Kein Handlungsbedarf bei zivilrechtlicher Verantwortlichkeit von Providern

Bern, 11.12.2015 - Das schweizerische Zivilrecht enthält keine spezifische Regelung der Verantwortlichkeit von Internetprovidern. Ein am Freitag vom Bundesrat verabschiedeter Bericht stellt nun fest, dass der geltende rechtliche Rahmen ausreicht, um die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Internetprovider zu erfassen. Der Bundesrat hält daher eine allgemeine gesetzliche Regelung im Bereich der Providerhaftung derzeit nicht für angebracht.

Anlässlich der Verabschiedung des Berichts "Rechtliche Basis für Social Media" im Oktober 2013 beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), die zivilrechtliche Verantwortlichkeit von Plattformbetreibern und Internetprovidern zu prüfen und gegebenenfalls eine Gesetzesvorlage zu erarbeiten. Der heute veröffentlichte Bericht erfüllt diesen Auftrag. Er basiert auf Arbeiten einer interdepartementalen Arbeitsgruppe unter Federführung des Bundesamtes für Justiz (BJ).

Im Bericht werden die geltende Rechtslage im Persönlichkeitsschutz und Datenschutzrecht, Lauterkeitsrecht und Immaterialgüterrecht in der Schweiz und im Ausland dargestellt und gewürdigt. Gestützt darauf kommt der Bundesrat zum Schluss, dass – abgesehen von den laufenden Arbeiten zur Modernisierung des Urheberrechts – kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht.

Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche bei rechtsverletzenden Inhalten

Im Kontext des Internets spielen Ansprüche auf Beseitigung oder Unterlassung von rechtsverletzenden Inhalten eine grosse wichtige Rolle. Wer zum Beispiel auf einer Social Media-Plattform in seiner Ehre angegriffen wird, hat ein Interesse daran, dass der entsprechende Eintrag schnellstmöglich entfernt wird. Gemäss geltendem Zivilrecht kann gegen jeden vorgegangen werden, der an einer Persönlichkeitsverletzung mitwirkt. Im Bericht wird geprüft, ob sogenannte Access Provider, die lediglich Zugang zu Inhalten vermitteln und somit nur einen untergeordneten Tatbeitrag leisten, explizit von einer allfälligen zivilrechtlichen Verantwortlichkeit befreit werden sollen. Wegen der sich ständig entwickelnden technischen Konstellationen, die kaum gesetzlich erfasst werden könnten, wird jedoch darauf verzichtet. Das geltende Recht enthält nach Ansicht des Bundesrates zudem ein ausreichendes Instrumentarium, mit dem die Gerichte überschiessende Verantwortlichkeiten verhindern können.

Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung

Im Bericht werden auch Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung geprüft. Für das Vorliegen eines Schadenersatzanspruches gegen einen Provider ist die Frage zentral, ob diesem Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann. In der Schweiz gibt es bisher weder gesetzliche Regelungen noch aussagekräftige Gerichtsentscheide zur Konkretisierung der Sorgfaltspflichten von Providern. Eine solche Regelung könnte gemäss Bericht falsche Anreize setzen: Kleinere Provider haben in der Regel nicht das juristische Wissen, um beurteilen zu können, ob in einem konkreten Fall eine Rechtsverletzung vorliegt. Es bestünde deshalb die Gefahr, dass Provider Inhalte überschiessend entfernen, was die Meinungsäusserungsfreiheit der Nutzer tangieren würde. Der Bundesrat befürwortet daher eine Abstufung der Sorgfaltspflichten nach der Inhaltsnähe des Providers und unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls und schlägt dazu im Bericht gewisse Kriterien vor.

Auskunftsanspruch gegenüber Providern und Rechtsdurchsetzung

Der Bericht untersucht weiter, ob und unter welchen Voraussetzungen eine in ihren Rechten verletzte Person vom Provider die Herausgabe des Namens der Person verlangen kann, über deren Internetanschluss rechtswidrige Handlungen erfolgt sind und die ansonsten anonym geblieben ist. Nach geltendem Zivilrecht gibt es keinen solchen Auskunftsanspruch. Ein Verhalten muss deshalb strafrechtlich relevant sein, um die Aufhebung des Fernmeldegeheimnisses beziehungsweise der Anonymität im Internet zu rechtfertigen. Nach Ansicht des Bundesrates sollte diese Abwägung grundsätzlich beibehalten werden, wobei er in der laufenden Revision des Urheberrechts eine spezielle Regelung vorschlägt, die es den Rechteinhabern erlaubt, bei schwerwiegenden Verletzungen in Peer-to-Peer-Netzwerken an die Identität des fehlbaren Internetnutzers zu gelangen.

Untersucht wird schliesslich auch die Rechtsdurchsetzung im In- und Ausland. Der Bericht kommt zum Schluss, dass die geltenden Regeln ausreichend und sachgerecht sind. Zwar ist die Rechtsdurchsetzung im Ausland oftmals mit Schwierigkeiten verbunden. Diese Probleme sind jedoch allgemeiner Natur und können durch eine unilaterale Schweizer Regelung nicht gelöst werden.


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