Ein Teilchenbeschleuniger für den Bürotisch: Empa und EPFL Partner im EU-Schwerpunktprogramm «EuPRAXIA»

Dübendorf, St. Gallen und Thun, 15.12.2022 - «EuPRAXIA» ist das erste europäische Projekt, das eine kompakte Forschungsinfrastruktur für Teilchenbeschleuniger entwickelt, die auf neuartigen Plasmabeschleunigungskonzepten und auf Lasertechnologie basiert. Ein Empa-Team unter der Leitung von Davide Bleiner und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der EPFL können sich dank der Ausgleichsfinanzierung durch das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) an «EuPRAXIA» beteiligen.

Die europäische Plasmabeschleunigergemeinschaft hat mit der Finanzierung mehrerer millionenschwerer Initiativen unter dem Dach des «EuPRAXIA»-Projekts («European Plasma Research Accelerator with Excellence in Applications») einen wichtigen Impuls für die Entwicklung einer einfach zugänglichen Plasmabeschleunigeranlage erhalten. Dabei handelt es sich im Einzelnen um die «EuPRAXIA»-Vorbereitungsphase, das «EuPRAXIA»-DoktorandInnen-Netzwerk und die «EuPRAXIA Advanced Photon Sources» sowie die Finanzierung des Baus eines «EuPRAXIA»-Standorts in Frascati bei Rom. Ein zweiter Standort ist vorgesehen, aber noch nicht vom «EuPRAXIA»-Vorstand beschlossen.

Viel kleiner und deutlich billiger

Das «EuPRAXIA»-Projekt zielt auf den Bau eines innovativen Elektronenbeschleunigers mit laser- und elektronenstrahlgetriebener Plasma-Wakefield-Beschleunigung ab, der im Vergleich zu den derzeitigen hochmodernen, auf Hochfrequenz basierenden Beschleunigern eine erhebliche Verkleinerung und Kosteneinsparungen verspricht. Das Projekt begann mit einer Designstudie, die im Rahmen des EU-Programms «Horizon 2020» finanziert wurde, und gipfelte Ende 2019 in der Veröffentlichung des weltweit ersten Konzeptionsberichts für eine Plasmabeschleunigeranlage. 2021 wurde «EuPRAXIA» in die Roadmap des Europäischen Strategieforums für Forschungsinfrastrukturen (ESFRI) aufgenommen, das Forschungseinrichtungen von gesamteuropäischer Bedeutung identifiziert, die dem langfristigen Bedarf der europäischen Forschungsgemeinschaften entsprechen.

Nun haben die EU und der britische Forschungs- und Innovationsgarantiefonds drei Millionen Euro für die «EuPRAXIA»-Vorbereitungsphase (PP) bewilligt, die 34 teilnehmende Institute aus Italien, der Tschechischen Republik, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Israel, Portugal, Spanien, der Schweiz – vertreten durch die Empa und die EPFL –, Grossbritannien, den USA und dem CERN als internationale Organisation umfasst.

Vierjährige Planungsphase

Der neue Zuschuss bietet dem Konsortium die einmalige Chance, in den nächsten vier Jahren die vollständige Umsetzung und Realisierung von «EuPRAXIA» vorzubereiten. Das Projekt wird 548 Personenmonate finanzieren, einschließlich zusätzlicher Mittel aus Grossbritannien und der Schweiz, und wird durch weitere 1.010 Personenmonate in Form von Sachleistungen unterstützt. «EuPRAXIA»-PP wird Forschungseinrichtungen und Industrieunternehmen aus den oben genannten Ländern sowie aus China, Japan, Polen und Schweden, die den «EuPRAXIA»-Konsortialvertrag unterzeichnet haben, zusammenbringen. Dieses Projekt wird die vollständige Umsetzung der 569 Mio. Euro teuren «EuPRAXIA»-Einrichtung als neue, verteilte ESFRI-Forschungsinfrastruktur für Europa definieren.

Daneben wurde auch ein neues Marie-Skłodowska-Curie-Doktoranden-Netzwerk («EuPRAXIA»-DN), das vom italienischen Nationalen Institut für Kernphysik (INFN) koordiniert und von der EU und Grossbritannien finanziert wird. «EuPRAXIA»-DN wird zwölf hochrangige Stipendien zwischen Universitäten, Forschungszentren und der Industrie anbieten, die ein interdisziplinäres und sektorübergreifendes Forschungs- und Ausbildungsprogramm für Plasmabeschleuniger durchführen werden. Das Programm wird im Januar 2023 starten und während seiner vierjährigen Laufzeit mit mehr als 3,2 Mio. Euro gefördert werden. «EuPRAXIA»-DN wird sich auf wissenschaftliche und technische Innovationen konzentrieren und die Karriereaussichten seiner StipendiatInnen verbessern. Das Projekt umfasst einen Grossteil des europäischen Fachwissens in diesem Forschungsbereich und bezieht zu Projektbeginn zehn Universitäten, sechs nationale und internationale Forschungszentren sowie sieben Partner aus der Industrie ein.

Schliesslich unterstützt das italienische Ministerium für Universitäten und Forschung im Rahmen des «Next Generation EU Recovery Funds» (PNRR) das Projekt «EuPRAXIA Advanced Photon Sources» (EuAPS) mit 22 Millionen Euro. Das Projekt wurde vom INFN als federführender Einrichtung, dem italienischen Nationalen Forschungsrat (CNR) und der Universität «Tor Vergata» in Rom gefördert. EuAPS wird einige der im «EuPRAXIA Conceptual Design Report» definierten wissenschaftlichen Ziele durch den Bau und die Inbetriebnahme einer verteilten Anlage erfüllen, die den Nutzern fortschrittliche Photonenquellen zur Verfügung stellt. Diese bestehen aus einer plasmabasierten Betatronquelle, die teilweise kohärente weiche Röntgenstrahlung liefert, einem Laser mittlerer Leistung mit hoher Wiederholrate und einem Hochleistungslaser.

Ein neuer teilchengetriebener Plasmabeschleuniger

Die neuen Mittel kommen zu den rund 120 Mio. Euro hinzu, die von der italienischen Regierung, der Region Latium und dem INFN für den Bau der strahlgetriebenen Säule von «EuPRAXIA» in Frascati bei Rom bereitgestellt wurden. Die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten für die strahlgetriebene Anlage werden derzeit im INFN-Labor «SPARC_LAB» in Frascati durchgeführt. Der europäische Standort für den zweiten, lasergesteuerten Teil von «EuPRAXIA» wird im Juni 2024 im Rahmen des Projekts der Vorbereitungsphase festgelegt.

Massimo Ferrario, Projektleiter im «SPARC_LAB» und leitender Forscher am INFN, sagt: «Der vorgesehene Elektronenenergiebereich von ein bis fünf Gigaelektronenvolt (GeV) wird verschiedene Anwendungen in unterschiedlichen Bereichen ermöglichen, etwa als kompakter Freie-Elektronen-Laser, kompakte Quellen für die medizinische Bildgebung und Positronenerzeugung, Tisch-Teststrahlen für Teilchendetektoren und tief durchdringende Röntgen- und Gammastrahlenquellen für die Materialanalyse. Darüber hinaus soll «EuPRAXIA» das notwendige Sprungbrett für mögliche zukünftige plasmabasierte Anlagen sein, wie Linearbeschleuniger an der Energiegrenze der Hochenergiephysik.»

Der Koordinator des «EuPRAXIA»-Konsortiums, Ralph Assmann, «Senior Research Associate» am INFN und «Leading Scientist for Accelerator R&D» am DESY, sagt: «Dieser zusätzliche Erfolg für unseren Beschleunigerbereich wurde dank der Exzellenz, des Einfallsreichtums und der harten Arbeit von mehreren Hundert Physikern, Ingenieuren, Studenten und Hilfskräften erzielt, die seit 2015 an «EuPRAXIA» gearbeitet haben und dabei 50 Institute und Industrien aus 15 Ländern in Europa, Asien und den Vereinigten Staaten miteinander verbunden haben.»

Ein Werkzeug für «hochriskante» Experimente

Empa-Wissenschaftler Davide Bleiner ist froh, dass das in der Schweiz und an der Empa vorhandene Know-how in diesem hochkarätigen internationalen Netzwerk eingebettet bleibt. Bleiner ist dank der Finanzierung durch den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und das SBFI der zweitgrösste Partner in Bezug auf die «Workpackages». Sein Team hat ein Tabletop-Experimentalsystem namens «Empulse» zusammengestellt, das als wichtige Plattform für die Durchführung von «Hochrisiko»-Experimenten dienen wird, was an grossen Beschleunigeranlagen aufgrund der sehr begrenzten Strahlzeit nicht immer möglich ist. «In der Wissenschaft braucht es immer jemanden, der risikofreudig genug ist, diese Art von Experimenten durchzuführen», sagt er.

Ein enormes Netzwerk

Mitglieder der «EuPRAXIA»-Vorbereitungsphase: Istituto Nazionale di Fisica Nucleare (INFN); Consiglio Nazionale delle Ricerche (CNR); Elettra – Sincrotrone Trieste; Agenzia Nazionale per le Nuove Tecnologie, l'Energia e lo Sviluppo Economico Sostenible; Università degli Studi di Roma La Sapienza; Università degli Studi di Roma Tor Vergata; Commissariat à l'Énergie Atomique et aux Énergies Alternatives; Centre National de la Recherche Scientifique; Thales Las France SAS; Deutsches Elektronen-Synchrotron (DESY); Ferdinand-Braun-Institut; Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik; Forschungszentrum Jülich; Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf; Ludwig-Maximilians-Universität München; Wigner-Forschungszentrum für Physik; Universität Szeged; Universität Pécs; Instituto Superior Técnico; Institut für Physik der Tschechischen Akademie der Wissenschaften; CERN; Institute of Accelerating Systems and Applications; Centro de Láseres Pulsados Ultracortos Ultraintensos; Hebrew University of Jerusalem; Fraunhofer-Institut für Lasertechnik; und Sincrotrón ALBA-CELLS.

Assoziierte Partner der «EuPRAXIA»-Vorbereitungsphase: The Queen's University of Belfast; Science and Technology Facilities Council; University of Liverpool; University of Strathclyde; University of Oxford; University of California Los Angeles; Imperial College London; Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL); und Empa (Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, Schweiz).

Das «EuPRAXIA»-Doktorandennetzwerk umfasst: CIVIDEC, Consiglio Nazionale delle Ricerche (CNR), Istituto Nazionale di Fisica Nucleare (INFN), ELI Beamlines, Instituto Superior Técnico, Instrumentation Technologies, Lunds Universitet und University of Pécs als Begünstigte sowie Carbon Digital, Ceske Vysoke Uceni Technicke V Praze, D-BEAM, ELI-NP, Fistral Training and Consultancy Ltd, FOTON, Holdsworth Associates, Consorzio di Ricerca HYPATIA, Hebrew University of Jerusalem, RACAH Institute of Physics, STFC Rutherford Lab, Vienna University of Technology, University of Liverpool, Università di Pisa, Università di Roma La Sapienza, und Wigner Research Centre for Physics als assoziierte Partner.

Dem ESFRI-Konsortium gehören an: Synchrotron SOLEIL; Amplitude Technologies; Karlsruher Institut für Technologie (KIT); Helmholtz-Institut Jena; Institut für Plasmaphysik und Lasermikrofusion (IFPiLM); Technische Universität Łódz; Technische Militäruniversität; Narodowe Centrum Badan Jadrowych (NCBJ); Technische Universität Warschau; Universität Warschau; Universität Lund; Universität Manchester; Universität York; Shanghai Jiao Tong University; Institute for Molecular Science, National Institutes of Natural Sciences; Osaka University; Kansai Photon Science Institute (KPSI); RIKEN SPring-8 Center; Lawrence Berkeley National Laboratory.


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