Heim und Heimat

Bern, 22.08.2015 - Rede von Bundesrat Ueli Maurer anlässlich der Jubiläumsfeier 100 Jahre HEV Schweiz vom 22. August 2015 auf dem Rütli.

Ich gratuliere Ihnen zu Ihrem 100 jährigen Bestehen. Und ich danke Ihnen für Ihren unermüdlichen Einsatz zugunsten einer freiheitlichen Eigentumsordnung. Der HEV ist damit nicht einfach nur die Interessenorganisation der Hauseigentümer, sondern die Lobby für eine liberale Schweiz. Sie kämpfen für unsere wichtigsten Werte. Sie verteidigen das, was unseren Erfolg ausmacht.

Wir sind heute am Gründungsort der Schweiz. Entsprechend möchte ich auch drei grundsätzliche Aspekte in den Vordergrund stellen. Erstens die Bedeutung unserer liberalen Ordnung. Zweitens den emotionalen Bezug zum Wohneigentum als ein Stück Heimat. Und drittens hilft uns vielleicht ein bildlicher Vergleich, aktuelle politische Probleme mit etwas mehr gesundem Menschenverstand zu sehen.

Eigentum als zentraler Wert der liberalen Ordnung

In der Alltagspolitik geht manchmal vergessen, warum es unserem Land so gut geht. Das ist gefährlich. Denn es führt dazu, dass wir ausgerechnet unsere Stärken verkennen und ihnen zu wenig Sorge tragen. Ich habe nicht selten das unheimliche Gefühl, wir sägen an den Pfeilern unseres Erfolges und unseres Wohlstandes.

Ein ganz zentraler Pfeiler ist unser liberale Rechtsstaat. Ihm verdanken wir dreierlei:
Erstens die Freiheit, uns zu entfalten. Das ist die Voraussetzung, dass Leute etwas wagen und anpacken können - Das ist die Voraussetzung für Innovation und Fortschritt.

Zweitens die Rechtssicherheit, das gibt Stabilität und Berechenbarkeit. Nur so sind die Leute bereit, in diesem Land auch Geld zu investieren.

Drittens das Privateigentum. Dank dem Privateigentum können wir die Früchte unserer Arbeit geniessen. Dadurch entstehen Motivation und Anreiz, etwas zu leisten.

Das Wohneigentum ist dabei für viele vielleicht sogar das Herzstück der Eigentumsfreiheit. Ein Ziel, auf das sie lange hinarbeiten. Für das sie sparen. Sich im Beruf einsetzen, sich weiterbilden. Aufsteigen und Karriere machen wollen. Alles, damit sie sich auch einmal den Traum vom eigenen Heim erfüllen können.

So wird der Antrieb der vielen Einzelnen zur treibenden Kraft für die ganze Volkswirtschaft. Wenn Sie sich als Verband für das private Wohneigentum einsetzen, dann vertreten Sie mehr als die Partikularinteressen der Hauseigentümer, dann engagieren Sie sich für die Pfeiler unserer liberalen Ordnung. Und damit für den wirtschaftlichen Erfolg der Schweiz.

Der HEV wurde vor hundert Jahren in einer Zeit gegründet, als unsere liberale Ordnung von linker Seite ganz grundsätzlich in Frage gestellt wurde. Sozialistische Theorien hatten damals Hochkonjunktur, zusätzlichen Auftrieb erhielten sie bald darauf noch durch die russische Revolution. Nur wenige Jahre nach Ihrer Verbandsgründung versuchten radikale Linke, organisiert im Oltener Aktionskomitee, auch in unserem Land den Umsturz, mit Generalstreik und Gewalt wollten sie nach der Macht greifen.

Nun würde man glauben, mittlerweile hätten alle gesehen, wohin der real existierende Sozialismus geführt hat. Das ist aber offensichtlich nicht der Fall: Gerade erst haben Sie wesentlich mitgeholfen, das Privateigentum gegen die Erbschaftssteuerinitiative zu verteidigen. Und glauben Sie mir, die Angriffe auf die Eigentumsfreiheit werden weitergehen. Darum ist der Hauseigentümerverband heute genau so nötig wie vor hundert Jahren - der Kampf für unsere Werte geht immer weiter.

Wohneigentum als Stück Heimat

Ich komme zum zweiten Aspekt, zur emotionalen Bedeutung des Wohneigentums.
Ein Haus oder eine Eigentumswohnung ist viel mehr als eine Geldanlage oder die Altersvorsorge in Beton. Die meisten von uns brauchen ein Heim, das uns Geborgenheit und Privatsphäre gibt. Wir sehnen uns nach einem eigenen kleinen Reich. Wir wollen ein Stück Heimat, das uns gehört. Wo wir tun und lassen können, was wir wollen. Wo wir uns wohl fühlen. Wo wir zu Hause sind.

Das gibt uns dann auch einen engen Bezug zum Wohnort. Wer für sich Wohneigentum erwirbt, der möchte bleiben. Dadurch ist er eher bereit, sich einzubringen. Im Quartier, in der Gemeinde. So entsteht eine engagierte Bürgerschaft, der die Lebensqualität ihres Dorfes oder ihrer Stadt am Herzen liegt. Das Wohneigentum erhält damit staatspolitischen Wert für unsere direkte Demokratie.

Ich bin deshalb überzeugt, dass eine möglichst hohe Wohneigentumsquote wichtig ist für unser Land.

Und ich mache mir Sorgen, dass in Zukunft der Traum vom eigenen Haus oder von der eigenen Wohnung für immer weniger Schweizerinnen und Schweizer in Erfüllung geht. Denn man kann es drehen und wenden wie man will: Wenn wir weiterhin ein Bevölkerungswachstum durch Zuwanderung haben wie bisher, wenn sich weiterhin jährlich um die 80‘000 Personen hier niederlassen, dann steigt die Nachfrage nach Immobilien und damit auch der Preis. Ganz unabhängig davon, ob es Immobilienblasen gibt, die vom Markt dann wieder einmal korrigiert werden - bei einem solchen Bevölkerungswachstum zeigt der Trend auf die Dauer nach oben.

Für Sie ist das auf den ersten Blick erfreulich. Das sieht nach einen Vermögenszuwachs aus. So lange Sie ihr Haus oder Ihre Wohnung selbst nutzen, können sie diesen aber nicht realisieren. Und nach dem Verkauf müssen Sie ja weiterhin irgendwo wohnen. Sie werden dann Ihrerseits zum Käufer oder Mieter und bekommen die höheren Preise auch zu spüren. Wenn Sie also nicht im grossen Stil Immobilien besitzen, ist es weitgehend ein Nullsummenspiel.

Aber gravierender ist es für die, die gerne eine Wohnung oder ein Haus kaufen möchten. Für viele wird die Erfüllung ihres Lebenstraumes in immer weitere Ferne rücken, wenn die Einwanderung weiter für ein solches Bevölkerungswachstum sorgt und die Preise nach oben treibt. Vor allem junge Leute sparen und sparen für ihr Eigenheim, aber noch stärker als ihr Erspartes steigen die Preise. Das ist ein Aspekt der Zuwanderung, der gerne ausgeblendet wird.

Man darf nicht unterschätzen, was das heisst, wenn man jungen Leuten die Träume nimmt. Für viele bedeutet das eine Einbusse an Lebensqualität. Das hat Auswirkungen, auch gesellschaftlich und staatspolitisch.

Das Haus als Bild für das Zusammenleben

Ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen. Wohnen ist ja immer auch zusammenleben. Man hat Mitbewohner oder Nachbarn. Darum braucht man das Haus oft als Metapher.

Als Illustration ein aktuelles Beispiel: Zuletzt habe ich es diesen Sommer während der heissen Phase der Griechenlandkrise gehört. Da hiess es immer wieder: „Wir bauen gemeinsam am Haus Europa". Das mag sein. Die Frage ist nur: Wie nennen Sie ein Haus, in das man nicht freiwillig hineingeht und aus dem man - wie wir jetzt wieder gesehen haben - nicht wieder hinauskommt ...?

Mit Metaphern ist es ja so eine Sache. Manchmal passen sie mehr, manchmal weniger. Sie treffen vielleicht nicht ganz zu, haben aber doch irgendwie etwas für sich.

Auf jeden Fall ist die Parallele zwischen Heim und Heimat ja wirklich nicht zu übersehen. Es geht um die Gewissheit, irgendwo daheim zu sein. Die Schweiz ist zwar nicht Ihr kleines Reich, aber es ist Ihre direkte Demokratie, wo Sie mitbestimmen können. Wo Sie als Bürger der Souverän sind, die höchste Instanz im Lande.

Man kann die Parallele noch weiterführen: In Ihrem Haus oder Ihrer Wohnung bestimmen Sie, mit wem Sie Ihre Räume teilen. Selbstverständlich mauern Sie sich nicht ein. Sie haben sicher gerne Gäste. Aber Sie bestimmen, wann Sie wen hereinlassen. Und Sie erwarten, dass sich ihre Gäste gut benehmen. Wer sich nicht benimmt, den stellen Sie vor die Tür.

Da stimmt es dann mit der Parallele doch nicht mehr ganz: Mir scheint, im Gegensatz zu Ihnen daheim haben wir als Schweiz 365 Tage im Jahr Tag der offenen Tür ...

Als Staat verlassen wir uns auf ein System, auf die Übereinkommen von Schengen und Dublin, das nur mangelhaft funktioniert. Das ist etwa so, wie wenn Sie in einem Mehrfamilienhaus Ihre Wohnungstür offen stehen lassen, obwohl Sie wissen, dass das Schloss am Gebäudeeingang defekt ist.

Fazit

Ich fasse kurz zusammen:
Erstens: Das Wohneigentum ist ein ganz zentraler Wert unserer liberalen Ordnung - und dieser liberalen Ordnung verdanken wir unseren Erfolg, unseren Wohlstand, unsere Lebensqualität.

Zweitens: Wohneigentum ist für viele von uns eine emotionale Angelegenheit. Es geht um ein persönliches Stück Heimat. Wenn wir jetzt auf eine Zehn-Millionen-Schweiz zusteuern, muss uns bewusst sein, dass es für alle enger und dass das Wohnen teurer wird. In Zukunft können sich somit vor allem jüngere Leute immer weniger den Traum vom Eigenheim erfüllen.

Drittens: Denken Sie ab und zu an die Metapher vom Haus Schweiz. Als Hauseigentümer ist Ihnen klar, dass Sie selbst bestimmen wollen, wer bei Ihnen ein- und ausgeht. Und Sie wissen auch, dass aufgrund der beschränkten Platzverhältnisse nicht die ganze Welt bei Ihnen einziehen kann.

Ich wünsche Ihnen allen weiterhin viel Freude an Ihrem Haus oder an Ihrer Eigentumswohnung. Und vom HEV wünsche ich mir weiterhin eine kritische und deutliche Stimme für unsere freiheitliche Schweiz!


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