Medienkonferenz des Bundesrates zur Aktivierung des Schutzstatus S

Berna, 04.03.2022 - Discorso, 4 marzo 2022: conferenza stampa del Consiglio federale; Consigliera federale Karin Keller-Sutter - vale il testo parlato

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Sehr geehrte Damen und Herren,

der Bundesrat hat heute Beschlüsse gefasst, um die rasche und unbürokratische Aufnahme von Ukrainerinnen und Ukrainern zu ermöglichen, die wegen des Kriegs flüchten müssen. Innerhalb von wenigen Tagen haben bereits über eine Million Menschen ihre Heimat, die Ukraine, verlassen. Wir wissen: Die meisten von ihnen sind nach Polen gereist, wo sie Verwandte und Bekannte haben.

Wir können im Moment natürlich nicht sagen, wie viele Ukrainerinnen und Ukrainer ihr Land noch verlassen werden, sei das Richtung Nachbarländer wie Rumänien, Ungarn oder Polen - oder eben auch Richtung Schweiz. Wir gehen aber davon aus, dass die Zahlen in den nächsten Wochen markant steigen. Umso wichtiger ist es, dass wir ihnen rasch und unbürokratisch bei uns Schutz gewähren können, ohne die regulären Asylstrukturen zu überlasten. Dafür hat der Bundesrat heute die Voraussetzungen geschaffen. Nach geltendem Recht können Ukrainerinnen und Ukrainer heute visumsfrei in die Schweiz einreisen und sich 90 Tage hier aufhalten. Um ihnen aber auch nach Ablauf dieser Frist Schutz zu gewähren, schlägt der Bundesrat vor, den sogenannten Schutzstatus S zu aktivieren. Dieser ist in Art. 4 des Asylgesetzes geregelt und genau für Situationen vorgesehen, wie sie nun in der Ukraine leider eingetroffen ist. Mit dem Schutzstatus S kann der Bundesrat ganzen Personengruppen von Schutzbedürftigen für die Dauer einer schweren allgemeinen Gefährdung oder während eines Krieges vorübergehend Schutz gewähren, ohne dass sie dafür ein ordentliches Asylverfahren durchlaufen müssen.

Der Schutzstatus S wurde aufgrund der Erfahrungen der Jugoslawien-Kriege in den 1990er-Jahren geschaffen. Damals hatten ebenfalls Tausende Schutz gesucht in der Schweiz. Tatsächlich angewendet wurde er bisher aber noch nie, der Schutzstatus soll jetzt also zum ersten Mal aktiviert werden. Der Bund und die Kantone haben also noch keine Erfahrung damit. Entsprechend sind noch verschiedene Umsetzungsfragen offen. Wir sind aber bereits daran, diese zu klären, und sind auch bereit, pragmatische, unbürokratische Lösungen zu finden.

Für den Bundesrat hat der Schutzstatus S verschiedene Vorteile in der aktuellen Situation:

  • Es handelt sich um einen kollektiven Schutz, die Bürokratie wird auf ein Minimum beschränkt. Das ist wichtig, weil wir - ich habe es gesagt - in den nächsten Tagen und Wochen möglicherweise viele Menschen Schutz bieten müssen.
  • Die Schutzsuchenden aus der Ukraine müssen kein ordentliches Asylverfahren durchlaufen. Damit können die regulären Asylstrukturen von Bund und Kantonen entlastet werden, die wir für die Asylsuchenden aus anderen Ländern brauchen, zum Beispiel Afghanistan oder Syrien.
  • Der Schutzstatus S ist auf ein Jahr befristet, kann aber verlängert werden, wenn der Krieg andauern sollte.
  • Er erlaubt es, Familienangehörige umgehend nachzuziehen. Das gilt für Ehegatten, eingetragene Partnerinnen und Partner und minderjährige Kinder. Es können aber natürlich ohnehin alle ukrainischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger frei reisen im Schengen-Raum und in diesen einreisen.
  • Der Schutzstatus S ist grundsätzlich ein temporärer Schutz für die Dauer des Krieges, das ist also vergleichbar mit der Vorläufigen Aufnahme. Wir gehen davon aus, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer in ihre Heimat zurückkehren wollen, sobald es die Lage zulässt. Das schliesst aber natürlich nicht aus, dass Personen, die individuell verfolgt werden, den dauerhaften Flüchtlingsstatus erhalten. Es ist also auch jederzeit möglich, ein Asylgesuch zu stellen.
  • Die aus der Ukraine vertriebenen Menschen können in der Schweiz auch privat untergebracht werden. Es gibt viele Privatpersonen und Haushalte, die sich bereit erklärt haben, Unterkünfte zur Verfügung zu stellen. Auch beim SEM sind viele solche Anfragen eingegangen. Die Solidarität in der Bevölkerung ist gross.
  • Und schliesslich können wir mit dem Schutzstatus S eine Regelung erreichen, die jener in der EU nahekommt. Wie Sie wissen, hat der Ministerrat gestern in Brüssel - ich habe an diesem Treffen teilgenommen - erstmals die Richtlinie für den Fall einer solchen Massenflucht aktiviert. Für die Schweiz gilt diese nicht, wir können die Richtlinie auch nicht einfach so übernehmen. Wir müssten sie ins Gesetz übernehmen und das dauert natürlich viel zu lang. Wir können den Schutzstatus S aber im Detail so ausgestalten, dass er der EU-Regelung weitgehend entspricht.

Wie die EU-Regelung genau aussehen wird, können wir heute noch nicht sagen. Die Innenminister haben gestern zwar den Grundsatzentscheid zur Aktivierung gefällt, jetzt werden aber noch die Details ausgearbeitet. Der Schutzstatus wird in Kraft treten, wenn er publiziert ist. Wir sind hier, denke ich, wirklich praktisch zeitgleich unterwegs. In einigen Punkten ist absehbar, dass es Anpassungen beim Status S braucht, um eine möglichst analoge Regelung wie die EU zu erreichen. Der Bundesrat schlägt darum insbesondere vor, die Wartefrist von drei Monaten für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu verkürzen. Ich komme gleich noch darauf: Wir werden in der Konsultation sehen, ob es gar keine Wartefrist, ein Monat oder zwei Monate Wartefrist geben wird. Wir werden schauen, was sich hier als mehrheitsfähig erweist.

Der zweite Punkt betrifft die Reisefreiheit. Personen mit Schutzstatus S brauchen nach dem Gesetz, das, glaube ich, 1999 für Reisen im Schengen-Raum erlassen wurde, grundsätzlich eine Bewilligung, die durch das Staatssekretariat für Migration erteilt wird. Das EJPD wird das Staatssekretariat aber anweisen, diese Bewilligung zu erteilen, damit sich die geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern im Schengen-Raum frei bewegen können. Es ist ja ohnehin so, dass sie frei in den Schengen-Raum einreisen können. Deshalb ist ihre Situation etwas anders als beispielsweise diejenige von vorläufig Aufgenommenen. Es ist wichtig, dass diese Menschen gerade in der Situation, in der sie sich befinden, auch mit ihren Angehörigen in Kontakt bleiben können.

Mesdames, Messieurs, la guerre de la Russie contre l'Ukraine concerne l'Europe entière. La Suisse fait partie de l'Europe. Et le Conseil fédéral a dit, la semaine dernière déjà, que la Suisse entend se montrer solidaire de l'Europe, et c'est ce qu'elle fera. Un déplacement de population de cette ampleur et de cette vitesse est une chose que nous n'avons plus connu en Europe depuis des décennies. Nous ne pourrons maîtriser cette situation qu'ensemble et c'est pour ça que nous coordonnons notre effort étroitement avec l'UE. Les décisions de Conseil fédéral d'aujourd'hui sont des décisions de principe. La loi prévoit que pour activer le statut de protection S, le Conseil fédéral doit d'abord consulter les cantons, les œuvres d'entraide et aussi le HCR. Concrètement, les villes, les communes et l'Organisation suisse d'aide aux réfugiés sont aussi consultées. Cette consultation a commencé aujourd'hui -maintenant dans ses minutes - et elle se poursuit jusqu'au milieu de la semaine prochaine. Le Conseil fédéral prendra ensuite sa décision définitive sur l'activation du statut de protection S.

Das Gesetz sieht vor, meine Damen und Herren, dass der Bundesrat eine Konsultation - nicht eine Vernehmlassung - durchführen muss. Es handelt sich heute also um einen Grundsatzentscheid. Konsultiert werden die Kantone, die Hilfswerke und namentlich auch das UNHCR. Wir werden auf die Städte, die Gemeinden und die Flüchtlingshilfe zugehen. Die Konsultation dauert bis zum nächsten Mittwoch. Es ist vorgesehen, dass der Bundesrat nächsten Freitag den definitiven Entscheid fällen kann.

Vielleicht noch ganz kurz etwas zu den Aktivitäten des SEM: Es wurden verschiedene Krisenstäbe einberufen, die wir schon kennen - intern, mit den Kantonen und den Partnern, mit denen wir zusammenarbeiten. Es sind Gefässe, die bekannt sind. Wir hatten sie auch während der Corona-Krise. Seit Mittwoch gibt es eine besondere E-Mail-Adresse beim SEM, wo Bürgerinnen und Bürger Fragen stellen können. Ein Team befasst sich ausschliesslich mit der Beantwortung dieser Bürgeranfragen. Seit heute - ich schaue Frau Staatssekretärin an - existiert zudem eine Hotline, wo man Fragen stellen kann. Es gibt Ukrainerinnen und Ukrainer in der Schweiz, die wissen wollen, wie das genau sei mit der Einreise. Es gibt Privatpersonen, die Unterkünfte zur Verfügung stellen wollen. Dafür wurde beim SEM eine Hotline eingerichtet und auch auf der Homepage werden verschieden Fragen beantwortet. Ich habe das nun einfach noch gesagt, weil die Fragen vielleicht kommen und Frau Staatssekretärin ist ja hier, um diese zu beantworten.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


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Servizio di comunicazione DFGP, T +41 58 462 18 18


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