1986 - Neujahrsansprache von Bundespräsident Alphons Egli

1. Januar 1986 - Es gilt das gesprochene Wort

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Gastarbeiter und Gäste unseres Landes,

Neujahr ist der Tag, an welchem sich die Menschen gegenseitig Glück wünschen. Ich bin fest überzeugt, dass ein Glückwunsch, wenn er ganz von Herzen kommt, etwas zu seiner eigenen Erfüllung beiträgt. In diesem Sinne wünscht der Bundesrat Ihnen allen ein glückhaftes und gesegnetes neues Jahr. Lasst uns mit Frohmut und Zuversicht dieses neue Jahr beginnen. Griesgram nützt niemandem etwas. Nehmen wir nicht alles mit tierischem Ernst. Ja nicht einmal den Bundesrat sollen Sie zu ernst nehmen, denn auch er besteht nur aus Menschen, die ihr Bestes tun wollen, denen aber auch nicht alles gelingt. Wollen Sie dieses Misslingen nicht mit Unfähigkeit, schlechtem Willen oder gar mit moralischem Defekt abtun. In unserer endlichen Welt bleibt alles menschliche Handeln notgedrungen Stückwerk und unvollkommen .

Es gibt unter uns Mitbürger und Mitbürgerinnen, die Mühe haben, an das Glück zu glauben, weil sie körperlich oder seelisch krank oder von anderen Sorgen geplagt sind. Möge jeder von uns, wie und wo er kann, zur Linderung der Leiden unserer Mitmenschen beitragen. Auch Leiden kann nicht völlig sinnlos sein. Teilen Sie meine Überzeugung, dass ausgeglittenes Leid irgendwo registriert wird und sich letztlich zum Segen des Leidenden, aber auch der menschlichen Gemeinschaft als Ganzer auswirkt.

Ich wende mich jetzt an unsere Jugend. Wir haben soeben das Jahr der Jugend abgeschlossen. Viele von Euch sind der Meinung, es sei zu viel über die Jugend gesprochen worden, aber es habe sich nichts geändert. Dem ist nicht ganz so. Manch einer hat im abgelaufenen Jahr der Jugend gelernt, den jungen Leuten besser zuzuhören. Ich habe selbst diese Erfahrung gemacht. Auf Bundesebene bereiten wir ein Gesetz vor, welches die Jugendorganisationen als Gesprächspartner der Regierung anerkennt und ihre finanzielle Unterstützung und andere Förderungsmassnahmen rechtlich absichert. Das Wichtigste scheint mit aber zu sein, dass Ihr das bewahrt, was mich in den vielen Gesprächen mit Euch und Euresgleichen am meisten beeindruckt hat: Euren unbedingten Glauben an den Sinn des Lebens und den Willen, trotz allen Enttäuschungen und Schwierigkeiten an der Gestaltung unserer Gemeinschaft mitzuwirken.

Auf das Jahr der Jugend folgt das Jahr des Friedens. Die ganze Menschheit sehnt sich nach Frieden. Wir können nicht beruhigt sein, solange irgendwo auf der Welt noch Krieg herrscht. Sie haben wie Millionen von Menschen die kürzliche Begegnung zwischen den Führern der beiden Weltmächte in Genf mitverfolgt. Auch wenn noch keine greifbaren Resultate sichtbar sind, so haben sich doch diese beiden Männer in die Augen geschaut und sich davon überzeugt, dass sie beide den Frieden suchen. Das ist nach Jahren der Konfrontation, des Misstrauens und gesteigerter Aufrüstung nicht wenig. Auch wir können etwas zum Frieden beitragen, indem wir unser Land und unsere Leute weiterhin überall zur Verfügung stellen, wo es gilt, Frieden zu stiften. Darüber hinaus haben wir auch sonst vielfältige Möglichkeiten, beim Abbau der Spannungen mitzuhelfen, durch tätige Hilfe an die, die unter grossen Anstrengungen versuchen, sich aus Armut und Elend, der Ursache vieler Konflikte in der Welt, zu befreien. Denn ohne soziale Gerechtigkeit, ohne Anerkennung der Menschenrechte kann es keinen Frieden geben. Wir müssen aber auch moralisch und physisch unser Land stark erhalten, damit wir niemandem Anlass geben, unseren Frieden zu stören.

Diese drei Wünsche, für die Kranken und Unglücklichen, für die Jugend und für den Frieden, möchte ich an den Anfang dieses Jahres stellen, in der Hoffnung auf Gottes Beistand und Hilfe.

Letzte Änderung 01.12.2015

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