High-road oder low-road? Die Schweiz am Scheideweg

Zürich, 20.05.2015 - Rede von Bundesrat Johann N. Schneider-Ammann, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF Volkswirtschaftliche Gesellschaft Zürich

Geschätzte Damen und Herren

Ich danke Ihnen die Einladung und die freundliche Ankündigung. Es ist mir eine Freude und Ehre, vor der Zürcher Volkswirtschaftlichen Gesellschaft zu sprechen.

Ich bin heute zum 3. Mal bei Ihnen:

  • Zum 1. Mal als Swissmem-Präsident
  • Dann als Bundesrat im Franken-Trubel 2011
  • Und nun erneut in einer Zeit, die vom starken Franken diktiert wird (und in einem Wahljahr...)

Ein spannendes Jahr also; ein Jahr, das die Schweiz in einer sehr soliden Position mit Quasi-Vollbeschäftigung begann; ein Jahr aber, in dem wir wohl die Frankenstärke noch hart spüren werden.

2015 ist ein Jubiläumsjahr. Ich erwähne drei Daten:

1315: Morgarten und die Geburt des Kleinstaats.

1515: Marigniano und die Bestrafung für fehlende Innovation und mangelnden Zusammenhalt.

1815: Wiener Kongress und die Geburt des politischen Sonderfalls der neutralen Schweiz.

Jubiläen sind verführerisch - und nützlich, um die eigene Identität zu ergründen. Aber auch gefährlich: Sie verleiten, den Blick verklärend in die Vergangenheit zu richten - und dort zu verharren. Das können wir uns nicht leisten - sonst werden die Jahre um 2015 zu einem modernen Marignano der Schweiz. Unsere Verantwortung ist, den Blick nach vorne zu richten. Basierend auf den Lehren der Vergangenheit die Zukunft zu gestalten. Wie ich den Weg abstecke, welche Herausforderungen ich sehe, will ich Ihnen heute darlegen. Zuerst gehe ich auf zwei Herausforderungen langfristiger Art ein, die im politischen Alltag Bundesberns nur allzu leicht in Vergessenheit geraten:

  1. Die digitale Revolution hin zur „Finance 2.0" und „Industrie 4.0". Oder: Wie Wirtschaft und Politik ein Marignano für den Standort Schweiz verhindern müssen.
  2. Die geopolitische Revolution von der bipolaren zur multipolaren Welt, in der bereits das Ende der Ära der Kleinstaaten ausgerufen wird - die aber auch Chancen für die Schweiz birgt.

Beide Entwicklungen stellen die Schweiz vor einen Scheideweg, nämlich: Gehen wir die vermeintlich einfache „low road" des selbstzufriedenen Stillstands beziehungsweise der Angleichung - oder die ambitionierte „high road" der klugen Positionierung als Klassenbester? Sie erahnen meine Antwort als Liberaler. Danach zeige ich drittens auf, welche Schlüsse daraus meiner Meinung nach für den Umgang mit der Frankenstärke zu ziehen sind.

Teil I: Digitale Revolution

3D-Drucker, AirBnB, Uber, personalised medicine: Täglich sehen wir neue Beispiele, wie althergebrachte Geschäftsmodelle über den Haufen geworfen werden.

  • Vor wenigen Tagen fuhr das erste Auto ohne Fahrer durch Zürich - die Mobilität wird sich in den kommenden Jahren stark verändern
  • 3-D-Drucker können schon Häuser bauen
  • Sensoren notieren, was wir essen und fernsehen, und werden als Big Data nutzbar gemacht
  • Pulsmesser registrieren jeden Schritt, sagen uns, wann wir zum Arzt müssen
  • Roboter übernehmen die Pflege.

Wie bei früheren technologischen Sprüngen löst auch hier die „schöpferische Zerstörung" nach Schumpeter Ängste aus, etwa:

  • Können wir die Privatsphäre auch im digitalen Zeitalter schützen?
  • Droht uns „the end of work" - wie der US-Ökonom Jeremy Rifkins bereits 1995 ein Buch betitelte?

Angst ist generell ein schlechter Kompass. Und „The end of work" droht jenen, welche sich wie die Schweizer bei Marignano oder die Inder bei der Erfindung der Spinn- und Webmaschinen gegen neue Technologien stellen.

Welche Optionen haben wir? Grob können wir zwischen der high-road der Weltspitze und der low-road des Mittelmasses wählen, die in der Selbstzufriedenheit mit dem schon Erreichten begründet liegt. Für mich ist klar: Wer auch in Zukunft Vollbeschäftigung mit hohen Löhnen und sozialer Stabilität will, wählt die high-road.Das verlangt von uns eine Kultur der Offenheit gegenüber dem Neuen und der Welt. Wir müssen die Menschen überzeugen, dass sie davon profitieren. Wie die Schweizer bei Marignano mit Hellebarden chancenlos gegen Kanonen waren, müssen wir auch heute im Kampf um Jobs dank Innovation an der Spitze bleiben. Das bedeutet für mich als Arbeits- und Bildungsminister:

  • Bildung ist die beste Investition und muss auch in Zeiten schlechter Bundesfinanzen Priorität haben.
  • Die beiden ETH und ihre Forschungsanstalten sind ein Schweizer Kronjuwel. Sie müssen und sollen - mit klaren Regeln versehen - eng mit der Wirtschaft zusammen arbeiten.
  • Die Berufsbildung bleibt zentral, denn nicht jeder ist zum IT-Spezialisten geboren. Handwerk mit hoher Qualität wird weiter gefragt sein, gute Blue Collar-Arbeiter bleiben unabdingbar, um eine De-Industrialisierung zu verhindern.
  • Die KTI soll weiter gestärkt werden; ich komme darauf zurück.

Auch wenn wir mehr auf die Chancen als die Risiken fokussieren wollen, welche die Entwicklung für die Schweiz als innovativstes Land der Welt bringt: Die Sorgen der Bevölkerung müssen wir ernstnehmen. Etwa wenn die technologische Entwicklung dazu führt, dass Unbefugte über das Internet von Essensvorlieben bis zu Gesundheitszustand und Lebenswandel einer Person alles herausfinden und vermarkten können. Überspitzt könnte man sagen, dass Informationstechnologie den Datendieben unter anderem bei HSBC ermöglichte, das traditionelle Bankgeheimnis zu knacken. Die Ängste stellen aber auch eine Chance dar: Wenn es gilt, die Bedeutung der Privatsphäre für das Zeitalter der Digitalen Revolution neu zu erfinden, hat die Schweiz dank langer Tradition viel zu bieten. Nutzen wir diese Chance!

Teil II: Geopolitische Revolution als Ende des Kleinstaats?

Die Schweiz ist ein kleiner Staat - wirtschaftlich weit über seine Bevölkerungszahl und politische Bedeutung hinaus erfolgreich. Wir stehen damit nicht allein: In den letzten 40 Jahren schafften viele Kleinstaaten eine erfreuliche Entwicklung, was einige Zahlen beeindruckend belegen: Gemessen am pro-Kopf-Einkommen haben 7 der 10 erfolgreichsten Staaten weniger als 20 Millionen Einwohner. Ihre Wachstumsrate beim jährlichen pro-Kopf-Einkommen war etwa ein halbes Prozent höher. Das hört sich nicht nach viel an, ist aber über eine längere Zeitdauer bemerkenswert. Von 1996 bis 2011 blieb der Anteil der Kleinstaaten am Welt-BIP bei 9%, während sich jener der grossen Staaten wegen der Krisen in Japan, USA und v.a. Europa von 72 auf 55% reduzierte. 4 der 5 wettbewerbsfähigsten Staaten sind klein.

Mit einem Exportanteil am BIP von durchschnittlich 73% sind sie um Faktoren globalisierter als die Grossstaaten mit 27%. Kleinstaaten führen bei Foreign Direct und Outward Direct Investment. Sie sind beliebter Sitz international tätiger Firmen. Grund für den Erfolg ist vor allem auch ein globales Umfeld, das über internationale Institutionen wie die WTO, Bretton-Woods bis hin zur NATO für Rechtssicherheit und Sicherheit sorgte und wirtschaftliche Offenheit belohnte. Doch dieses positive Umfeld hat sich rapide verändert. Anders als vom US-Politologen Fukuyama 1991 vorhergesagt, erleben wir keineswegs ein „Ende der Geschichte". Vielmehr geschieht ein Rückfall in eine multipolare Welt mit den Grossmächten China, Indien, Russland, welche die Vormachtstellung der USA mit ihren Verbündeten Europa und Japan in Frage stellen. Von regionalen und religiösen Konflikten sowie der Gefahr des Terrorismus ganz zu schweigen.

Der frühere britische Aussenminister David Miliband sprach vom „Zeitalter der Kontinente". Und der US-National Security Coucil warnte 2008: „Historically, emerging multipolar systems have been more unstable than bipolar or unipolar ones... the next 20 years of transition to a new system are fraught with risks."  Das hat besonders starke Auswirkungen auf wirtschaftlich offene Kleinstaaten wie die Schweiz. Einige dieser Risiken haben wir in den letzten Jahren schmerzhaft zu spüren bekommen:

  1.  Auf dem Finanzplatz: Beim Bankenkonflikt mit den USA haben Sie in Zürich und wir in Bern die Grenzen unseres Einflusses ebenso klar gesehen wie andere Kleinstaaten, etwa Singapur oder Luxembourg.
  2.  Kommt TTIP, das Freihandelsabkommen zwischen der USA und der EU zustande, wird die globale Handelsordnung grundlegend verändert.
  3.  Geht es um die OECD und Base Erosion and Profit Shifting: Wenn wirklich ein level playing field entsteht, dann sind wir wettbewerbsfähig. Aber die Diskussionen um den Nexus-Ansatz bei den Lizenzboxen zeigt, wie Grossstaaten internationale Regeln zu ihrem Vorteil biegen wollen.
  4.  Last but not least: Natürlich ist hier auch die Überbewertung des Frankens anzuführen, die ja massgeblich eine Euro-Schwäche ist. Auch eine starke Volkswirtschaft wie die unsrige wird rasch zum Spielball der Mechanik grosser Währungen.

Vereinfacht gesagt, bleiben der Schweiz als Kleinstaat zwei Optionen, um auch im veränderten globalen Umfeld höchst erfolgreich zu bleiben:

  • Die low-road einer Angleichung und der politischen Integration in den eigenen Kontinent.Das wäre letztlich der EU-Beitritt.
  • Oder die high-road mit möglichst grosser Selbstbestimmung, mit der sorgsamen Pflege unserer liberalen Stärken und Trümpfe.

Auch hier gibt es für mich keine Alternative zur high-road. Verstehen Sie mich nicht falsch: Das ist keine „spendid isolation", sondern eine Politik des klugen Mittelwegs zwischen Nähe und Distanz, die unserem Land wirtschaftliche Partizipation und politische Souveränität gesichert hat. Denn der Kleine braucht den Grossen als Partner (und umgekehrt übrigens auch) - etwas anderes zu behaupten, wäre vermessen. Mit den Bilateralen Verträgen seit 2002 haben wir diese kluge Politik hervorragend umgesetzt. Nun gilt es den Weg Schritt für Schritt weiter zu gehen. Daran ändert auch der Volksentscheid vom 9. Februar 2014 nichts. Er war ein Auftrag zur Beschränkung der Zuwanderung - und nicht zur Isolation. Ganz ausdrücklich schrieben ja die Initianten die „gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz" in den Initiativtext. Die Sicherung des Bilateralen Wegs ist also auch eine klare Absage an die Isolationisten - oder Illusionisten -, welche in einem Freihandelsvertrag mit der EU eine gleichwertige Lösung sehen. Nutzen wir vielmehr unsere Chancen in der neuen Weltordnung. Die Geschichte gibt der Schweiz einen Startvorteil für die high-road. Die heutige multipolare Welt hat viele Ähnlichkeiten mit dem Machtgleichgewicht nach dem Wiener Kongress von 1815. Ab dann ist es der Schweiz gelungen, sich wirtschaftlich aktiv, politisch vermittelnd und militärisch neutral als internationale Plattform zu positionieren. Genau diese goldene Chance müssen wir für die Zukunft wieder packen. Was bringt uns das für Aufgaben?

  • Regeln wir unser Verhältnis mit Europa rasch. Der Bilaterale Weg ist der einzig gangbare. Die Zuwanderung ist wo immer möglich eigenständig zu beschränken, mit der EU sind Möglichkeiten wie eine Schutzklausel zu verhandeln.
  • Lassen wir meinen Parteikollegen Didier Burkhalter die Institutionellen Verträge verhandeln, bevor man sie totredet. Der Bundesrat hat klare roten Linien festgelegt, und in diesem Dossier ist unser Land - anders als bei der Personenfreizügigkeit - unter keinem Druck, einen Vertrag abzuschliessen.
  • Lassen Sie generell dem Bundesrat die nötige Zeit und Vertraulichkeit, denn erfolgreiche Verhandlungen werden nicht in der Öffentlichkeit geführt - das gilt für die Politik ebenso wie für die Wirtschaft.
  • Engagieren wir uns aktiv in internationalen Organisationen. Deshalb bauen wir das Internationale Genf aus. Deshalb haben wir uns als dritter Staat am Gründungsprozess der Asian Infrastructure Investment Bank beteiligt. Deshalb engagieren wir uns im Iran mit guten Diensten und würden auch eine WTO-Gruppe für die Aufnahme des Landes leiten.

Kleinstaaten, meine Damen und Herren, sind derzeit stark unter Druck. Ein Übernahmekandidat sind wir aber noch lange nicht. Ganz im Gegenteil: Mit einer klugen Politik kann die Schweiz die Vorteile ihres unabhängigen Kleinstaaten-Daseins pflegen, die Risiken minimieren und ihre Souveränität bewahren. Das gelingt uns aber nur, wenn wir uns bewusster werden, welche Regeln in der neuen multipolaren Weltordnung gelten. Und dass wir uns - auch hier eine Analogie zu Marignano - nur geeint und mit klarem Ziel erfolgreich darin bewegen können. Dies ist in unserem austarierten politischen System auf die Schnelle nicht ganz einfach. Als Stichworte seien die direkte Demokratie, eine Vielzahl von Parteien und die im Föderalismus mit den Kantonen geteilten Einflussbereiche genannt. Oder weniger diplomatisch gesagt: Wir sind ein wenig schwerfällig. Dafür sind gute Lösungen aber auch breitest abgestützt und damit lange tragfähig.

Teil III: Frankenstärke

Wer von Ihnen aus Industrie, Detailhandel oder Tourismus kommt, könnte mir vorwerfen, in der Realität wähle man derzeit nicht zwischen high- oder low-road - sondern stehe am Abgrund. Sie würden mir zurufen, dass Ihnen meine bisherigen Ausführungen somit reichlich weltfremd vorkommen. Seien sie versichert: Ich bin nahe genug am Puls. Ich habe absichtlich nicht mit der Frankenstärke begonnen. Denn meine Ausführungen zu den langfristigen Herausforderungen bieten Hinweise, was wir gegen die Frankenstärke tun müssen. Auch wenn Prognosen aufgrund der unsicheren Situation schwierig sind: Persönlich erachte ich die Lage als gefährlich: Es droht wohl keine grosse, aber eine schleichende Krise mit irreversiblen Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft. Lassen sie mich erklären: Trotz Frankenstärke ist die Arbeitslosigkeit mit 3,3% noch tief; bei den Jungen (mit 3,1%) und den Älteren (mit 2,9%) steht die Schweiz gar besonders gut da. Die Beschäftigungsquote ist mit über 80% weit überdurchschnittlich. Aber die Wirtschaftsaussichten haben sich massiv verdüstert. Zwar erwarten wir noch ein Wachstum von 0,9% für dieses Jahr - nach 2,1% 2014. Wer sich damit aber zufrieden zeigt, vergisst, dass das einen Basiseffekt von 0,8% umfasst. Die Prognose sagt uns somit praktisch eine Stagnation voraus. Lassen wir uns also über den Ernst der Lage nicht täuschen:

  • Verschiedene Branchen haben an Konkurrenzfähigkeit verloren.
  •  Viele von Ihnen, die heute Abend hier sind, werden gefüllte Auftragsbücher haben - aber wie lange noch?
  • Bei einem Kurs von 1.10 sind für viele Unternehmen keine Gewinne mehr möglich - und damit keine Investitionen. 1.03 oder 1.04 über Monate wird existenzbedrohend.
  • Wir setzen auf den Antrieb der Märkte in den USA, China und Deutschland sowie einen Aufschwung im Euroraum. Verlassen können wir uns darauf nicht.

Wir bewegen uns auf also dünnem Eis, das im Sommer wohl noch mehr schmelzen wird. Es gibt keinerlei Grund für Übermut! Am Beispiel der Industrie lassen sich die Themen aufzählen, die derzeit für viele Firmen anstehen: Von zurückgestellten Investitionen über Kurzarbeit zu forcierten Strukturanpassungen, Standort-Verlagerungen bis zum Abbau von Arbeitsplätzen. Neuansiedelungen gehen zurück. Kurz: Wir erleben eine De-Industrialisierung - dass sie schleichend geschieht, macht sie umso gefährlicher. Aber natürlich ist nicht nur die Industrie betroffen. Sondern auch der Tourismus - mit einem massiven Einbruch im März -, der Finanzsektor, der mit den Negativzinsen zu kämpfen hat, oder der Detailhandel: Er litt im dritten Monat des Jahres mit einem Minus von fast 3% deutlich unter dem Einkaufstourismus. Ich bin heute aber nicht zu Ihnen gekommen, um zu jammern - im Gegenteil! Ich richte drei Appelle an uns alle, die auch die Folgerungen aus den ersten zwei Teilen zur technologischen und geopolitischen Revolution ziehen:

  1. Stärken wir Bildung, Forschung und Innovation
  2. Treiben wir die wirtschaftliche Öffnung voran
  3.  Verbessern wir beharrlich die Rahmenbedingungen

1. Stärken wir BFI
Die Schweiz ist ein Hochkostenland - in Zeiten der Frankenstärke erst recht. Diese treibt uns aber auch zusätzlich an, uns an der Weltspitze in Sachen Bildung, Forschung und Innovation zu behaupten. Innovation ist und bleibt zuerst Sache der Firmen. Sie tun das in unserem Land ganz hervorragend. „Never change a running system": Es wäre falsch, dem Staat mehr Einfluss aufzubürden. Er soll weiterhin subsidiär wirken. Das tut er genauso erfolgreich: durch ein exzellentes Bildungssystem als Grundlage, dank einer blühenden Hochschullandschaft - und mit der KTI als Katalysator. Ich tippe einige spezifischen Aspekte bloss an, die eine wichtige Rolle spielen, und die wir laufend verbessern:

  • Einen Meilenstein für die bewährten Private-Public-Partnerships stellt der nationale Innovationspark mit den zwei Hubs Dübendorf und Lausanne dar, auf deren wirtschaftliche Seite nicht wenige unter Ihnen selber direkt engagiert sind.
  • Die KTI als Schlüssel-Institution für die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Hochschulen und Politik stärken wir mit der im letzten Herbst lancierten Reform, damit sie ihre Rolle zugunsten der Unternehmen noch besser wahrnehmen kann. Die derzeitige Ausschöpfung der finanziellen Mittel stellt den Nutzen der KTI unter Beweis. Sollte sich aufgrund der Frankenstärke ein zusätzlicher Bedarf abzeichnen, werden wir bereit sein.
  • Der Fachkräftemangel ist ein weiteres Stichwort, denn ohne qualifizierte Mitarbeitende, die rasch und unbürokratisch rekrutiert werden können, liegt das Innovationspotenzial brach. Es ist im Interesse von Politik und Wirtschaft, Lösungen zu finden, um die bereits sehr hohe Arbeitsmarktintegration bei Frauen und älteren Arbeitnehmern weiter zu erhöhen. Deshalb gehen wir diese Herausforderung auch gemeinsam an - Bund, Kantone, Sozialpartner, Arbeitgeber und Arbeitnehmende.
  • Ein letzter Punkt ist die Stärkung der internationalen Zusammenarbeit. Meine Damen und Herren: Gelingt es uns nicht, die jetzige Zwischenlösung zur Teilnahme am EU-Forschungsprogramm Horizon2020 über 2017 hinaus zu sichern, dann trifft das nicht nur den Forschungsplatz, sondern den ganze Standort Schweiz empfindlich. Ich setze mich mit aller Kraft ein, ein solches Szenario zu verhindern.

2. Treiben wir die wirtschaftliche Öffnung voran
„Small is beautiful" - das stimmt für die Schweiz in vielerlei Hinsicht. Als Kleinstaat sind wir aber - gerade in einem stürmischen weltweiten Umfeld - auf verlässliche wirtschaftliche Partnerschaften angewiesen. Der WTO gelingt es schon länger nicht mehr, den Welthandel zu treiben. Der Protektionismus ist auf dem Vormarsch, und wer ihn neutralisieren will, ist auf bilaterale Abkommen angewiesen. Über die zentrale Rolle des Bilateralen Wegs mit der EU habe ich schon gesprochen, die Rolle des Freihandelsabkommens mit China kennen Sie. Wichtig ist, dass dieses Abkommen uns einige Jahre Vorsprung auf die europäische Konkurrenz verschafft. Vor wenigen Tagen kam ich von einer Reise nach Indien zurück, dem zweiten asiatischen „big player". Die guten Gespräche geben uns einen Funken Hoffnung, dass für die bisher kaum lösbar scheinenden Fragen, etwa zu den Intellectual Property Rights, eine Einigung erzielt werden kann. Aber auch heute Abend sage ich zu Indien zwei Sätze: Lieber kein Abkommen als ein schlechtes. Und: Wir werden keine Vereinbarung treffen, mit welcher die Pharma nicht leben kann. Mit Indonesien und Malaysia sind wir schon einige Schritte weiter. Und dann komme ich zurück zu TTIP. Wenn das Abkommen zustande kommt, müssen wir uns als Kleinstaat aus meiner Sicht rasch anschliessen, wollen wir unsere Exportindustrie nicht einem enormen Nachteil aussetzen. Das dürfte grosse Reformen namentlich in der Landwirtschaft nötig machen. Dann braucht es auch Sie, um die Landwirtschaft und die Bevölkerung von solchen Reformen zu überzeugen und zu helfen, diese abzufedern. Diese Herkulesaufgabe müssen wir alle gemeinsam angehen - im Interesse der Arbeitsplätze in allen Branchen.

3. Verbessern wir Rahmenbedingungen
Ich sprach vorhin davon, die Trümpfe des Kleinstaates zu bewahren. Studien identifizieren viele verschiedene. Ich nenne heute drei Schweizer Rezepte:

  • Flexibilität dank liberalem Arbeitsmarkt
  • Stabilität dank gelebter Sozialpartnerschaft
  • und Effizienz dank moderater administrativer Belastung (ja, meine Damen und Herren: alles ist relativ...) Beginnen wir hinten: Gerne wird in der Schweiz über die „Bürokratie in Brüssel gespottet" - machen wir es besser! Wenn ich mir die 140 Seiten Regulierung pro Woche vor Augen führe, welche die Verwaltung produziert, muss ich sagen: so sicher nicht!

Schöne Worte braucht es nicht - Sonntagspredigten zur administrativen Entlastung werden die ganze Woche durch gehalten - gefragt sind ein Mentalitätswandel und konkrete Taten. So habe ich mein Bundesamt für Landwirtschaft angewiesen, alle Verordnungen auf unnötige Vorschriften zu durchforsten, die wir rasch und einfach streichen können. Kurz darauf erhielt ich eine Liste mit hundert Verbesserungen. Die ersten können wir auf 2016 umsetzen. Das ist der richtige Spirit, der Nachahmer finden muss. Und auch wenn die Dokumentationspflicht für mobile Hühnerställe wegfällt: Die Tiere werden ihr Dach über dem Kopf auch zukünftig finden. Zweitens: Über den liberalen Arbeitsmarkt muss ich in diesem Saal nicht viel mehr sagen als das folgende: Wir müssen ihn unbedingt bewahren, entgegen dem Zeitgeist! Die gelebte Sozialpartnerschaft gehört für mich drittens ganz selbstverständlich dazu. Vertrag statt Gesetz: diese einfache Lösung hat uns in der Vergangenheit immer einen Schritt Vorsprung bei der Wettbewerbsfähigkeit gebracht. Bitte helfen Sie mit, gerade in schwierigen Phasen den Dialog zu suchen und zu pflegen. Der Blick auf die Streikwelle in Deutschland zeigt uns seinen Wert. Lassen Sie mich noch ein Wort zur Erbschaftssteuer sagen, über die wir am 14. Juni abstimmen: Ein glasklares Nein sendet ein wichtiges Signal: an die Jungen, um die Familienbetriebe weiterzuführen. Und an Investoren, dass sie in diesem Land weiterhin auf exzellente Rahmenbedingungen zählen dürfen. Ich freue mich über jeden Wirtschaftsvertreter, der sich engagiert.

Damit kann ich die Brücke schlagen zum Ende meines Referats: Wenn es um Erreichtes und Herausforderungen geht, spreche ich nicht von uns in der Politik und von Ihnen in der Wirtschaft (nicht nur, weil ich den Unternehmer in mir tatsächlich nie aus der Seele verbannen werde, wie die Neue Zürcher Zeitung nicht zu Unrecht schrieb). Sondern ich spreche von wir: In unserem Land, einem der erfolgreichsten der Welt, gibt es eine breite Gruppe von Personen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die ein besonderes Mass an Einfluss hat. Hier steht zum Glück niemand alleine ganz an der Spitze. Auch wenn es Brüche gab in den vergangenen Jahren: In unserem Land vertraut die Bevölkerung der Elite noch immer viel mehr als in fast allen anderen Staaten. Wir haben deshalb eine enorme Verantwortung: Die Verantwortung, unser Land weiterzubringen. Deshalb ist das letzte Jubiläum, das ich erwähnen möchte, Ihr Jubiläum. 1865, vor 150 Jahren, wurde die Zürcher Sektion der „Schweizerischen Statistischen Gesellschaft" gegründet. Ihre Vorläuferorganisation.

Ihr Ziel lautete: „in monatlichen Zusammenkünften auch wirtschaftliche Fragen zu behandeln, um die Gesellschaft zu beleben (...)." Auch heute noch ist unser Staat ein Beteiligungsstaat, ein Mitmachstaat. Ihr Engagement für Wohlstand, für Arbeitsplätze und unsere Gesellschaft ist in einer sich rasant verändernden Welt wichtiger denn je: Wenn wir die Innovation in diesem Land treiben, die Offenheit bewahren und die Rahmenbedingungen stärken wollen: Dann muss Ihre Stimme gehört werden! Setzen wir uns also gemeinsam ein, damit unser einzigartiges Land auch in Zukunft zu den erfolgreichsten der Welt gehört. Nutzen wir die Chancen, statt uns in den Risiken zu verheddern. Das gelingt, wenn wir mit Optimismus und Unternehmergeist nach vorne schauen und zusammen die Zukunft anpacken.

Damit unser Land und seine Menschen auch in Zukunft eine hervorragende Perspektive haben.

Danke für Ihr Engagement. Und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Es gilt das gesprochene Wort


Adresse für Rückfragen

.


Herausgeber

Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung
http://www.wbf.admin.ch

https://www.admin.ch/content/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-57320.html