1982 - Neujahrsansprache von Bundespräsident Fritz Honegger

1. Januar 1982 - Es gilt das gesprochene Wort

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

Das Jahr 1981 gehört der Vergangenheit an. Es wurde vielerorts in der Welt von grossen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen geprägt. Neue Regierungen haben mit neuen Programmen die Szene gewechselt. Wirtschaftliche Schwierigkeiten haben nationale Volkswirtschaften in Bedrängnis gebracht. Grosse und kleine Betriebe mussten ihre Tore schliessen. Millionen von Menschen sind arbeitslos. Zusätzlich zu den grossen materiellen Entbehrungen wurden Völker all ihrer Grundrechte beraubt.

Gemessen an solchen Ereignissen war das vergangene Jahr für uns Schweizer doch noch ein gutes Jahr. Dafür wollen wir dankbar sein. Wirtschaftszahlen und internationale Vergleiche weisen unserem Land nach wie vor einen günstigen Platz zu, wenn auch bei uns der Himmel nicht überall wolkenlos war. Die Teuerung ist auch bei uns emporgeschnellt, und der Anstieg der Hypothekarzinsen hat Unruhe und Besorgnis ausgelöst. Aber all dies berechtigt nicht zu sagen, es sei uns gesamthaft schlecht gegangen.

Indessen darf uns die Erkenntnis, dass wir Schweizer im Vergleich zu anderen Völkern besser dastehen, nicht zu einem übertriebenen Optimismus verleiten. Die gegenwärtigen internationalen Verhältnisse mahnen zu Vorsicht und Wachsamkeit.

Am gleichen Strick ziehen

Was mag das neue Jahr wohl bringen? Ich weiss es so wenig wie Sie! Prognosen werden immer mehr zur Glückssache. Aber eines weiss ich: Wenn wir - Volk und Regierung, Staat und Wirtschaft, Arbeitgeber und Arbeitnehmer - am gleichen Strick ziehen, werden wir mögliche Schwierigkeiten besser überwinden. Ich appelliere bei dieser Gelegenheit an all jene, die mit Entscheiden und Massnahmen der Regierung nicht immer einverstanden sind. Meinungsverschiedenheiten gibt es immer. Diese können und müssen offen und öffentlich im rechtsstaatlichen Rahmen ausgetragen werden. Gewalt ist kein Mittel, um Probleme zu lösen.

Im Bereiche der Wirtschaftspolitik wird der Bundesrat auch im neuen Jahr ein besonderes Augenmerk auf den Weltmarkt richten. Als Kleinstaat, ohne eigene Rohstoffe, sind wir zwingend darauf angewiesen, den grössten Teil unserer Produkte im Ausland zu verkaufen. Unsere Wohlfahrt steht und fällt mit dem Export. Dieser Tatsache können wir uns nicht klar genug bewusst sein. Aus diesem Grund wird sich der Bundesrat weiterhin für möglichst offene Märkte und die Versorgung unseres Landes mit Energie und Rohstoffen einsetzen. Im binnenwirtschaftlichen Raum gelten unsere Anstrengungen vor allem der Teuerungsbekämpfung. Der Kampf gegen die Inflation ist für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft, aber auch für unseren sozialen Frieden von grosser Bedeutung .

Besondere Anerkennung verdienen die Sozialpartner - die Arbeitgeber und Arbeitnehmer - für ihre verantwortungsbewusste Haltung. Der Bundesrat zählt weiterhin auf ihr Bemühen um die Sicherung des Arbeitsfriedens, der in der Vergangenheit entscheidend zum Wohle unseres Volkes beigetragen hat. Mit vereinter Kraft sind wir stärker!

Mehr für die Dritte Welt

Liebe Landsleute! Wir dürfen nicht nur an uns selbst denken Viele Länder stehen mit ihrer Armut, Unterernährung, Verstädterung, Zerstörung der Umwelt vor fast unlösbaren Aufgaben. Die Länder der Dritten Welt schauen auf uns - auch im neuen Jahr. Unsere Entwicklungshilfe gibt diesen Völkern Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Mir scheint es sehr wichtig zu sein, dass unsere zahlreichen Hilfswerke, aber auch die private Wirtschaft und nicht zuletzt auch der Bund die Anstrengungen zur Verbesserung des Schicksals der Millionen Menschen in armen Ländern fortsetzen und verstärken. Wir folgen damit einem Wort von Albert Schweitzer, der gesagt hat: «Wer empfangen hat, muss auch geben!»

Liebe Landsleute,

Im abgelaufenen Jahr hat sich in unserer Bevölkerung die Furcht vor kriegerischen Auseinandersetzungen stärker bemerkbar gemacht. Der Bundesrat ist sich der Gefahr, der wir durch das Wettrüsten ausgesetzt sind, durchaus bewusst. Er warnt aber davor, die Angst als Berater beizuziehen. Die Aufrechterhaltung unserer bewaffneten Neutralität und die Unterstützung aller ehrlich gemeinten Bestrebungen zur Erhaltung des Friedens in Freiheit werden auch im neuen Jahr bewährte Leitlinien unserer Politik bleiben.

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

Der Bundesrat wünscht Ihnen viel Glück und guten Mut im neuen Jahr. Dieser Wunsch gilt insbesondere für die Kranken, die Invaliden und all jene, die mit Angst und Sorge in die Zukunft blicken. Möge im neuen Jahr ihre Bürde leichter werden. Der Bundesrat richtet seinen Gruss und seine guten Wünsche auch an unsere Landsleute im Ausland und an die Ausländer in der Schweiz.

Möge 1982 für unser Land und für Sie alle ein gutes Jahr werden!

Letzte Änderung 01.12.2015

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