Zu teure Grenze?

Bern, 20.03.2006 - In einer heute vorgestellten Studie beziffert Avenir Suisse die volkswirtschaftlichen Kosten der Zollschranken auf 3,8 Mia. Franken und stellt u.a. eine Zollunion mit der EU zur Diskussion. Der Schweizer Zoll nimmt dazu wie folgt Stellung.

  1. Es ist unbestritten, dass die Grenze Kosten verursacht. Aber auch die Öffnung der Grenze würde kosten. Die Studie fokussiert einseitig auf die Kosten von importierenden und exportierenden Unternehmen und vernachlässigt die Vorteile, die Unternehmen aus der Grenze entstehen. Die schweizerische Industrie profitiert beim Import aus Drittländern von tieferen Zöllen im Vergleich zur EU. Der durchschnittliche EU-Aussenzolltarif für Industrieprodukte beträgt 4,1% und ist somit fast doppelt so hoch wie derjenige in der Schweiz (2,3%). Dadurch erwachsen den Unternehmen in der Schweiz Wettbewerbsvorteile.

  2. Die Ausgaben der Eidg. Zollverwaltung (EZV) für die Zollabwicklung werden in der Studie auf 200 bis 400 Mio. Franken geschätzt. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass nahezu die Hälfte der Mitarbeitenden, rund 2000, dem Grenzwachtkorps angehören, das insbesondere auch sicherheitspolizeiliche Aufgaben erfüllt. Der volkswirtschaftliche Nutzen der Sicherheit für die Schweiz lässt sich nicht quantifizieren, müsste in einer gesamtvolkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Rechnung der Grenze aber auch berücksichtigt werden. Genauso wie der Nutzen, welcher z. B. der Landwirtschaft durch den Grenzschutz entsteht. Ob die Schweiz diesen Grenzschutz weiterführen will, ist selbstverständlich eine politische Frage.

  3. Mit der Zollabwicklung wird in der Schweiz gleichzeitig eine Vielzahl anderer gesetzlicher Bestimmungen vollzogen. So erhebt der Zoll im selben Prozess auch die Mehrwertsteuer (2005: 10 Mia. Franken) und andere Abgaben wie Mineralölsteuer (2005: 5 Mia.), Tabaksteuer (2005: 2 Mia.), LSVA (2005: 1,2 Mia.), Automobilsteuer (2005: 310 Mio.), diverse Lenkungsabgaben etc. Aus den Daten der Zollabfertigung produziert der Zoll direkt eine aussagekräftige Aussenhandelsstatistik. Formalitäten in allen diesen Bereichen würden auch ohne Grenze anfallen und Kosten verursachen.

    Neben den fiskalischen Aufgaben vollzieht der Zoll eine Vielzahl weiterer Erlasse, z. B.:
    - Mitwirkung beim Vollzug der Tierseuchen- und Tierschutzgesetzgebung (Vogelgrippe)
    - Lebensmittel- und Heilmittelsicherheit: Einhaltung der Gesundheitsvorschriften bei importierten Lebens- und Heilmitteln
    - Marktordnungen (Agrarschutz): der Zoll bewirtschaftet verschiedenste Kontingente für landwirtschaftliche Produkte
    - Bekämpfung der Markenpiraterie und der Verletzungen des Urheberrechts
    - Bekämpfung des Betäubungsmittel- und Waffenschmuggels
    - Artenschutz: Rund 25'000 Pflanzen- und 3500 Tierarten sind vom Washingtoner Artenschutzübereinkommen erfasst und gelten weltweit als geschützt. Zollkontrollen tragen dazu bei, vom Aussterben bedrohte Arten zu schützen.
    - Kontrolle des Verkehrs mit Edelmetallen und Edelmetallwaren
    usw.

    Alle diese Aufgaben müssen vollzogen werden – mit oder ohne Grenze. Dass dies heute im selben Prozess der Zollabfertigung geschieht, ist effizient. Auf jeden Fall greift die Studie zu kurz, wenn sie als einzigen Nutzen der Zollhürde nur die Zolleinnahmen von rund 1 Mia. Franken annimmt. Die Gesamteinnahmen des Zolls betragen über 20 Mia. Franken.

  4. Die Schweiz erwirtschaftet jeden zweiten Franken im Ausland. Dies kann sie nur, wenn der grenzüberschreitende Warenverkehr reibungslos verläuft. Der Schweizer Zoll erachtet es deshalb als Daueraufgabe, nach Lösungen zu suchen, um die „Hemmschwelle Grenze“ für die Unternehmen so tief wie möglich zu halten. In den letzten Jahren sind die Zollverfahren modernisiert worden. Wesentliche Fortschritte wurden mit der Einführung der elektronischen Verzollung erzielt. Dieser Prozess wird weitergeführt, um die Zollabwicklung noch effizienter und wirksamer zu machen. Bereits heute haben die Unternehmen die Möglichkeit, ihre Waren rund um die Uhr, 7 Tage in der Woche, dem Zoll elektronisch zur Abfertigung anzumelden.

    Um die Grenze zu entlasten, verfolgt der Zoll seit längerem die Strategie, die Zollabfertigung von Handelswaren ins Inland bzw. zum Domizil seiner Kunden zu verlagern. Nach dem Prinzip der „zugelassenen Versender und Empfänger“ nimmt der Zoll von 5 bis 22 Uhr Abfertigungen der angemeldeten Waren vor und geht, wenn erforderlich, zum Domizil seiner Kunden, um die Waren zu kontrollieren. Es ist fraglich, ob eine weitere Ausdehnung der Öffnungszeiten der Zollämter den Unternehmen etwas bringen würde.

Fazit
Avenir suisse hat mit der Studie versucht, die Kosten der Grenze zu quantifizieren. Vernachlässigt wurden die volkswirtschaftlichen Kosten und politischen Konsequenzen einer Öffnung. Nur dadurch kann aber festgestellt werden, ob die Grenze unserer Volkswirtschaft mehr Vorteile oder Nachteile bringt. Der Verband der Schweizer Unternehmen, economiesuisse, kommt in seinem Positionspapier zur schweizerischen Europapolitik zum Schluss, dass eine Öffnung der Grenzen gegenüber der EU (EU-Beitritt oder Zollunion) keine vorteilhafte Option ist.


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Roman Bisaz, Vizedirektor, Oberzolldirektion, Tel: 031/322 65 09
Walter Pavel, Information, Oberzolldirektion, Tel. 031/322 65 13


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