale Rolle in der urbanen Entwicklung zukommt. Deshalb kümmert sich die Verwaltung seit über 20 Jahren äusserst aktiv um die Gestaltung der städtischen Beleuchtung, lässt Lichtpläne erarbeiten und organisiert alljährlich die «Fête des lumières». Das «Forum Raumentwicklung» dokumentiert, dass für Lyon die Beleuchtung nicht nur funktional und sicherheitstechnisch von Bedeutung ist. Licht und Beleuchtung sind zu einem integralen Bestandteil von Gesellschaft, Wirtschaft und Kunst geworden und haben das Image der Stadt tiefgreifend verändert.

Das Forum Raumentwicklung Nr. 3/15 «Raumentwicklung und Nacht – Die Folgen der 24-Stunden-Gesellschaft» kann schriftlich beim BBL, 3003 Bern zum Preis von Fr. 10.25 inkl. MwSt (Jahresabonnement: Fr. 30.70 inkl. MwSt) bestellt werden. Das Heft steht unter www.are.admin.ch auch im pdf-Format zur Verfügung. Abdruck einzelner Artikel mit Quellenangabe erwünscht.


Adresse für Rückfragen

Bundesamt für Raumentwicklung ARE
+41 58 464 22 99
media@are.admin.ch



Herausgeber

Bundesamt für Raumentwicklung
http://www.are.admin.ch

https://www.admin.ch/content/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-60129.html