2004 - Ansprache von Bundespräsident Joseph Deiss zum Nationalfeiertag

1. August 2004 - Es gilt das gesprochene Wort

Wir gehören zusammen!

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger

Wir befinden uns hier auf dem Mont Vully im Kanton Freiburg. Hier, in dieser Gegend, bin ich zu Hause. Von dieser Erhebung aus, inmitten des Murten-, Neuenburger- und Bielersees, sieht man vom Jura über die Hügel des Mittellandes bis in die Alpen. Vom Mont Vully aus erkennt man, wie vielfältig, reichhaltig und wie unterschiedlich unser Land ist. Und gleichzeitig sieht man auch, dass es all dies braucht, um die Schweiz vollständig zu machen.

Am 1. August sind wir uns ganz besonders bewusst, dass wir trotz aller Unterschiede, trotz verschiedener Landschaften, Sprachen und Kulturen zusammen gehören. Gegensätze, aus denen harte Fronten entstehen können, besitzen wir genug. Gerade deshalb liegt mir am heutigen Tag am Herzen das Wesentliche zu unterstreichen, das uns verbindet: Es ist der Wille zum friedlichen Zusammenleben. Und, dass wir alle die Verantwortung dafür tragen, dass diese nationale Gemeinschaft auch in Zukunft weiterlebt.

Der 1. August ist auch der Tag im Jahr, an dem wir daran denken, was unsere Vorfahren für unser Land geleistet haben. Und es ist der Tag, an dem wir besonders stolz und dankbar sind.

Ja, am 1. August sollten wir uns klar machen, dass wir zu unserer Gemeinschaft Sorge tragen müssen. Zuweilen habe ich, ob der immer härteren Auseinandersetzungen, ja sogar bewussten Provokationen den Eindruck, dass da und dort die Eidgenossenschaft als „Neidgenossenschaft“ gelebt wird. Dass nur noch eines zählt : Montag : ich, Dienstag : ich, Mittwoch : ich, und so fort. Die Eigeninitiative, Basis eines liberalen Staates, wird zum ungesunden Egoismus, wenn uns der Gemeinschaftssinn abhanden kommt, wir kurzsichtig aufs Spiel setzen, was uns verbindet.

Das Verhältnis des Einzelnen zur Gesellschaft ist nicht wie dasjenige des Konsumenten zum Selbstbedienungsladen. Die Schweiz ist mehr als nur ein Schalter, wo man gegen Steuergeld Leistungen bezieht.

Die Schweiz hat sich immer dadurch ausgezeichnet, dass sich die Menschen, die hier leben, aktiv und mit Herzblut für das Land eingesetzt haben. Was jeder von uns in seinem Inneren für seine Heimat empfindet ist entscheidend, nicht der Umstand, ob der Grossvater schon Bürger des Landes war oder nicht. Daran sollten wir auch beim nächsten Urnengang über die erleichterte Einbürgerung denken.

Heute danke ich deshalb all jenen, die aus Berufung, Überzeugung und aus eigenem Antrieb einen Beitrag an unser Land leisten, sei es im Gemeinderat, in der Schulkommission, im Sportklub, als Tagesmutter, Blutspender oder ganz einfach gegenüber einem Mitmenschen.

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, Der 1. August ist nicht nur Gelegenheit für einen Blick zurück und über’s Land. Die gute Sicht ist nicht der einzige Vorzug eines Gipfels wie jenem, auf dem wir uns befinden. Er lädt uns auch ein, mit Mut in die Zukunft zu blicken. Und ich bin überzeugt, dass jene Werte, welche die Schweiz möglich gemacht haben, auch die Grundlage für die Zukunft bilden. Unseren Wohlstand werden wir nur dann wahren, unseren Platz in Europa nur dann sichern, wenn wir auch in Zukunft das Streben nach Freiheit und Frieden, die Rücksicht auf die Minderheiten, die Solidarität mit den Hilfebedürftigen, vor allem aber den Mut zu Neuem, nicht aufgeben.

Ed us anc in pled als rätorumantschs. La quarta lingua represchenta ina part impurtanta da nossa communitad e cultura. En num dal Cussegl federal as engraziel jau per il sustegn che er vus dais sin la via vers l'avegnir da nossa patria.

Nichts wird auf Vorschuss geschenkt. Wir müssen es wollen, zusammen, und immer wieder. Und dafür erhoffe ich uns auch Gottes Segen.

An all das denke ich hier auf dem Mont Vully am 1. August, und wünsche Ihnen im Namen des Bundesrates ein besinnliches und frohes Fest.

Download Nationalfeiertag 2004 (MP3, 673 kB, 08.04.2015)

Letzte Änderung 30.11.2015

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