Rede von Bundesrat Beat Jans am Parteitag der SP Schweiz

Berna, 24.02.2024 - Congresso di partito del PS a Grand-Saconnex (Ginevra)

Vale il testo parlato (questo contenuto non è disponibile in italiano)

 

Liebe Genossinnen und Genossen
Lieber Alain

(Melodie von Schorsch vom Haafebeggi 2)

Dr Berset seit Adie, är muess emol verschnuufe;
Drei Dääg spöter chunt är zruck, är will no witer ufe.
Jä, daas Mol will är ganz elai in Strossburg lande;
Jetzt hani dr Sinn vom Franggrich-Teschtflug
verschtande.

- Excusez-moi, chères et chers camarades.
- Und Entschuldigung, liebe Übersetzung.

Wenn schon mal ein Basler im Bundesrat hockt!
Und weil diese Woche Basler Fasnacht war!

Aber die drey scheenschte Däg in diesem Jahr,
das sind für uns natürlich die Parteitage der SP.

Ich freue mich sehr, hier bei euch zu sein. Das hier ist für mich Heimat - egal ob wir in Basel, Bern, Lugano oder Le Grand-Saconnex sind. Heimat ist, wo meine Freunde sind.

Für diese starken politischen Wurzeln bin ich dankbar.

Liebe Genossinnen und Genossen

Heute vor zwei Jahren hat Russland die Ukraine überfallen. Seither herrscht wieder Krieg in Europa.

  • Näher, als wir es für möglich gehalten haben.
  • Gegen ein demokratisches Land.
  • Brutaler, als wir es uns vorstellen können.

La Suisse a réagi et s'est jointe aux sanctions contre la Russie. Elle s'engage sur le plan humanitaire et au niveau international. Mais la principale contribution, c'est la population suisse qui l'a apportée, en accueillant 65 000 réfugiés d'Ukraine.

La solidarité à l'égard des Ukrainiennes et des Ukrainiens a été immense. Elle l'est encore et elle doit le rester. Car la machine de guerre de Poutine continue de tuer.

(Die Schweiz hat reagiert und trägt die Sanktionen gegen Russland mit, engagiert sich humanitär und international. Den wichtigsten Beitrag aber hat die Schweizer Bevölkerung geleistet, indem sie 65 000 Flüchtende aufgenommen hat.

Die Solidarität mit den Ukrainerinnen und Ukrainern war und ist gross. Und sie muss es bleiben. Denn das Töten durch Putins Kriegsmaschinerie geht weiter.)

Diese zwei Jahre waren auch für mein Departement eine Herausforderung und die Mitarbeitenden des EJPD haben grosse Arbeit geleistet. Von Herzen: Danke!

Es ist Arbeit am Puls der Zeit.

Was für eine Zeit, liebe Genossinnen und Genossen!

«Zeitenwende» war 2022 in Deutschland Wort des Jahres.

Bei uns war es letztes Jahr übrigens - die «Monsterbank».
Das sagt auch etwas über unser Land aus.

Ich weiss nicht, wie es euch geht. Aber ich habe manchmal den Eindruck: Die Welt ist aus den Fugen!

Kriege, Krisen, Probleme, Herausforderungen wo man hinschaut. Sie überlappen und verstärken sich.

Zeitenwende! Was nun? Was tun?

Sofort sind diejenigen zur Stelle, die das tun wollen, was sie immer tun: nämlich nichts.

  • Abseitsstehen,
  • abschotten,
  • aushalten,
  • raushalten,
  • und vielleicht irgendwie Geld damit verdienen.

Misstrauen, Egoismus und Aufrüstung haben Hochkonjunktur.

Hingegen sind es harte Zeiten für

  • Solidarität
  • Menschenwürde
  • und Mut.

Ich bin überzeugt, liebe Genossinnen und Genossen
Genau das brauchen wir jetzt umso mehr!

Wer nichts macht, macht nichts falsch
- das stimmt vielleicht in einer Welt, die sich nicht bewegt.

Aber die Welt bewegt sich dramatisch.

Deshalb müssen wir etwas wagen, um voranzukommen.

Lasst uns Solidarität wagen!

Gerade weil das gegen den Zeitgeist ist. Die Bedrohung durch Despoten, die Klimakrise, Pandemien, illegale Migration, Armut - keines dieser Probleme kann die Schweiz alleine lösen. Internationale Solidarität wächst aus gegenseitigem Vertrauen. Dafür braucht es Entschlossenheit und Mut.

Un petit exemple : Durant la pandémie, la Suisse et l'Allemagne ont pris en charge des patientes et des patients de France et d'Italie, sans formalités bureaucratiques, parce que leurs hôpitaux étaient surchargés. Dans le même temps, les frontalières et les frontaliers des pays voisins ont aidé nos hôpitaux à maintenir leur bon fonctionnement.

(Ein kleines Beispiel: In der Pandemie haben die Schweiz und Deutschland unbürokratisch Patientinnen und Patienten aus Frankreich und Italien aufgenommen, weil dort die Spitäler voll waren. Gleichzeitig haben Grenzgängerinnen und Grenzgänger aus den Nachbarländern unsere Spitäler am Laufen gehalten.)

Da wurde nicht abgeschottet, sondern entschlossen gehandelt. Das ist gelebte internationale Solidarität.

Oder: unser Asylsystem. Das Ziel ist Solidarität. Das Recht auf Asyl gilt. Alle Menschen haben das Recht auf ein faires Verfahren. Wir wollen sie menschenwürdig behandeln und diejenigen, die Schutz brauchen, sollen konsequent Schutz erhalten.

Das sind meine asylpolitischen Ziele. Diese gelten.

Wir können sie aber nur erreichen, wenn wir auch ein gut funktionierendes Asylwesen haben. Dieses Asylwesen gerät in Gefahr, wenn wie beispielsweise in Chiasso die Polizei durchschnittlich jeden zweiten Tag in ein Asylzentrum kommen muss um meist gewalttätige Streitereien zu schlichten und diese Streitereien meist von Männern verursacht werden, die gemäss Gesetz gar keine Chance auf Flüchtlingsanerkennung haben, weil sie in ihrem Land nicht verfolgt sind. Das bringt das Asylwesen in Gefahr, weil die Geflüchteten und ihre Familien darunter leiden und weil Mitarbeitende abgehalten werden sich um die Menschen zu kümmern die dringend medizinische und pädagogische Unterstützung brauchen.

Deshalb werde ich für Menschen aus Ländern mit einer Anerkennungsquote von etwa 1 Prozent die 24-Stunden-Verfahren einführen. Dabei werden die gleichen Verfahren durchgeführt, wie bei längeren Verfahren. Jeder Gesuchsteller erhält eine Rechtsvertretung und kann bis vor Bundesverwaltungsgericht rekurrieren. Im Pilot in Zürich gab es in diesen Verfahren nach jetzigem Stand bisher keinen einzigen Rekurs

So gehen wir lösungsorientiert ein dringendes Problem an.

Wenn wir bei der gesamtschweizerischen Umsetzung sehen, dass wir die Verfahrens-Rechte der Betroffenen nicht garantieren können, dann gehen wir hin und lösen auch dieses Problem. Denn - wie gesagt: Das Recht auf ein faires Verfahren gilt.

Ein andere Problem sehen wir bei den unbegleiteten Minderjährigen zwischen 16 und 18: In Chiasso starten wir deshalb ein Pilotprojekt für eine schulische Betreuung der 16 und 17 Jährigen und damit für eine bessere Integration.

Doch echte Solidarität gibt es nicht einfach so. Solidarität braucht politischen Boden und Legitimation. Sie wächst aus der Gesellschaft heraus. Darum müssen wir den Menschen sagen, was wir tun und warum. Das ist mir als Bundesrat wichtig: Wir müssen Probleme benennen und erklären, wie wir sie lösen wollen. Wir müssen alle mitnehmen und entschlossen handeln. Nur so können wir Solidarität und Freiheit verteidigen.

"But in order to face risks we have to take risks - together. This is what Europe has always done."

Das sagte die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, am WEF in Davos. Ich glaube, sie hat recht.

Lasst uns, liebe Genossinnen und Genossen, auch mehr Europa wagen!

Angesichts grosser Herausforderungen ist Europa zusammengerückt. Gemeinsame Werte und Interessen werden erkennbar, Verbindendes wichtiger als Trennendes. Und wir sind geografisch mittendrin.

Europa hat einen beeindruckenden Leistungsausweis. Historisch, als Friedensprojekt, genauso wie jüngst: Die EU ist in beeindruckendem Tempo daran, sich von Putins Gas zu befreien. Die EU hat eben erst 50 Milliarden für die Ukraine gesprochen. Auch im Klimaschutz und sogar bei sozialen Fragen wie dem Mindestlohn geht die EU voran.

Die EU ist längst nicht perfekt. Sie hat Hochs und Tiefs erlebt, aber stetig Fortschritte erzielt. Kaum ein Land profitiert davon mehr, als die Schweiz, als wir Schweizerinnen und Schweizer.

Mais plus encore que ses accomplissements, c'est le potentiel de l'Europe qui est impressionnant : ce qu'elle pourrait être, ce qu'elle peut devenir. Aidons ce potentiel à se réaliser. Faisons entendre notre voix là où les décisions se prennent. Avancer ensemble est la meilleure réponse face aux grandes crises. Et pour cela, il faut que la Suisse trouve le courage et la confiance en soi nécessaires pour s'engager dans des négociations avec l'Union européenne.

(Noch beeindruckender als die Errungenschaften ist das Potenzial: Das, was Europa sein könnte. Lasst uns helfen, dieses Potenzial auszuschöpfen. Lasst uns mitreden, wo entschieden wird. Gemeinsames Vorangehen ist die Antwort auf grosse Krisen. Dazu gehört der Mut und das Selbstvertrauen, sich auf die Verhandlungen mit der EU einzulassen.)

Mehr Solidarität, mehr Mitsprache, mehr Europa
- alles, was Diktatoren und Autokraten verabscheuen.
Genau wie ihre heimlichen und unheimlichen Bewunderer.

Um es zu wagen und zu schaffen, braucht es uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten.
Braucht es den sozialdemokratischen Geist.

Wir wissen, dass wir grosse Herausforderungen nur gemeinsam meistern. Aber vor allem wissen wir, dass wir sie meistern wollen und meistern können. Das gibt Zuversicht.

Eine Wende ist immer eine Chance. Auch eine Zeitenwende.

Apropos Chance und Europa:
Damit sind wir wieder bei dir, lieber Alain.

Falls du Generalsekretär des Europarates wirst - was wir natürlich alle hoffen - wärst du in einer ganz besonderen Situation: Plötzlich verhandelst du über den EU-Beitritt. 

Die EU will nämlich Mitglied des Europarats werden.
Die verhandeln mindestens schon so lange wie wir.
Vielleicht haben sie auch schon ein Verhandlungsmandat.

Bestens gerüstet für diese und andere Herausforderungen wärst du.

Vielen Dank für deine grosse Arbeit in den letzten zwölf Jahren. Was du geleistet und ausgehalten hast, ist schlicht unglaublich.

Du nimmst deinen Hut

(setzt sich ein blaues Europa-Käppi auf)

Und ich ziehe meinen Hut vor dir und dem, was du geleistet hast.

(Übergibt das Käppi)

Und schenke dir eine Kappe Es ist kein Borsalino, aber trotzdem wie gemacht für dich:
ideal für mehr Freizeit, und gleichzeitig auch «Europarats-tauglich».

Und noch etwas, weil du jetzt für deine Wahl am Weibeln bist: Basler Läckerli kann ich wärmstens empfehlen.

(übergibt Basler Läckerli)

Von Herzen alles Gute, lieber Alain!


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