Journée des banquiers

Berne, 03.09.2013 - Allocution du Conseiller fédéral Alain Berset à l’occasion de la Journée des banquiers - Seules les paroles prononcées font foi.

Wir leben ja bekanntlich in Zeiten der Schwarm-Intelligenz. Wikipedia, so heisst es, sei inzwischen präziser als die Encyclopedia Britannica.

Ich habe also nachgeschaut. Was schreibt Wikipedia zum Thema „Schweizer Bankwesen"? Ich zitiere: „Das Schweizer Bankwesen zählt zu den bedeutendsten der Welt. Sein guter Ruf basiert auf der politischen und wirtschaftlichen Stabilität der Schweiz und auf der Hauptaktivität der Vermögensverwaltung sowie der vergleichsweise konservativen und nachhaltigen Anlage."

Als Bürger - und Steuerzahler! - bin ich beruhigt. Und als Bundesrat freue ich mich auf Sitzungen mit meinen Kolleginnen und Kollegen, an denen man auch mal etwas anderes besprechen kann als Finanzplatz-Themen.

Als Innenminister interessiert mich natürlich vor allem der Hinweis darauf, der gute Ruf des Schweizer Bankwesens basiere auf der „politischen und wirtschaftlichen Stabilität der Schweiz". Man hätte auch noch die soziale Stabilität erwähnen können, ohne die es ja weder politische noch eine wirtschaftliche Stabilität geben kann.

Eines steht jedenfalls fest: Das wahre Alleinstellungsmerkmal der Schweiz ist ihre Stabilität. Und Stabilität ist ja auch einer der vier Kernwerte, zu denen sich der Finanzplatz vor einigen Jahren bekannt hat.

Politische und gesellschaftliche Stabilität ist eines der wichtigsten Glieder in der Wertschöpfungskette der Schweizer Banken. Natürlich nicht zuletzt im Hinblick auf den Zukunftsmarkt Asien.

Ein zweites, nicht weniger wichtiges Element ist die Verantwortung - auch die Verantwortung gegenüber der Schweiz und ihrer Gesellschaft.

Es ist wichtig, dass sich der Finanzplatz um politische und gesellschaftliche Akzeptanz bemüht. Denn der Finanzplatz kann wichtige Voraussetzungen seines eigenen Erfolges, wie eben die gesellschaftliche Stabilität, nicht selber schaffen.

Wenn die Banken sich also heute wieder stärker für die Schweiz engagieren, dann werden die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes dem Finanzplatz auch ihrerseits wieder mehr Goodwill entgegen bringen.

Und sich ihrerseits wieder stärker darauf besinnen, dass das Finanzsystem einen unverzichtbaren Beitrag leistet, damit unsere Volkswirtschaft effizient funktionieren kann - von Privatpersonen über die rund 300‘000 KMU bis hin zu den multinationalen Firmen.

Worin besteht eigentlich die grösste Stärke der Schweiz? Wir sind trotz unserer unglaublichen Vielfalt eine Gesellschaft, deren Fundamente Vertrauen und Sicherheit sind. Das macht uns stabil und auch wirtschaftlich erfolgreich.

Die politischen Wege mögen oft verschlungen sein, die Prozesse komplex. Und, ja, es dauert manchmal sehr lange, bis Lösungen vorliegen.

Aber das Resultat unserer oft mühseligen Arbeit, dem Suchen nach Lösungen, ist eben die politische und soziale Stabilität unseres Landes.

Ich bin überzeugt, dass für die Banken eine noch stärkere Hinwendung zu ihren Schweizer Ursprüngen auch strategisch wertvoll ist.

Das ist kein Plädoyer für Provinzialität - im Gegenteil! Die Schweiz ist eines der weltoffensten Länder der Welt. International führend bei der Innovationskraft, seit Jahren an der Spitze bei der Wettbewerbsfähigkeit.

Unsere kosmopolitische, vielsprachige Schweiz ist besser als andere Länder positioniert, um in der Globalisierung wirtschaftlichen Erfolg zu haben. Das gilt in besonderem Masse für den Finanzsektor.

Etwas provinziell kommt einem eher die Verherrlichung der Wall Street in der Zeit vor der Finanzkrise vor. Denn sie folgte einem längst schon verstaubten Schema: Hier die enge, langweilige Schweiz - dort die weite, aufregende Welt.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Nichts gegen New York - es ist dort tatsächlich aufregend. Wenn ich auch etwas bezweifle, ob ausgerechnet an der Wall Street am meisten los ist...

Nichts gegen New York also, aber gerade im Banking braucht die Schweiz keine andere Unternehmenskultur als ihre eigene.

Le monde actuel subit de profondes mutations à la fois politiques, sociales et économiques.

Et notamment :

  • un vieillissement démographique inégalé, qui modifie profondément nos sociétés;
  • l'expansion de l'Asie qui nous rattrape avec sa puissance économique croissante, notamment au niveau de la recherche de pointe;
  • la crise en Europe: l'orage est passé mais pourrait revenir, et malgré la légère reprise de la conjoncture, le ciel est loin d'être dégagé; l'UE est arrivée à un tournant: certains veulent plus, d'autres moins d'Europe - les premiers étant plus nombreux que les seconds. Pour le moment tout au moins.
  • le dramatique chômage des jeunes qui sévit sur le Vieux continent et le transforme; le spectre d'une génération perdue se profile.
  • enfin, l'Amérique oublie peu à peu ses origines anglo-saxonnes pour devenir une nation multiculturelle. Et les liens culturels entre les USA et l'Europe s'effacent toujours plus face à l'orientation Pacifique des Etats-Unis. Voilà qui va aussi modifier notre perception de nous en tant qu'Européens, mais aussi en tant que Suisses.

En bref, il faut bien plus que quelques adaptations à certains changements de paramètres. Il faut se poser des questions de fond :

  • Quelle est notre place dans ce monde?
  • Que savons-nous faire le mieux ?
  • Comment réagir face aux mutations rapides sans mettre en péril nos processus politiques ni notre identité ?

Aus Sicht des Sozialministers lautet eine mögliche Antwort:

  • Wir sind das Land, das Wirtschaft und Gesellschaft nicht auseinanderdriften lässt.

Die grundlegende Erkenntnis im Zuge der Finanzkrise muss man in einer direkten Demokratie nicht näher erläutern: Wall Street kann nur florieren, wenn es auch Main Street gut geht. Oder helvetisch gesprochen: Dem Paradeplatz geht es nur dann gut, wenn es auch Hintertupfigen gut geht.

Unser Erfolg zeigt zudem, dass heutzutage „soft factors" beim Erfolg eines Standortes mindestens so wichtig sind wie „hard factors".

  • Denn „harte Faktoren" wie Steuerattraktivität oder Infrastruktur können relativ einfach kopiert werden.
  • Weiche Standortfaktoren - also Vertrauen, Stabilität, sozialer Ausgleich - lassen sich jedoch nicht so einfach imitieren. Denn sie haben sich über Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte herausgebildet.

Nur ein Beispiel: Viele Länder haben erkannt, dass das duale Bildungssystem ein probates Mittel gegen Jugendarbeitslosigkeit ist. Aber der Import der dualen Bildung will nicht recht gelingen, obwohl die Regierungen es ernsthaft versuchen. Der Grund ist klar: Der Geist der Kooperation zwischen Unternehmen, Politik und Gesellschaft im Bereich Ausbildung ist in diesen Ländern, im Gegensatz zur Schweiz, kulturell nicht stark genug verankert. Komplexe historische Prozesse lassen sich nicht im Schnelldurchlauf nachholen.

  • Zu diesen weichen Faktoren, der weichen Infrastruktur der Schweiz, gehören auch Verlässlichkeit, Langfristigkeit, Ausgleich, Beständigkeit.

Allesamt Werte, die dem Erfolg des Swiss Banking zuträglich sind, ja geradezu aus einem Positionspapier der Bankiervereinigung stammen könnten...

Und deren Wert - für die Schweiz, aber eben auch für die Banken - in Zukunft noch wachsen wird. Denn Sicherheit, Vertrauen und Stabilität gehören in einer multipolaren Welt, in einer fragmentierten Welt zu den knappsten Gütern überhaupt.

Aber in einem Punkt müssen sowohl die Schweiz wie auch die Banken noch besser werden: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, wenn sich Interessenlagen und Werte global verändern - und uns entsprechend positionieren. Nur so bleiben wir, wer wir sind. Wenn wir uns nicht verändern, werden wir verändert. Diese Dialektik prägt nicht nur die Unternehmen; sie gilt ein Stück weit auch für kleine und mittelgrosse Staaten im Zeitalter der grossen Machtblöcke.

Die Anforderungen an die Legitimität des politischen und wirtschaftlichen Handels haben sich nach dem Ende des Kalten Krieges dramatisch verändert - und erst recht seit der Finanzkrise.

Ein gut entwickeltes Sensorium für Legitimität gehört deshalb zu den wichtigsten Elementen der soft power eines Staates. Und natürlich auch zu den unverzichtbaren Maximen eines erfolgreichen Bankings.

Denn die Annahme, dass alles, was im eigenen Land legal ist, auch international als legitim gilt, hat sich als ebenso gefährlich wie naiv erwiesen.

Die ersten knapp zwei Jahrzehnte nach dem Kalten Krieg, also die Zeit zwischen Mauerfall und Finanzkrise, waren geprägt von einer allzu überschwänglichen Mentalität. Die Wirtschaft - und insbesondere die Finanzwirtschaft - beanspruchte alle Vorteile des globalen Marktes. Vergessen ging dabei, dass es auch gemeinsame Regeln und gegenseitige politische Rücksichtnahme braucht.

Und aus Schweizer Sicht muss man anfügen: Vergessen ging in dieser Zeit auch, dass Regulierungs-Arbitrage kein langfristig tragfähiges Geschäftsmodell sein kann.

Die Finanzkrise führte international zum Ruf nach mehr Regulierung. Dann kam noch die Schuldenkrise dazu; ihrerseits bei weitem nicht nur, aber auch eine Folge der Finanzkrise.

Seit Ausbruch der Finanzkrise 2008 wissen wir: Ohne gesellschaftliche Verantwortung und internationale Akzeptanz ist wirtschaftliches Handeln schwierig geworden. Wird diese Verantwortung nicht wahrgenommen, treten Bruchlinien auf zwischen Politik und Wirtschaft - und insbesondere der Finanzindustrie -, die für alle Beteiligten bedrohlich werden können.

Der britische Wirtschaftshistoriker Harold James hat etwas Interessantes beobachtet: Nach Finanzkrisen dauert es immer mehrere Jahre, bis sich in den Köpfen und den Institutionen neue Werte und Überzeugungen herausbilden.

Jetzt, fünf Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise, ist es soweit. Unsere Welt ist nicht mehr die gleiche wie vor der Finanzkrise.

Das lässt sich nicht zuletzt daran ablesen, dass der automatische Informationsaustausch dabei ist, zum internationalen Standard zu werden. Steuerkonformität ist heute ein „sine-qua-non" einer erfolgreichen Vermögensverwaltung. Natürlich gilt es dabei, gerade aus Sicht der Schweiz, aufzupassen, dass alle Länder ihren Worten auch Taten folgen lassen. Wir brauchen keinen „Swiss finish", sondern einen „global finish" mit aktiver Schweizer Beteiligung.

Für die Schweiz wie auch für den Finanzplatz lautet die Devise für die Zukunft: Sich auf die traditionellen Stärken besinnen, statt wehmütig Vergangenem oder Vergehendem nachzuhängen.

Der Vogel Strauss taugt nicht als Wappentier für ein so erfolgreiches Land wie die Schweiz! Vielmehr gilt es, eine proaktive Grundhaltung zu entwickeln, welche die globale Dynamik als Chance zu nutzen versteht.

Fortschritts-Optimismus, Weltoffenheit, Geschäftstüchtigkeit - alle diese Facetten unserer nationalen Identität geniessen zurecht hohes Ansehen. Die Schweizer Banken müssen wieder die Tugenden des Landes zum Geschäftsmodell machen.

Zu den Schweizer Tugenden gehören auch, und, das ging bekanntlich manchmal etwas vergessen, Bescheidenheit, ein gewisses Masshalten.

Es gibt eine - und wirklich nur eine - gute Folge der Finanz- und Vertrauenskrise der letzten Jahre.

  • Sie hat uns alle gezwungen, unsere Milieugrenzen zu überschreiten.

Jetzt ist der Moment gekommen, um das gegenseitige Misstrauen zwischen der Wirtschaft - und nicht zuletzt der Finanzwirtschaft - und der Politik zu überwinden, das die letzten Jahrzehnte geprägt hat.

Denn heute ist allen klar geworden: Eine Gesellschaft kann nur als Ganze Erfolg haben.


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