Ausführungen zu aktuellen politisch-volkswirtschaftlichen Fragen

Zürich, 15.01.2021 - Referat von Bundespräsident Guy Parmelin, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung anlässlich der 33. Albisgüetli-Tagung

Liebe Freunde der Zürcher SVP
Sehr verehrte Gäste
Meine Damen und Herren,

Diese 33. Ausgabe der Albisgüetli-Tagung wird zweifellos in die Geschichte eingehen. Nicht nur weil ich hier zum ersten Mal auftreten darf, sondern weil sie zum ersten Mal als digitale Versammlung stattfindet.

Natürlich bedaure ich, dass wir uns nicht wie sonst im traditionellen Schützenhaus befinden und uns direkt sehen können. Gerne hätte ich mich mit Ihnen im gleichen Saal über unser Land unterhalten, das uns so sehr am Herzen liegt. Trotzdem bin ich froh, dass Sie diese traditionelle Veranstaltung dennoch durchführen. Das freut mich als Bundespräsident aber auch als Innovationsminister sehr. Vielen herzlichen Dank auch, dass Sie mich dazu eingeladen haben.

Klar, wir alle hoffen, dass dies das erste und letzte Mal sein wird, dass die Albisgüetli-Tagung in dieser Form stattfindet. Schliesslich geht es bei diesem Anlass immer auch um die Geselligkeit und den freundschaftlichen Austausch rund um die Werte, die uns hier vereinen. Unsere Werte!

Die gesamte Schweiz, ja fast die ganze Welt, lebt seit bald elf Monaten unter dem Diktat der Corona-Pandemie. Als ich am vergangenen 1. August in Brusio eine Rede hielt, gedachte ich der 1700 Toten sowie der 35 000 Personen, die in der Schweiz bis zu diesem Zeitpunkt an Covid erkrankt waren. Aber diese Zahlen sind schon längst überholt. Inzwischen sind es fast eine halbe Million positiv getesteter Menschen und fast 8000 Verstorbene.

Die epidemiologische Situation hat sich in den letzten Tagen nochmals grundlegend verändert. Neue Virus-Varianten erhöhen das Risiko einer weiteren massiven Gesundheitskrise. Wir sehen das bereits in einigen Ländern. Und auch bei uns gibt es diese Virus-Varianten. Den kleinen Vorsprung, den wir auf andere Länder haben, gilt es nun zu nutzen.

Deshalb sah sich der Bundesrat gezwungen, diese Woche noch härtere, ja drastische Massnahmen zu beschliessen. Es ging dabei nur darum, das oberste Ziel zu erreichen, nämlich den Schutz der öffentlichen Gesundheit zu garantieren. Aber natürlich werden diese Massnahmen einschneidende Auswirkungen auf die Wirtschaft und auf alle Bürgerinnen und Bürger haben. Dessen ist sich der Bundesrat durchaus bewusst.

Sie können versichert sein, dass der Bundesrat – übrigens mit allen Meinungen auf dem Tisch - diesen Entscheid nicht leichtfertig gefällt hat. Auch wenn wir gute Schutzkonzepte haben – wie zum Beispiel in den Läden – geht es dem Bundesrat darum, dass möglichst viele direkte Kontakte zwischen den Menschen vermieden werden sollen.

Ich weiss, dass die Meinungen über die Massnahmen weit auseinandergehen.Aber: Ich rufe Sie an dieser Stelle nochmals auf: Wir müssen in dieser wirklich schwierigen Situation – egal welcher Meinung wir haben – nochmals zusammenstehen und gemeinsam einen Effort leisten.

Lassen Sie mich hier etwas wiederholen, was ich schon am Mittwoch an der Medienkonferenz des Bundesrates gesagt habe. Das Virus hat dann am meisten Freude, wenn wir uns wegen den unterschiedlichen Meinungen nun hoffnungslos zerstreiten, gleichzeitig alle Massnahmen vergessen und uns gegenseitig anstecken. Ich danke Ihnen allen für Ihre tatkräftige Unterstützung - auch im Wissen darum, dass viele von Ihnen auch wirtschaftlich direkt von den Massnahmen betroffen sind.

Dieses Virus hat unser Leben auf den Kopf gestellt: In den Medien steht es im Mittelpunkt. In der Politik dreht sich fast alles nur noch darum. Gleichzeitig kostet es unglaubliche Mengen an Ressourcen. Nicht nur im Gesundheitsbereich, dem ich hier für seinen Einsatz besonders danken möchte, sondern auch in der Bundeskasse. Die von der Regierung bisher beschlossenen Hilfspakete dienen dazu, Entlassungen möglichst zu vermeiden, Stellen zu erhalten, die Löhne zu sichern und die Selbstständigen zu unterstützen. Ohne diese Hilfe, – erlauben Sie mir, das hier zu sagen –, hätten wir die Schweizer Wirtschaft schon lange an die Wand gefahren.

Aber glücklicherweise ist die «Maschine Schweiz» nicht ganz zum Stillstand gekommen, sondern funktioniert weiter. Sie funktioniert sogar relativ gut, abgesehen von jenen Branchen, die von der Gesundheitskrise besonders stark betroffen sind, wie etwa das Gastgewerbe, die Hotellerie, die Kultur, die Freizeit, aber nun auch der Handel.

Das Brutto-Inland-Produkt als Kennzahl ist gemäss den Expertinnen und Experten des Bundes im vergangenen Jahr «nur» um 3,3 Prozent zurückgegangen. Diese Zahl scheint – auch international – vergleichsweise tief angesichts des allgemeinen Wirtschaftsabschwungs und des im letzten Juni erwarteten Rückgangs um 6,2 Prozent. Trotzdem ist es der stärkste Rückgang seit 1975!

Das alles hat sich auch auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt. Ende 2020 lag die Arbeitslosenquote in unserem Land bei 3,5 Prozent, das ist knapp ein Prozentpunkt mehr als vor einem Jahr. Es gibt vor allem einen Grund, warum es nicht mehr Arbeitslose gibt in unserem Land: die Möglichkeit für Kurzarbeit. Stellen Sie sich vor: Letzten April waren ein Viertel aller Angestellten in der Schweiz in Kurzarbeit! So etwas hat es noch nie gegeben. Dank diesem Instrument konnten wir bisher zahlreiche Arbeitsplätze retten, Einkommen sichern und Konkurse vermeiden. Die Kurzarbeit hat sich äusserst bewährt. Sie ist – zusammen mit dem Corona-Erwerbsersatz, den Covid-Krediten vom letzten Jahr und den nun anlaufenden Härtefallhilfen - die tragende Säule in der Strategie des Bundes zur Abfederung der Auswirkungen der Krise. Diese Strategie war nur dank der ausserordentlich guten finanziellen Verfassung unseres Landes möglich. Aber in diesem Bereich hat die Schweiz ja glücklicherweise auch einen sehr guten Leibarzt aus unseren eigenen Reihen!

Die Kurzarbeit hat den Bund trotzdem sehr viel Geld gekostet. Letztes Jahr waren es 9,2 Milliarden Franken. Mehr als die Hälfte dieses Betrags ging an produzierende Betriebe, vor allem in der MEM- und in der Uhrenindustrie, sowie an Gastronomie/Hotellerie und an kaufmännische Betriebe. Das zeigt, dass wir als Bund alles versucht haben, damit wir niemanden im Regen stehen lassen müssen!

Ich weiss, es wird von mir erwartet, dass ich hier nicht nur über Corona spreche. Ich möchte deshalb auch ein oder zwei Worte zum Thema Europa sagen. Das gehört zu diesem Anlass wie das Amen in die Kirche. Denn ohne Europa, kein Geflüster, kein Raunen, das durch die Menge geht. Europa gehört einfach dazu beim Albisgüetli…

Wo der Bundesrat derzeit steht, ist bekannt: Wir verlangen von der EU Klärungen zu einigen wichtigen Punkten des Rahmenabkommens. Zu diesem Zweck hat sich die Regierung vor kurzem auch die Dienste einer neuen Chefunterhändlerin gesichert, die nun für das Dossier zuständig ist. Wir sind jederzeit bereit, um mit der EU zu sprechen.

Auch wenn die Gespräche schon seit bald sieben Jahren andauern, müssen wir uns unbedingt die Zeit geben, die es für diese von uns geforderten Klärungen braucht. Erst dann können wir entscheiden. Ich weiss sehr wohl, dass es ein heikles Thema ist, vor allem für unsere Souveränität und den Wohlstand unseres Landes. Und diese Werte werde ich/wird der Bundesrat nicht so leicht preisgeben. Wie ich in meiner Neujahrsansprache schon sagte: Wir müssen auch hier zusammenstehen und für unsere Interessen einstehen. Unsere Freiheit und Unabhängigkeit haben Priorität. Das war schon immer meine Meinung und ich kann Ihnen versichern, dass dies auch als Bundespräsident meine Meinung bleibt.

Lassen Sie mich aber eines betonen: Bei uns hängt nicht alles vom Schicksal des Rahmenabkommens ab. Die Schweiz verfügt ausserhalb der EU über ein Netzwerk von gut dreissig Abkommen mit rund vierzig Partnerstaaten, darunter Japan und China, das ja – und das sollten wir nicht vergessen – nach den USA unser drittgrösster Handelspartner ist. Erlauben Sie mir, dass ich es in einer Sprache sage, die mir sehr am Herzen liegt : The heart of Switzerland is also beating overseas!

Solche Abkommen fallen nicht einfach vom Himmel. Auch wenn der Welthandel momentan mit angezogener Handbremse läuft und die internationale Wirtschaftslage nicht gerade rosig aussieht, müssen wir wirtschaftlich gesehen täglich unsere Hausaufgaben machen: Wir müssen unermüdlich Ausschau halten, den Dialog suchen und Vertrauen schaffen bei unseren Partnerländern und solchen, die es werden könnten: Zum Beispiel Indien, Vietnam oder Malaysia, um nur drei zu nennen.

Deshalb werde ich mich auch mit aller Kraft für das Wirtschaftsabkommen einsetzen, das wir über die EFTA mit Indonesien abgeschlossen haben: Nicht nur, weil dieses Abkommen uns einen riesigen Markt erschliesst, sondern auch, weil es Umwelt- und Sozialstandards enthält, für die sich die Schweiz engagiert. Aus diesem Grund möchte ich Ihnen ans Herz legen, an der Abstimmung vom 7. März dem Freihandelsabkommen mit Indonesien zuzustimmen. Unsere Unternehmen brauchen diesen Absatzmarkt in einem Land, das sage und schreibe 270 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner zählt.

Was immer auch kommen mag, wir müssen vorausschauen und offen bleiben für weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit, insbesondere mit dem Vereinigten Königreich, oder – warum auch nicht – mit Asien. Für ein kleines Land wie wir es sind und mit unserem grossen Erfindergeist sind grundsätzlich alle Optionen interessant.

Mir scheint es derzeit besonders wichtig, dass wir neben der Bewältigung der Krise auch die Voraussetzungen für den Aufschwung nach der Krise schaffen. Das heisst, wir müssen die Rahmenbedingungen so gut wie möglich gestalten und wenn immer möglich optimieren.

Für mich ist es zudem wichtig, dass wir das Vertrauen in uns und unsere Stärken behalten. Es wird eine Zeit nach der Krise geben und wir müssen bereits jetzt daran arbeiten.

Noch selten herrschten in den letzten Jahrzehnten solch schwierige Zeiten, und selten waren sie gleichzeitig so herausfordernd. Ich bin höchst motiviert, die von mir genannten Ziele zu erreichen und die dazu gehörenden Strategien zu entwickeln. Damit will ich meine Hoffnung bekräftigen, dass wir alle möglichst bald von diesem Virus befreit werden. Dieses Virus untergräbt die Motivation unserer Bevölkerung und hält uns davon ab, an dem zu arbeiten, was wirklich wichtig ist. Wir müssen an den zukünftigen Erfolgen unseres Landes arbeiten und am helvetischen Geist und Zusammengehörigkeitswillen, der diese Erfolge möglich macht.


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