Eröffnungsrede von Bundespräsidentin Viola Amherd am WEF

Bern, 16.01.2024 - Eröffnungsrede von Bundespräsidentin Viola Amherd, Chefin des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), am World Economic Forum-Jahrestreffen 2024 in Davos, Dienstag, 16. Januar 2024.

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Professor Schwab
Exzellenzen
Meine Damen und Herren

Das Motto des WEF-Jahrestreffens 2024 «Rebuilding trust» ist keine freundliche Floskel, sondern zeigt unverblümt, dass es aktuell um das gegenseitige Vertrauen in der Weltgemeinschaft schlecht bestellt ist. Spielregeln werden vermehrt in Frage gestellt. Autoritäres oder sogar totalitäres Gedankengut wird bisweilen akzeptiert als seien die Lehren des 20. Jahrhunderts vergessen.

Dieser Prozess macht selbst vor den grössten Errungenschaften der Menschheit nicht halt. Die Vereinten Nationen konstatieren «ein Zurückdrängen der Menschenrechte in allen Regionen» und «eine globale demokratische Rezession».

Das internationale Institut für Demokratie hat 2023 zum sechsten Mal hintereinander einen Rückschritt in der globalen demokratischen Entwicklung verzeichnet. Die Folgen dieses finsteren Trends sind für die Lebensentwürfe und die Freiheit der Menschen so verheerend wie es wirtschaftliche Einbrüche sein können.

Dass autoritäre Regimes auch ausserhalb ihrer Grenzen demokratische Werte und Institutionen untergraben, trägt zum Vertrauensverlust bei.

Exzellenzen
Meine Damen und Herren

Vertrauen ist schnell verspielt und hart gewonnen. Für Innovation, Investitionen und wirtschaftliche Entwicklung ist es keine hinreichende Bedingung, aber eine notwendige!

Lassen Sie mich darlegen, woraus ich dennoch Zuversicht schöpfe, welche Schritte es braucht, um Vertrauen international wieder wachsen zu lassen und was die Schweiz dazu beitragen kann.

Der Blick zurück mag Angst machen, wenn wir bestimmte Muster erkennen, die in der Vergangenheit zu Katastrophen führten; es gibt aber auch positive Lehren. Die Weltgemeinschaft hat nach dem Zweiten Weltkrieg die UNO etabliert, in Europa gibt es neben der EU den Europarat, die OSZE, neu auch die Europäische Politische Gemeinschaft.

Dieses Jahr feiern wir zudem das 75-jährige Jubiläum der Genfer Konventionen, das Kernstück des humanitären Völkerrechts. Sie stehen ebenfalls für das Bemühen, zerbrochenes Vertrauen neu zu errichten und Menschen vor Grausamkeit und Unmenschlichkeit in Kriegssituationen zu schützen.

Vertrauen wieder aufbauen: Wir wissen, es ist möglich! Dazu braucht es Dialog und Respekt einerseits und andererseits klare Regeln, die alle befolgen.

Welche Schritte sind nötig, um Vertrauen international wieder wachsen zu lassen?

  • Vordringlich ist ein offener und transparenter Austausch – unter Staaten, aber auch mit und zwischen Organisationen des multilateralen Systems: Damit die UNO und andere globale und regionale Institutionen ihre Rolle als Plattformen für den Dialog wieder besser spielen können, müssen wir sie stärken. Die Schweiz unterstützt genau deshalb die Reformagenda von UNO-Generalsekretär António Guterres.
  • Es braucht daneben auch die Einsicht, dass echte Kompromisse nötig sind. Wir müssen verhindern, dass Machtpolitik unsere Lebensgrundlagen zerstört. Gerade in Fragen der ökologischen Transformation braucht es dringend reale Fortschritte und ein gesellschaftliches Umdenken. Der Prozess auf dem Weg zum Zukunftsgipfel im September muss beweisen, dass die Staatengemeinschaft bei allen Schwierigkeiten um gemeinsame Ziele ringt.
  • Vereinbarungen und Kompromisse müssen dann auch umgesetzt werden. Verlässlichkeit in der Umsetzung ist wichtig für die Glaubwürdigkeit und schafft Vertrauen. Dazu zählt ein erneuerter Respekt vor der UNO Charta, vor anderen internationalen Verträgen und vor weiteren global vereinbarten Massnahmen. 

Eine Bedrohung geht von Falschinformationen aus – gerade heute, wo die rasante Entwicklung der künstlichen Intelligenz dazu beiträgt, dass solche Falschinformationen immer glaubwürdiger wirken.  

Die Digitalisierung bietet jedoch zugleich Potenzial für verstärkte Transparenz und Teilen von Wissen und Information: dies kann zum Vertrauensaufbau beitragen, wenn sie richtig genutzt wird. Die Schweiz engagiert sich besonders bei der Promotion der globalen Gouvernanz künstlicher Intelligenz.

Wer seine Politik auf Lügen und Ideologien abstützt, kann vielleicht kurzfristig punkten.
Aber mittel- und langfristig wird er Vertrauen verspielen. Gute Politik basiert auf geprüften Fakten und berücksichtigt wissenschaftliche Erkenntnisse.

Exzellenzen
Meine Damen und Herren

Teile der Bevölkerung misstrauen uns allen, die wir hier versammelt sind, und allen Führungskräften aus Politik und Wirtschaft.

«Rebuilding trust», ist nicht nur eine Aufgabe von Staaten, von Politikerinnen und Politikern. Hier ist auch die Wirtschaft gefordert. Es ist klar, dass zunehmende soziale Ungleichgewichte selbst in wohlhabenden Ländern den Populismus befeuern.

Wenn sich die angebliche Elite als abgehobene Kaste zelebriert und viele Familien kaum noch über die Runden kommen, wächst das Misstrauen. Dann kann die internationale Gemeinschaft, können die Regierungen die besten Vorschläge unterbreiten: Sie werden nicht mehr gehört und nicht mehr verstanden.

Etliche von Ihnen hier im Saal haben die Möglichkeit, in ihren Unternehmen den Zusammenhalt und den sozialen Ausgleich zu stärken. Hier ist es an Ihnen, meine Damen und Herren, Verantwortung zu übernehmen und die unternehmerischen Entscheide darauf auszurichten. Das langfristig auch im Interesse von Unternehmerinnen und Unternehmern.

Wer fordert, soll leisten. Für die Schweiz heisst das, das wir uns in der Welt für den Aufbau von neuem Vertrauen einsetzen – etwa durch die «Guten Dienste», die mein Land traditionellerweise anbietet, oder durch den Umstand, dass wir mit allen sprechen.

Die Neutralität, das Engagement und die Verlässlichkeit der Schweiz können von Nutzen sein, um Konflikte zu lösen. Als Mitglied des UNO-Sicherheitsrates kommt der Schweiz auch dieses Jahr eine besondere Verantwortung zu.

Wir wollen dazu beitragen, dass trotz des zunehmenden Blockdenkens Lösungen erarbeitet werden. Das Internationale Genf ist ein Ort, der staatliche Akteure, Wirtschaft, Wissenschaft und die Zivilgesellschaft zusammenbringt. Immer im Januar ist auch Davos ein solcher Ort.

Exzellenzen
Meine Damen und Herren

Wir sind negativen Trends nicht ausgeliefert, wir können sie brechen. Vertrauen und Hoffnung können erarbeitet werden. Wir müssen es tun.

Dafür sind wir hier. Machen wir uns an die Arbeit! Merci!


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