Ouverture du festival de jazz de Schaffhouse

Berne, 02.05.2012 - Allocution du Conseiller fédéral Alain Berset - Seule la version orale fait foi.

Liebe Freundinnen und Freunde des Jazz 

Es ist mir eine besondere Freude, das Jazzfestival Schaffhausen eröffnen zu dürfen. Meine Funktion als Bundesrat ist die einzige Legitimation, dass ich Teil ihres erstklassigen Programms sein darf. Als Musiker wäre mir das nicht geglückt. 

Comme vous le savez peut-être, j’ai derrière moi une brève carrière de pianiste de bar en Amérique du Sud. Ce fut une période extraordinaire – même si au début j’avais parfois un peu de mal lorsque les hôtes locaux demandaient des tubes locaux que je ne connaissais pas. Il fallait alors improviser. Mais mon don de l’improvisation serait insuffisant ici, si je devais me produire en tant que musicien dans ce festival suisse. C’est pourquoi je me réjouis de pouvoir quand même parler aujourd’hui en tant que fan du jazz contemporain.

Es ist eigentlich erstaunlich, dass es unter den Politikerinnen und Politikern nicht mehr Jazzfans gibt. Jazz und Politik haben nämlich dieselbe Basis. Die Parallelen sind so augenfällig, dass die eher lockere Beziehung zwischen Politik und Jazz erstaunt. 

Beginnen wir mit dem soliden Handwerk: Wer nicht intensiv übt, sein Instrument nicht bestens beherrscht, kein Repertoire aufbaut und ständig erweitert, der wird als Jazzer rasch an Grenzen stossen – oder von der Bühne gestossen. In der Politik ist es genauso. Ohne Dossierkenntnis, Aufbauarbeit, strategisches und taktisches Geschick oder rhetorisches Handwerk kommt man nirgends hin. Ausnahmen mögen die Regel bestätigen – wobei sich in der Politik wohl mehr Ausnahmen finden lassen als im Jazz... 

En plus, c’est l’improvisation qui fait le charme du jazz. Mais tandis que dans le jazz classique, les suites d’accords composées servent de fond aux envolées du soliste, l’improvisation libre exige une très grande ouverture d’esprit et de la souplesse. Les musiciens qui jouent ou le public ne trouvent pas toujours d’emblée le fil conducteur. Et cela, une fois encore, est valable tant pour le jazz que pour la politique... Faire de la politique sans improviser est impensable dans un système démocratique. Car improviser, c’est se confronter aux évolutions, les anticiper, creuser de nouvelles idées, adapter les décisions en permanence, réagir sans être absolument certain du résultat – mais en ayant un objectif et en une idée précise de ce que l’on veut. 

Improvisationstalent alleine reicht nicht: Es braucht auch das Zusammenspiel – das Interplay, die Interaktion. Bedingung dafür ist, dass man einander zuhört, gemeinsame Ideen entwickelt, aufeinander zugeht und kommuniziert. Nicht nur im Jazz, auch in der Politik. Spannendes Interplay ist originell, virtuos dynamisch, überraschend. Einige mögen einwenden, dass dies im Jazz häufiger der Fall ist als beim Schmieden von politischen Kompromissen. Politik ohne Interplay ist Diktatur, in welcher der Herrscher seinen und nur seinen Willen durchsetzt. Im Jazz wäre das hingegen einfach ein Solist, der sein Talent auf der Bühne allein entfaltet. 

Nach meiner Eloge über die vielen Gemeinsamkeiten von Politik und Jazz möchten Sie wohl von mir hören, dass der Bund mehr Subventionen für den Jazz ausschüttet. Ich bin mir nämlich bewusst, dass nur wenige Jazz-Musiker von der Konzerttätigkeit leben können. Dass die Honorare eher Spesenentschädigungen sind und dass die Auftrittsmöglichkeiten in der Schweiz beschränkt sind. Dazu kommt die Tendenz, beim Sponsoring und auch in der Diskussion über öffentliche Kulturbudgets, Publikumserfolg, Rentabilität und oft auch Gefälligkeit, stärker zu gewichten als Originalität, Qualität und Querdenken. Keine günstige Voraussetzung für zeitgenössischen Jazz abseits des Mainstreams. 

Ich kann Ihnen leider keinen Ausbau der Jazzförderung versprechen. Die Jazzförderung ist ein Teil der Kultur- und Musikförderung, die der Bund „subsidiär“ – also unterstützend – zu regionaler und privater Förderung leistet. Die geschieht vor allem via die Stiftung Pro Helvetia. Sie unterstützt insbesondere Schweizer Festivals bei der Einladung von Bands aus anderen Sprachregionen, fördert ausgewählte Bands, Diskussionsforen wie die Jazzgespräche oder Uraufführungen von aussergewöhnlichen Projekten. 

Die Zwischenbilanz der Jazzexperten ist verhalten positiv. Kulturredaktor Christian Rentsch schreibt in einem Buchbeitrag zu den Jazzgesprächen Schaffhausen - Zitat: „Die Pro Helvetia und zahlreiche Kulturstiftungen machen es den Musikern zwar nicht recht, aber immerhin rechter als vor 40 Jahren.“ 

Aber neben den materiellen sind auch die ideellen Rahmenbedingungen der Förderung wichtig. Staatliche Kulturförderung soll Freiräume schaffen. Thomas Läubli schreibt, ebenfalls in einem Beitrag zu den Jazzgesprächen:

 «Kulturinstitutionen unterstützen das kulturelle Schaffen so, wie der Staat einspringt, um marode Wirtschaftsunternehmen zu retten. Aber sie erteilen auch Direktiven. Doch Kunst ist in ihrem Wesen nach unkontrollierbar, unbestimmbar, unfassbar und kann nicht durch Direktiven gegängelt werden. (…) Der Staat sollte ein Klima schaffen, das es dem Neuen leichter macht, sich zu entfalten.» 

Rund 2,5 Milliarden Franken vergeben Bund, Kantone und Gemeinden jährlich an Kulturbeiträgen. Gemeinden und Kantone tragen den Löwenanteil davon. 

Der Bund seinerseits kann kulturelle Bestrebungen von gesamtschweizerischem Interesse unterstützen. Und er kann Kunst und Musik fördern, insbesondere im Bereich der Ausbildung. In der Kulturbotschaft 2012 bis 2015 hat der Bundesrat Schwerpunkte festgelegt, wohin die rund 660 Millionen Franken Bundesgelder fliessen sollen.  

Speziell herausheben möchte ich hier die Förderung der musikalischen Bildung von Kindern und Jugendlichen. Ich bin überzeugt, dass wir damit mithelfen, nicht nur die musischen Fähigkeiten von Kindern zu entwickeln. Sondern wir tragen durch den Musikunterricht auch zur Persönlichkeitsbildung bei. Jazz im Speziellen und Musik im Allgemeinen ist nicht nur ein netter Zeitvertreib und eine Übung zur verbesserten Motorik, sondern Musik bildet auch den Menschen. 

Auf die Forderung von Thomas Läubli nach Freiräumen kann ich guten Gewissens antworten: Ja, der Bund garantiert die Freiräume für Künstler. Und der Bund will mit seiner Tätigkeit ein Klima schaffen, in dem Neues entstehen kann. 

Sie machen uns mit dem Jazzfestival Schaffhausen vor, wie Neues entsteht. Mit einer guten Idee, kompetenter Führung und Beharrlichkeit entwickelten Sie aus einem ersten Konzertanlass eine Kulturinstitution. Die Werkschau des Schweizer Jazz hier in Schaffhausen ist nicht mehr wegzudenken. 

Und ich bin eigentlich froh, dass ich mich nicht als Profimusiker versucht, sondern für die Politkarriere entschieden habe: So habe ich nun meine Arbeit getan, kann jetzt hinsitzen und geniessen. 

Ich wünsche Ihnen ein erfolgreiches Festival! 


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