«Wir haben auch dieses Jahr Sparmassnahmen vorgesehen»

Votum von Bundesrätin Widmer-Schlumpf anlässlich der Debatte zum Voranschlag 2016 der Eidgenossenschaft im Ständerat am 1. Dezember 2015.

Wir haben auch dieses Jahr, wie schon letztes Jahr, Sparmassnahmen vorgesehen, um das Budget 2016 schuldenbremsenkonform auszugestalten - dies aus zwei Gründen. Sie wissen es: Das Rechnungsergebnis 2014 hat gezeigt, dass die Einnahmen aus der direkten Bundessteuer nicht mehr die Dynamik aufweisen wie in den letzten Jahren, wie wir es gewohnt sind. Dann kam die Aufhebung des Mindestkurses des Schweizerfrankens in Bezug auf den Euro durch die Nationalbank dazu. Das hat dazu geführt, dass es trotz des negativen Leitzinses zu einer realen Abschwächung der Wirtschaft gekommen ist. Das war nicht voraussehbar [...]; der Bundesrat kann auch nicht viel dagegen tun. Es ist auch zu einem deutlichen Rückgang der Teuerung gekommen. Diese beiden Elemente haben dazu geführt, dass die Entwicklung viel schwächer war, als wir es eigentlich erhofft und in der Planung auch dargestellt hatten. Es ist ein eigentlicher volkswirtschaftlicher Schock, wenn Sie das anschauen, von 2014 und 2015 bis 2016; das wirkt sich bei den Bundeseinnahmen auch entsprechend aus. Ich werde noch auf die Bundeseinnahmen zu sprechen kommen: Das ist nämlich interessant in Bezug auf den Vorschlag einer Anpassung an die Migration.

Weniger Einnahmen vor allem bei Bundessteuer und Mehrwertsteuer

Wir stellen fest, dass die Schätzungen in Bezug auf die Einnahmen für 2016 in der Summe innerhalb eines knappen Jahrs, von Ende letzten Jahres bis heute, um 4,8 Milliarden Franken zurückgegangen sind; das sind rund 7 Prozent. Es ist Ihnen bekannt: Die grössten Korrekturen mussten wir bei der direkten Bundessteuer und bei der Mehrwertsteuer machen.

Dann gibt es auch Entlastungen auf der Ausgabenseite, vor allem dort, wo es um die Anteile geht, die direkt an die Einnahmen gebunden sind; das sind die Anteile der Kantone. Das hat gar nichts damit zu tun, dass man die Kantone von Bundesseite aus schlecht behandeln möchte, sondern es ist schlicht und einfach so, dass die Kantone 17 Prozent der direkten Bundessteuer erhalten. Wenn die direkte Bundessteuer weniger hoch ist, dann erhalten die Kantone auch etwas weniger. Das hat gar nichts damit zu tun, dass wir die Kantone schlechter behandeln wollen. Dasselbe gilt für die AHV und die IV: Auch dort besteht eine Bindung an die Einnahmen; das wissen Sie. Von daher haben wir auf der Ausgabenseite eine Entlastung - einfach deshalb, weil die Ausgaben direkt mit den Einnahmen zusammenhängen.

1,3 Milliarden werden eingespart 

Wir haben die Ausgaben um 2,5 Milliarden Franken reduzieren können. Es kommt noch hinzu, dass es dann, wenn wir den Konjunkturfaktor der Schuldenbremse anwenden können, noch einen Spielraum von 1 Milliarde Franken gibt.

Dieser Meccano ist Ihnen bekannt. Im letzten Jahr war es anders. Damals mussten wir für das Jahr 2015 aus konjunkturellen Gründen einen Überschuss von rund 400 Millionen Franken produzieren. Im Jahr 2016, mit diesem Konjunkturfaktor, könnten wir Ihnen ein Defizit von 600 Millionen Franken im Budget vorlegen und wären trotzdem schuldenbremsenkonform. Das heisst, dass wir, alles zusammengerechnet, Sparmassnahmen haben umsetzen müssen von 1,3 Milliarden Franken, um die Schuldenbremse einzuhalten. Genau diese 1,3 Milliarden Franken realisieren wir auch. Wir budgetieren dann mit einem Minus von rund 400 Millionen Franken, sodass wir einen strukturellen Spielraum von ungefähr 200 Millionen Franken haben. Ich hoffe, dass Sie jetzt im Rahmen der Budgetdebatte diese 200 Millionen Franken nicht gerade vollumfänglich aufbrauchen. Wenn ich die Anträge sehe, fürchte ich, dass wir nicht 200 Millionen Franken an Spielraum retten können. Es wäre aber sehr dringlich, dass zu machen.

2017-2019 werden weitere Massnahmen nötig um Haushalt zu stabilisieren 

Dann noch einen Ausblick auf die Legislaturfinanzplanung und die Risiken. [...] Wir haben tatsächlich Risiken bezüglich der Wirtschaftsentwicklung in der Finanzplanung drin. Wir gehen auch davon aus, dass diese 1,3 Milliarden Franken, die wir jetzt im 2016 umsetzen und in den nächsten Voranschlägen fortführen werden, sicherlich nicht ausreichen werden, um den Haushalt zu stabilisieren. Das ist der Grund, warum der Bundesrat ein Stabilisierungsprogramm mit einem Volumen von 800 Millionen bis 1 Milliarde Franken verabschiedet hat. In Klammern: Wir belasten weniger stark den Bereich EDI, also dort, wo es um die Altersvorsorge geht; und wir belasten weniger stark den Bereich VBS, also die Armeeentwicklung; die übrigen fünf Departemente haben ein zusätzliches Sparpotenzial vorgelegt, um diesen beiden Departementen zu helfen, die in einer etwas schwierigen Situation sind mit der Entwicklung, die dort auch notwendig ist. Es ist ein, denke ich, ausgeglichenes Stabilisierungsprogramm, das wir jetzt in die Vernehmlassung geschickt haben. Mir ist durchaus klar, wir sind uns bewusst, dass jede Interessengruppe der Auffassung ist, dass gerade dort es sicher nicht gehe. Nur: Man soll dann bitte auch sagen, wo es dann gehen könnte. Am Schluss muss man einfach ein Entlastungspotenzial von 1 Milliarde Franken haben.

Kostenfaktor Altersvorsorge 

Das Stabilisierungsprogramm wird in den Legislaturfinanzplan 2017-2019 eingearbeitet. Selbst wenn wir das alles realisieren, steht heute noch nicht fest, dass man nicht noch zusätzliche strukturelle Defizite ausgleichen muss. [...] Drei Faktoren sind im Moment oder aus heutiger Optik dafür verantwortlich; dies ohne jegliche Wertung: Das eine ist Ihr Beschluss im Ständerat mit Bezug auf die Altersvorsorge 2020.

Dieser Beschluss würde zu einer Mehrbelastung für den Bundeshaushalt führen, und zwar ab dem Jahr 2018 in der Höhe von 500 Millionen Franken, ansteigend dann auf 600 Millionen im Jahre 2019 und später noch weiter ansteigend. Das ist noch nicht in der Finanzplanung enthalten, das ist noch nicht berücksichtigt im Stabilisierungsprogramm.

Kostenfaktor Flüchtlingswesen 

Der zweite Punkt ist der Flüchtlingsbereich. Dieser beschäftigt uns [...]. Für den Flüchtlingsbereich gehen wir davon aus, dass die Kosten ab dem Jahr 2017 ansteigen werden wegen einer hohen Aufnahmequote und auch wegen einer voraussichtlich hohen Zahl von Asylgesuchen. Wir rechnen mit einem zusätzlichen Volumen von etwa 300 Millionen Franken in den nächsten Finanzplanjahren.

Weitere Risiken 

Dann haben wir im September zur Kenntnis genommen, dass die Teuerung für die Jahre 2015, 2016 erneut leicht nach unten korrigiert worden ist. Das wird sich bei der Mehrwertsteuer auswirken. Man wird bei der Mehrwertsteuer Mindereinnahmen generieren in der Grössenordnung von 150 bis 200 Millionen Franken. Ich sage Ihnen das, weil es immer Unsicherheiten gibt, selbst wenn wir jetzt das Budget umsetzen und das Stabilisierungsprogramm weiterführen. Es gibt immer noch viele offene Punkte. Das sind Risiken, die jedoch auch Chancen sein können, je nachdem, wie sich die Volkswirtschaft entwickeln wird. Wir gehen davon aus, dass die volkswirtschaftlichen Risiken immer noch beträchtlich sind. Wir stellen zwar fest, dass der Export nicht so stark zurückgegangen ist, wie man befürchtet hat, aber er braucht viel länger, um sich zu erholen, als wir gehofft haben. Wir sehen auch, dass die Inlandsnachfrage, die inländische Wirtschaft, sich mehr abschwächt, als wir gemeint und mit einbezogen haben. Es könnte auch sein, dass die Inflation in den nächsten Jahren sehr tief bleiben wird. Das hat dann auf die Einnahmen direkte Auswirkungen. Die grossen Unsicherheiten bleiben bestehen.

Finanzpolitische Weichenstellung geschehen im Parlament 

Es ist aber ein Irrtum zu meinen, dass wir die grossen finanzpolitischen Weichenstellungen im Budget machen: Die machen Sie mit dem Vorlagen, die Sie jetzt im Parlament diskutieren. Wenn Sie mit diesen Vorlagen Mindereinnahmen bzw. Mehrausgaben beim Bund bewirken, können Sie vorher noch die sauberste Finanzplanung machen, es hilft nichts: Sie werden sie wieder anpassen müssen, wenn vier, fünf Vorlagen mit Mindereinnahmen oder Mehrausgaben kommen. Das ist die Situation, die wir haben. Im Moment und in Bezug auf die nächsten Jahre ist die Sache im Griff, sofern keine zusätzlichen grossen Projekte hinzukommen, die nicht eingerechnet sind. Sonst wird man weitere Massnahmen vorschlagen müssen, um das in den Griff zu bekommen.

Gute Rahmenbedingungen sind wichtig

[...] das Wichtigste ist es, gute Rahmenbedingungen zu haben, um gute Arbeitsplätze zu haben, also attraktive Rahmenbedingungen zu haben. Sie haben auch gesagt, dass die Einsparungen, die wir machen, die 700 Millionen Franken, eigentlich nichts anderes sind als ein geringeres Wachstum. Das ist so, wir haben die Teuerung zurückgenommen.
Ich möchte einen Bereich [...] den Bereich Landwirtschaft, ansprechen.  [...]. Ich sage Ihnen: als man die AP 2014-2017 entwickelt hat, hat man gesagt, man schreibt die Beträge im Bereich Landwirtschaft nominal durch über vier Jahre, immer gleich. Man hat damals eine Teuerung von 1,1 Prozent pro Jahr eingerechnet. Diese Teuerung ist nicht eingetroffen. Man ist davon ausgegangen, dass das real über die ganze Dauer ein Minus von 1,1 Prozent geben würde. Das hat nicht stattgefunden.

Unser jetziger Vorschlag, nicht 3 Prozent Teuerung wie in den anderen Bereichen, sondern eine Teuerung von 2 Prozent Teuerung bei den Direktzahlungen zu machen, macht im Endeffekt ein Minus von 0,2 Prozent aus gegenüber der ursprünglichen Diskussion über die Nominalbeträge - nicht ein Minus von 1,1 Prozent. Es ist interessant, wenn man all diese Zahlen anschaut und schaut, was wir eingerechnet haben, womit wir gerechnet haben - mit einem Minus von 1,1 Prozent im Bereich Landwirtschaft -, und was wir jetzt in den Direktzahlungen für 2016 und 2017 umsetzen: minus 0,2 Prozent. Man kann immer über alles diskutieren. Aber man kann nicht dem Bundesrat vorwerfen, dass er wider Treu und Glauben gehandelt hat. Das ist nicht gerechtfertigt und ist auch nicht gerecht.

Ich denke, wir werden über den Bereich Landwirtschaft noch diskutieren, ich werde Ihnen gern noch ein paar Details zu diesen Berechnungen aufzeigen. Ich denke, wir müssen einfach über die Fakten sprechen. Dann kann man eine politische Wertung vornehmen.

Streit um Schätzmethode 

Zum Asylbereich: Sie haben Recht, man hat bereits Ende letztes Jahr gesagt, dass für 2015 - wir haben ja dann auch einen Nachtragskredit gemacht - die Zahlen, die wir für die Asylgesuche berechnet haben, nicht zutreffen würden. Im Juni machten wir das Budget für 2016 und die Eckwerte. Die Schätzmethode, wie wir sie haben, ist eine Schätzmethode, die man seit Langem anwendet. Jetzt können Sie sagen, sie sei nicht optimal. Da teile ich Ihre Auffassung. Aber es ist eine regelgebundene, also klar basierte Schätzmethode. Ende Juni haben wir, gestützt auf diese Schätzmethode, Asylgesuchszahlen für 2016 von 24 000 errechnet. Wir haben offengelegt, dass es im Oktober möglicherweise eine andere Zahl sein kann. Wir sind aber mit dieser Zahl ins Budget eingestiegen. Ich denke, es ist richtig, dass man dabei bleibt, im Wissen darum, dass Sie einen Nachtragskredit vorgelegt bekommen.

Wenn Sie jetzt irgendetwas anpassen und sagen würden, im Oktober seien es 30 000 Gesuche - das ist so, man hat den Kantonen mitgeteilt, dass man heute davon ausgeht -, dann ist das möglicherweise aber auch noch nicht der richtige Wert; das ist sehr volatil. Sie werden meines Erachtens nicht um einen Nachtragskredit herumkommen, auch nicht, wenn Sie mit 30 000 Gesuchen fahren. Was wollen Sie denn als gesicherte Grundlage für eine Budgetierung nehmen? Sie können nur von den regelgebundenen Schätzmethoden und von einem bestimmten Zeitpunkt ausgehen und dann aber auch transparent aufzeigen, dass sich einiges verändert hat und sich noch verändern wird, bis Sie den Nachtragskredit behandeln. Das ist die sauberere Methode, auch deshalb, weil sie ganz transparent ist und man im Moment, wo man über einen Nachtragskredit entscheidet, auch weiss, worüber man wirklich entscheidet.

Vorübergehende Mehreinnahmen 

Wenn man das nicht machen und bei dieser Position einfach die Zahl 30 000 nehmen will, frage ich Sie, warum wir dann die Einnahmepositionen nicht anpassen. Wir stellen heute fest, dass wir im September bei bestimmten Positionen 25 Prozent mehr Einnahmen hatten als in der gleichen Periode im Vorjahr. Das ist leider eine vorübergehende Tatsache, beziehungsweise es wird sich wieder relativieren. Warum das? Weil der Bund wegen der Negativzinsen Steuerrechnungen schneller bezahlt erhält, weil wegen der Negativzinsen bei der Verrechnungssteuer die Rückerstattungen im Moment noch nicht geltend gemacht werden. Das führt dazu, dass wir aktuell mehr Einnahmen haben als eigentlich budgetiert, und das ist auch die Grundlage für das Budget 2016. Nur ist das leider eine vorübergehende Erscheinung, das wissen wir, aber es führt dazu, dass unsere Rechnung Ende Jahr möglicherweise besser aussieht, als sie effektiv wäre, wenn alle Rückerstattungsansprüche bei der Verrechnungssteuer geltend gemacht worden wären. Ich sage Ihnen einfach: Es ist halt sehr viel volatil. Man muss sich für einen Zeitpunkt entscheiden, von diesem ausgehen und alles, was sich dann ändert, auffangen. Entweder sieht man, dass bei den Einnahmen die Situation halt etwas anders ist, oder man sieht es bei den Ausgaben und reagiert mit einem Nachtragskredit.  

 

(Titel und Zwischentitel sind von der Redaktion admin.ch gesetzt. Quelle: Amtliches Bulletin des Parlaments)

Ganze Debatte zum Budget 2016

Dernière modification 03.12.2015

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