28. Oltner Kabarett-Tage

Berne, 29.04.2015 - Eröffnung am 29. April 2015 – Begrüssungsworte von Bundeskanzlerin Corina Casanova

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde des Kabaretts


Sie fragen sich vielleicht, wieso heute ausgerechnet die Bundeskanzlerin vor Ihnen steht – diese Person, die doch eher ein trockenes Amt ausübt. Oder Sie fragen sich vielleicht auch ganz allgemein, was denn Politik und Verwaltung mit dem Kabarett zu tun haben könnten. Nun, ich antworte Ihnen ganz trocken und ernsthaft: Ziemlich viel.

Das wichtigste Instrument der Verwaltung ist die Sprache – genau wie beim Kabarett. Eine weitere Gemeinsamkeit besteht darin, dass auch unsere Texte zuweilen für Lacher sorgen.

Womit ich allerdings schon bei den Unterschieden angekommen wäre: Im Kabarett soll gelacht werden. Anders bei der Bundesverwaltung: Wenn Gesetze lachhaft sind, Verordnungen lächerlich oder Mitteilungen des Bundes komisch, ist bei uns wohl etwas schief gelaufen…
Was – behaupten jedenfalls böse Zungen – ja auch hin und wieder vorkommen soll. Jedenfalls bieten Politik und Verwaltung – also das «Kabarett da oben in Bern» – den Kabarettistinnen und Kabarettisten immer wieder Stoff für ihre Auftritte – ob freiwillig oder unfreiwillig, sei hier mal dahingestellt.

Keinen Zweifel möchte ich hingegen daran lassen, dass es die richtigen Kabarettistinnen und Kabarettisten braucht, weil der Staat auf kritische Stimmen angewiesen ist – sei es in den Medien, an Podiumsdiskussionen, am Stammtisch oder eben im Kabarett. Nur wenn all diese kritischen Stimmen sich manifestieren können, kann Demokratie funktionieren.

Es stellt sich aber natürlich die Frage, wie weit politisches Kabarett bei dieser Kritik gehen darf. Oder, mit Kurt Tucholsky gefragt: Was darf Satire? Die Frage ist nicht erst seit «Charlie Hebdo» aktuell, hat aber seither dramatisch an Aktualität, an Brisanz gewonnen. Mit ihren Auftritten nehmen die Kabarettisten uns – also die Regierung, das Parlament, die Verwaltung – ganz schön auf die Schippe. Und auch andere, etwa die Wirtschaft oder die Kirchen und Religionen – schonen sie nicht in ihren Programmen. Immer wieder loten sie dabei die Grenzen des noch Sagbaren aus, zuweilen spotten sie auch jenseits dessen, was die sogenannt breite Masse wohl noch als Satire empfindet. Und es gehört zu ihrem Geschäft, dass die Betroffenen das nicht immer lustig finden. Ja, die Kabarettistinnen und Kabarettisten würden wohl Ihre Arbeit schlecht machen, wenn die Objekte ihrer Arbeit stets freudig mitlachen würden.

Auf die Gefahr hin, dereinst selber Opfer solcher Satire zu werden, möchte ich die Kabarettistinnen und Kabarettisten ermuntern, diese Grenzen weiter auszuloten. Starke, gefestigte Personen und Institutionen können damit nämlich bestens umgehen. Wer von seinen Prinzipien und Haltungen im Innersten überzeugt ist, wird auch der noch so derben Satire gegenüber gelassen bleiben. Wer über genügend Selbstvertrauen verfügt und mit beiden Beinen auf dem Boden steht, lässt sich auch von noch so bissiger Satire nicht so leicht aus der Bahn werfen. Ja vielleicht wäre er oder sie gar etwas beleidigt, wenn er oder sie nicht ab und zu durch den Kakao gezogen würde...
Nur autoritäre, unsichere, hadernde Personen und Institutionen lassen sich von der Satire aus der Ruhe bringen. Nur unfreie oder ungesunde Gesellschaften und Regimes reagieren mit Verboten oder gar mit Gewalt auf Satire. Selbstverständlich setzt auch eine freie Gesellschaft der Satire Grenzen, zum Beispiel dort, wo sie mit dem Gesetz in Konflikt gerät. Aber diese Grenzen sind sehr weit zu ziehen.
Der starke, selbstbewusste Staat zeichnet sich im Übrigen nicht nur durch grosse Toleranz gegenüber Satire, Kabarett und andere Formen der Kleinkunst aus. Sondern er anerkennt und fördert sie in ihrer ganzen Breite. Mit einer Defizitgarantie für Veranstalter unterstützt etwa der Kleinkunstfonds der Kulturstiftung Pro Helvetia Auftritte von Künstlerinnen und Künstlern ausserhalb ihrer Sprachregion und ausserhalb der grossen kulturellen Zentren. Seit diesem Jahr finanziert das Bundesamt für Kultur ausserdem den traditionsreichen Schweizer Kleinkunstpreis: Damit soll Bühnenschaffen aus Genres wie Zirkus, Komik und Kabarett vom Bund gewürdigt werden. An der Schweizer Künstlerbörse hat vor wenigen Wochen Pedro Lenz die diesjährige Auszeichnung erhalten.


Lassen Sie mich zum Schluss ein Lob auf die Satire im Allgemeinen und das Kabarett im Besonderen aussprechen.
Es bringt uns zum Lachen – und Nachdenken: Das ist unendlich wertvoll! Machen Sie uns daher weiterhin nachdenklich und bringen Sie uns weiterhin zum Lachen – bis auch bei der trockensten Bundesbeamtin kein Auge mehr trocken bleibt. Ein dickes Lob geht natürlich auch an Veranstaltungen wie die Oltner Kabarett-Tage. Sie stellen nicht nur mehr oder weniger etablierte Künstlerinnen und Künstler ins wohl verdiente Rampenlicht, sondern sie ermöglichen auch immer wieder spannende Neuentdeckungen.


In diesem Sinne danke ich Ihnen ganz herzlich für die Einladung und freue ich mich ganz besonders auf den heutigen Abend mit Jochen Malmsheimer.


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