E-ID und Vertrauensinfrastruktur

Berne, 29.05.2024 - Allocution du Conseiller fédéral Beat Jans au ParlDigi-Dinner

La parole prononcée fait foi (ce contenu n'est pas disponible en français)

 

Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Bundesversammlung
Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Bundesverwaltung
Geschätzte Damen und Herren

Ich habe das Vergnügen, Ihnen zwischen Vorspeise und Hauptgang ein elektronisches Amuse-Bouche servieren zu dürfen. Und ich verspreche Ihnen: Es ist für Vegetarierinnen und Veganer genauso unproblematisch wie für diejenigen, die auf die Waage schauen.

Sie wissen es: es geht um die elektronische Identität E-ID und die dazu gehörende Vertrauensinfrastruktur.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Dieses Geschäft macht mir grosse Freude. Es hat mir im Parlament einen tollen Einstand beschert, vielen Dank dafür! Noch nie habe ich so viel parlamentarisches Wohlwollen erlebt wie mit der E-ID - für einen Bundesrat ist das schon fast etwas unheimlich!

Meine Freude beruht aber nicht nur auf der grossen politischen Unterstützung für dieses. Sie beruht vor allem auf einer Überzeugung: Mit der E-ID und der Vertrauensinfrastruktur leisten wir einen wichtigen Beitrag zur digitalen Transformation der Verwaltung und zur Weiterentwicklung von Rechtsstaat und Demokratie im digitalen Raum. Und damit auch zu Wohlfahrt und Sicherheit.

Bei aller Freude möchte ich aber klarstellen: Bis jetzt ist mein Beitrag in dieser Sache überschaubar. Ich profitiere stark von den Vorarbeiten meiner beiden Kolleginnen Karin Keller-Sutter und Elisabeth Baume-Schneider.

Es ist mir auch klar, dass die E-ID noch nicht «gegessen» ist. Meine Aufgabe ist es deshalb jetzt, das Geschäft auch durch den Zweitrat zu bringen. Anschliessend müssen wir abwarten, ob ein Referendum ergriffen wird. Momentan gibt es dafür keine Anzeichen. Aber wir müssen an alle Eventualitäten denken. Und auch wenn das neue E-ID Gesetz in Kraft treten kann, muss es der Bundesverwaltung gelingen, dieses Vorhaben technisch fristgerecht umzusetzen.

Dass grosse IT-Projekte keine Selbstläufer sind, muss ich Ihnen nicht erklären. Die E-ID ist mit zusätzlichen Herausforderungen konfrontiert. Lassen Sie mich drei hervorheben:

  1. Wie Sie wissen, ist geplant, dass die Inhaberinnen und Inhaber einer E-ID diese auf ihrem Smartphone aufbewahren. Damit begibt sich der Bund in eine Abhängigkeit gegenüber den Geräteherstellern. Heute sind Smartphones in wichtigen Bereichen eine Blackbox und der souveräne Staat hat kaum eine Handhabe gegenüber BigTech.
  2. Die E-ID wird nicht zum Selbstzweck eingeführt, sondern, damit medienbruchfreie Dienstleistungen möglich werden. Um beim kulinarischen Bild zu bleiben: Die Einführung der E-ID entspricht dem Tischdecken. Satt wird davon niemand.
    Vielmehr geht es darum, die E-ID in unzählige Prozesse einzubinden, allenfalls auch organisatorische Anpassungen vorzunehmen oder gar eine Produkteinnovation zu wagen. Was heisst das konkret? Die E-ID entsteht nicht im luftleeren Raum, sondern muss in komplexe technische und organisatorische Landschafen integriert werden. Will heissen: unzählige veraltete Hard- oder Software, also so genannte Legacy-Systeme, müssen weiterentwickelt - oder gar ersetzt werden. Für die öffentliche Verwaltung stellt sich zudem die Frage, wie mit den departementalen und föderalen Strukturen umzugehen ist. Hier ist vieles noch ein Erbe des 19. Jahrhunderts und steht quer zu den heutigen, globalisierten Realitäten.
  3. Im Zusammenhang mit unserer Abhängigkeit von den Smartphone-Herstellern habe ich es schon angedeutet: Es geht immer auch um Fragen der Sicherheit. Nicht nur der Sicherheit der Daten einer einzelnen Person, sondern auch um die Sicherheit der ganzen Infrastruktur.


Werden die E-ID und die Vertrauensinfrastruktur ein Erfolg - und ich bin überzeugt das werden sie - müssen wir zwingend auch an die Staatssicherheit denken. Wir leben in bewegten Zeiten - Stichwort Krieg in der Ukraine und hybride Kriegsführung. Es muss uns gelingen, dass die E-ID nicht einfach eine weitere Angriffsfläche für Cyberattacken bietet. Vielmehr soll sie die Cyberresilienz der Schweiz erhöhen.

Wie können wir diese Herausforderungen meistern? An erster Stelle steht natürlich Kompetenz. Insgesamt arbeiten bereits über 80 Personen an der E-ID. Sie alleine sind aber nicht in der Lage, dieses Vorhaben zum Erfolg zu führen.

Daher hat der Bundesrat entschieden, die E-ID in einem möglichst transparenten und partizipativen Prozess zu erarbeiten. Das schrittweise Vorgehen ermöglicht, schnell aus Fehlern lernen und besser auf die Anforderungen der Nutzerinnen und Nutzer eingehen zu können. Was heisst das konkret?

Neben einer regulären Vernehmlassung zum Gesetzesentwurf haben wir zusätzlich zwei informelle Konsultationen durchgeführt. Wir betreiben eine Projektwebseite und publizieren viele unserer Unterlagen und den von uns geschriebene Code auf einer Kollaborationsplattform. Das E-ID-Programm berichtet monatlich in öffentlichen Videokonferenzen über den aktuellen Stand der Arbeiten; immer auch mit externen Beiträgen. Am Partizipationsmeeting Anfang Mai nahmen über 250 Personen teil.

Seit gut einem Jahr betreiben wir eine Sandbox, also eine geschützte technische Umgebung, in der Interessierte mit den Technologien der E-ID experimentieren können.

Seit kurzem läuft im Kanton Appenzell Ausserrhoden zudem ein Pilotprojekt: Personen, die Autofahren lernen und ihre Theorieprüfung bestanden haben, können ihren Lernfahrausweis nicht nur auf Papier, sondern neu auch elektronisch beziehen. Mit dem elektronischen Lernfahrausweis haben wir nun erstmals die Möglichkeit, Konzepte und Technologien, die später für die E-ID zum Einsatz kommen sollen, in der «freien Wildbahn» zu testen. Wir erhoffen uns dadurch Antworten auf folgende Fragen:

  • Können die Nutzerinnen und Nutzer - also die Fahrschülerinnen und -schüler, die Fahrschulen, die Polizei usw. mit unseren Apps umgehen?
  • Vertrauen Sie unseren Systemen und nutzen sie diese?
  • Funktioniert im Hintergrund das Zusammenspiel der verschiedenen Systeme, Prozesse etc.? Einfach eine App in den App-Store stellen reicht nicht: Wir haben alle Polizeien der Schweiz und des Fürstentums Liechtenstein geschult. Wir überwachen die Systeme auf Anomalitäten und bieten Support, falls jemand Schwierigkeiten mit dem elektronischen Lernfahrausweis hat.

Damit ist dieses Pilotprojekt für das E-ID-Programm eine grosse Chance. Wir können damit in vielen Bereichen konkrete Erfahrungen machen und diese in die Entwicklung der E-ID einfliessen lassen.

Dieser sorgfältige Prozess bedingt natürlich viel Arbeit und verursacht auch Kosten. Ich bin aber überzeugt: Das ist gut investiertes Geld. Ohne Transparenz und Partizipation wird es uns nicht gelingen, die erwähnten Herausforderungen zu meistern und das Vertrauen der Nutzerinnen und Nutzer zu gewinnen.

Ich bin überzeugt: Dieses partizipative Vorgehen bewährt sich. Sogar so gut, dass man es auch als Blaupause sehen kann für andere, ähnlich gelagerte Vorhaben. Entsprechende Wünsche wurden mir schon von verschiedener Seite zugetragen und ich meine, dass der Bund in Sachen Transparenz und Partizipation noch einen Zacken zulegen kann. Denn vergessen wir nicht: Unsere Chefin ist die Bevölkerung - und deren Vertrauen müssen wir uns immer wieder neu erarbeiten.

Wie geht es nun weiter?

Ich habe es erwähnt, wir haben kürzlich eine informelle Konsultation durchgeführt zur Frage, mit welchen Technologien die initiale E-ID umgesetzt werden soll. Verkürzt formuliert geht es darum, ob sich der Bund an das Vorgehen der EU anlehnen will oder aber, ob er dem Schutz der Privatsphäre ein noch grösseres Gewicht beimessen soll. Beide Varianten haben ihre Vor- und Nachteile, entsprechend ausgewogen waren die ca. 100 Stellungnahmen. Diese werden nun ausgewertet und ein Entscheid wird so schnell wie möglich bekanntgeben.

Dieser Entscheid ist für das E-ID-Programm wichtig. Wir müssen wissen, mit welcher Technologie die E-ID entwickelt werden soll. Der Technologie-Entscheid ist auch für alle anderen Behörden und alle Firmen wichtig, welche die E-ID in ihre Prozesse einbauen wollen.

Für nächstes Jahr ist geplant, das Pilotprojekt elektronischer Lernfahrausweis auf alle Kantone und alle Fahrzeugkategorien zu erweitern. Wenn alles gut geht, kann 2026 das E-ID-Gesetz in Kraft treten und der Bund damit beginnen, elektronische Identitäten auszustellen.

Meine Damen und Herren

In meiner Einleitung habe ich Ihnen ein elektronisches Amuse-Bouche versprochen. Auch wenn dieses ohne Kalorien daherkommt, gebe ich zu, dass er ziemlich nahrhaft ist. Ich hoffe, es liegt niemandem schwer auf dem Magen.

Ich wünsche Ihnen beim Hauptgang guten Appetit - freue mich auf die anschliessenden Ausführungen von Nationalrat Gerhard Andrey und stehe - zum Dessert - für Fragen und Diskussion gerne zu Verfügung.

En Guete!


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