Von Tugend, Kraft und Würkung

Bad Ragaz, 30.05.2015 - Rede von Bundesrat Johann N. Schneider-Ammann, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF 175 Jahre Bad Ragaz Bad Ragaz, 30. Mai 2015

Sehr geehrter Herr Präsident
Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter von Parlamenten und Behörden
Lieber Herr Gemeindepräsident
Hoch geschätzte Vertreterinnen und Vertreter des Grand Resorts Bad Ragaz
Liebe Gäste

Es ist mir eine grosse Freude, Ihren heutigen Festtag mit Ihnen verbringen zu dürfen und ich danke Ihnen, lieber Herr Wernlé, herzlich für Ihre Einladung und die freundlichen Worte. Ich weiss, der Geburtstag des Grand Resort Bad Ragaz ist eigentlich erst morgen. Und für gewöhnlich schickt es sich nicht, Geburtstagswünsche bereits am Vortag auszurichten. Für alle Fälle bitte ich die Schicksalsgöttin für einmal nachsichtig und dem Geburtstagskind gnädig zu sein, wenn ich bereits heute dem Jubilar gratuliere und die besten Wünsche des Bundesrats überbringe.

Der 175. Geburtstag ist ja an sich schon speziell genug. Es gibt nicht viele Unternehmen in unserem Land mit diesem Alter. Vielleicht einzigartig macht Bad Ragaz aber, dass es dem Unternehmen gelungen ist, das Dorf zur Übernahme seines Namens zu bewegen. Meistens geht es bekanntlich anders herum. Das Grand Resort als „leading wellbeing & medical health resort" trägt den Dorfnamen Bad Ragaz in die ganze Welt hinaus. Und davon profitiert wiederum das Dorf. Und mit ihm eine ganze Region, ja unser ganzes Land.

Die grosse Bedeutung des Ressorts unterstreicht daneben auch die Tatsache, dass die Zahl seiner Angestellten fast einem Zehntel der Dorfbevölkerung entspricht. Wie ist diese einzigartige Erfolgsgeschichte möglich? Die Natur hat zweifellos ihren Beitrag geleistet. Sie hat den Rohstoff geliefert. Aber es brauchte Menschen, die diesen Rohstoff veredelten. Herr Werlé hat die Namen Simon und Schmidheiny schon genannt, ich ergänze sie um jenen von Wilhelm Martin Zinn.

Simon, Zinn, Schmidheiny - ein Architekt, ein Arzt und ein Industrieller: So unterschiedlich ihre Disziplinen, so verbindend ist eine Eigenschaft: Das Unternehmertum. Wie sonst konnte ein Architekt 1868 auf die verwegene Idee kommen, hier ein Kurhotel hinzustellen. Gut, die Leitung von der Tamina-Schlucht war gelegt, es gab auch ein kleines Hospiz. Es gab auch Reisende. Aber von etwas wie Tourismus konnte damals nicht die Rede sein. Die „first conducted tour of Switzerland", die der berühmte Reisepionier Thomas Cook 1868 von London aus organisierte, liess Bad Ragaz noch schnöde links liegen. Wie konnte also fast 100 Jahre später ein Arzt sich dazu versteigen, Bad Ragaz zum medizinischen Zentrum ausbauen zu wollen? Deutete Mitte der 1950er Jahre doch alles darauf hin, dass die Zeit der imposanten Kurhotels und des Bädertourismus endgültig abgelaufen sei.

Und was konnte schliesslich einen erfolgreichen Industriellen dazu bringen, Millionen in das heutige Bad-Ragazer-Projekt zu investieren? Wissend, dass es um die Rentabilität solcher Projekte nicht immer zum Besten bestellt war und ist. Diese mutigen, auch riskanten Schritte macht nur, wer vom Unternehmervirus infiziert ist. Teil dieses Unternehmertums ist auch die Bereitschaft zum Risiko. Damals und heute gilt aber auch: Unternehmerischer Geist muss auf fruchtbare Rahmenbedingungen stossen. Diese zu schaffen und zu verteidigen ist Pflicht der ganzen Politik - und meine wichtigste Aufgabe als Wirtschafts- und Bildungsminister.

Ich will, dass jeder und jede in unserem Land eine Perspektive hat. Also einen Job. Deshalb engagiere ich mich: Für einen Staat, der ein investitionsfreudiges Klima schafft - und nicht bürokratische Hürden. Ein Staat, der nicht übermässig Steuern erhebt. (Sie hören meinen Hinweis auf die kommende Erbschaftssteuer-Abstimmung.) Ein Staat, der eine ausgezeichnete Infrastruktur zur Verfügung stellt. Ich will keine Industriepolitik und auch keinen wirtschaftlichen Heimatschutz. Aber ich will, dass auch der Tourismus im Tourismusland in schwierigen Zeiten eine Chance hat. Und die Zeiten sind mit der Frankenstärke ohne Zweifel schwieriger geworden. Auch wenn die aktuelle Prognose für den Schweizer Tourismus von der KOF für das Tourismusjahr 2015 nur einen minimen Einbruch sieht.

Wir müssen differenzieren. Und wenn wir die Lage genauer analysieren, sehen wir, dass es der Tourismus in den ländlichen und bergigen Regionen derzeit wesentlich schwieriger hat als in den Städten. Deshalb zielt die Standortpolitik, die wir in unserem Departement ausgearbeitet haben, genau in diese Richtung. Wir wollen die Stärken der strukturschwachen Gebiete stärken. Wir wollen die engagierten Unternehmer in den Tourismusregionen unterstützen. Zum Beispiel mit der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit, deren Fördermöglichkeiten wir in diesem Jahr erheblich flexibilisiert haben. Oder mit dem touristischen Landesmarketing, das wir massgebend mitfinanzieren.

Meine Damen und Herren, Ich engagiere mich für einen Staat, der auch in schwierigen Zeiten Offenheit garantiert - nach innen mit gezielten Massnahmen, aber auch nach aussen mit den Bilateralen Verträgen und neuen Freihandelsabkommen. Mit einem Staat, der mit seinem einzigartigen dualen Bildungssystem dazu beiträgt, dass hochqualifizierte Fachkräfte zu finden sind. Unsere Fachkräfteinitiative stärkt dieses Bemühen noch. Mit einem Staat auch, der mit einer vernünftigen Einwanderungspolitik den Zuzug von geeignetem Personal ermöglicht, wenn im eigenen Land Mangel herrscht.

Dabei denke ich nicht etwa nur an bestausgebildete Ärzte und Ärztinnen. Ich denke ebenso an ein qualifiziertes Pflegepersonal, das Ihre Gäste bestmöglich betreuen kann. Natürlich weiss ich, dass Sie selber grosse Anstrengungen unternehmen, um geeigneten Nachwuchs aufzubauen. Ich freue mich, dass Sie im letzten Jahr 29 Lernende und 31 Praktikanten ausgebildet haben. Ich habe auch mit grosser Genugtuung zur Kenntnis genommen, dass Sie in einer Zusammenarbeit mit der Hochschule für Wirtschaft und Technik in Chur mit der „Academy of Hotel Excellence" eine professionelle, massgeschneiderte Kaderausbildung anbieten.   

Es freut mich, dass Sie in die Zukunft investieren. In Personal und in Infrastruktur. Sie stellen sich den Herausforderungen. Sie suchen nach Lösungen. Ihre Antwort heisst Diversifizierung, heisst Verbreiterung des Angebots. Sie pflegen nicht nur Kranke gesund, hier werden auch Gesunde noch fitter getrimmt, wie beispielsweise die Star-Ensembles deutscher Bundesliga-Clubs.

Neues entwickeln, statt mit dem Erreichten zufrieden sein - das ist der Weg für zukünftige Erfolge. Bleiben Sie dabei, Sie ehren damit den Pioniergeist Ihrer Vorgänger. Mit Ihrer Innovationsfähigkeit sind Sie ein Vorbild für den ganzen Schweizer Tourismus. Vor 750 Jahren wurde die heilende Wirkung Ihres Wassers entdeckt, vor 500 Jahren hat der grosse Paracelsus das Thermalwasser mit den Worten „Tugend, Kraft und Würkung" geadelt. Sie haben das Wasser zum erfolgreichen Geschäftsmodell gemacht. Das ging nur mit unermüdlichem Einsatz und mit Engagement. Als Illustration für diesen Einsatz und dieses Engagement habe ich drei Persönlichkeiten hervorgehoben.

Ich will es aber nicht unterlassen, auch allen andern zu danken, die ich jetzt nicht namentlich erwähnt habe. Ein Unternehmen braucht Leader, es braucht aber auch eine Mannschaft / Frauschaft. Ohne sie, die Ärzte und Ärztinnen, die Therapeuten und Therapeutinnen, die Pfleger und Pflegerinnen, ohne das Back-Up Personal vom Direktor bis zur Empfangsdame wäre dieser Erfolg nicht möglich. Gemeinsam haben Sie Wasser in „blaues Gold" verwandelt. Ich wünsche Ihnen, dass dieses Gold noch lange glänzen möge.

Sie verdienen den Erfolg.

Es gilt das gesprochene Wort


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