Aufgehobene Abstimmung zur Heiratsstrafe: Bundesrat bestimmt das weitere Vorgehen

Bern, 21.06.2019 - Gestützt auf das schriftliche Urteil des Bundesgerichts hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 21. Juni 2019 entschieden, die Erwahrung der eidgenössischen Volksabstimmung vom 28. Februar 2016 über die Volksinitiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» aufzuheben. Gleichzeitig hat er eine Zusatzbotschaft zur hängigen Reform der Paar- und Familienbesteuerung in Auftrag gegeben.

Das Bundesgericht stellte bei der eidgenössischen Volksabstimmung vom 28. Februar 2016 zur Volksinitiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» eine Verletzung der Abstimmungsfreiheit fest und hat die Abstimmung aufgehoben.

In seiner Botschaft an das Parlament vom 23. Oktober 2013 und in der Folge in den Abstimmungserläuterungen hatte der Bundesrat davon gesprochen, dass bei der direkten Bundessteuer rund 80'000 Zweiverdienerehepaare gegenüber unverheirateten Paaren benachteiligt sind. Am 15. Juni 2018 hatte das EFD bekanntgegeben, dass erheblich mehr Zweiverdienerehepaare betroffen seien. Eine im Frühjahr 2018 von der ESTV angewandte neue Schätzmethode hatte rund 450'000 betroffene Zweiverdienerehepaare ermittelt.

In Folge des Urteils hat der Bundesrat den Erwahrungsbeschluss vom 19. April 2016 über die VI «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe», der das Abstimmungsergebnis verbindlich feststellte, am 21. Juni 2019 aufgehoben.

Es besteht ein Rechtsanspruch, dass die Volksinitiative Volk und Ständen zur Abstimmung unterbreitet wird (Art. 139 Abs. 5 i.V.m. Artikel 34 BV). Eine Abstimmung kann unterbleiben, wenn das Initiativkomitee eine gültige Volksinitiative zurückzieht (Artikel 73 BPR). Gemäss Auffassung des Bundesrates ist ein Rückzug der Initiative bis zum Zeitpunkt der Festlegung des Termins der Wiederholungsabstimmung zulässig (Art. 73 Abs. 2 BPR).

Der Bundesrat wird der Bundesversammlung eine Zusatzbotschaft zum Geschäft 18.034 «Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung)» unterbreiten. Die Zusatzbotschaft ermöglicht es dem Parlament, das Anliegen der Volksinitiative inhaltlich zu behandeln und einen Gegenvorschlag zu erarbeiten.

Das Eidgenössische Finanzdepartement EFD wurde in Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Departement des Innern EDI beauftragt, dem Bundesrat nach der Sommerpause eine Zusatzbotschaft zum Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer vorzulegen. Diese soll die Anliegen der Volksinitiative thematisieren, die Hintergründe der vom Bundesgericht festgestellten Unregelmässigkeiten darlegen und die vom EFD ergriffenen Massnahmen für die Zukunft aufzeigen. Das EDI wird in die Erarbeitung einbezogen, was den sozialversicherungsrechtlichen Aspekt betrifft.

Mit der Änderung des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (Geschäft 18.034) soll die Heiratsstrafe bei der direkten Bundessteuer beseitigt werden. Die Beratung dieses Geschäfts ist aufgrund der aufgehobenen Volksabstimmung vom Parlament gegenwärtig sistiert, bis der Bundesrat über das weitere Vorgehen entschieden hat.

Bundesrat beschliesst Verbesserungen im Umgang mit Daten

Bundeskanzler Walter Thurnherr hatte Ende 2018 eine Arbeitsgruppe eingesetzt mit dem Auftrag, die Verlässlichkeit von quantitativen Angaben und Informationen über die Ausgangslage und Auswirkungen einer Vorlage (Kosten, Anzahl von Betroffenen etc.) zu verbessern. Vollständigkeit und Korrektheit dieser Informationen sind im gesetzgeberischen Prozess zentral für die Meinungsbildung und Entscheidfindung der involvierten Organe (Bundesrat, Parlament, Volk) und der politischen Akteure (Kantone, Parteien, Verbände und Interessengruppen).

Auf Basis der Vorschläge der Arbeitsgruppe hat der Bundesrat beschlossen, dem Aspekt quantitativer Angaben mehr Gewicht zu verleihen. Departemente und Ämter sollen verpflichtet werden, Fragen nach den relevanten Daten, deren Quelle, Schätzmethode, Aussagekraft und möglichen Aktualisierungszeitpunkten gegenüber Bundesrat, Parlament und Öffentlichkeit transparent darzulegen. Der Bundesrat hat die Bundeskanzlei beauftragt, in Zusammenarbeit mit mehreren Departementen die Darstellung der Datengrundlagen für Gesetzgebungsprojekte zu systematisieren und damit sicherzustellen, dass objektive und aktuelle Entscheidungsgrundlagen zuhanden des Bundesrates, des Parlaments und der Stimmberechtigten vorliegen.

Im Weiteren hat der Bundesrat Kenntnis genommen vom Korrekturprozess bei Fehlern in den Abstimmungserläuterungen wie auch der Einführung einer Ämterkonsultation für die Erläuterungen.

Eine Auflistung der von der Arbeitsgruppe vorgeschlagenen Massnahmen findet sich im Faktenblatt «Massnahmen zur Verbesserung von Entscheidgrundlagen im Gesetzgebungsprozess».


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