Ansprache von Bundespräsidentin Viola Amherd am Neujahrsempfang für das diplomatische Corps

Bern, 10.01.2024 - Ansprache von Bundespräsidentin Viola Amherd, Chefin des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), am Neujahrsempfang für das diplomatische Corps, Mittwoch, 10. Januar 2024.

Es gilt das gesprochene Wort

Herr Nuntius
Herr Bundesrat
Herr Nationalratspräsident
Frau Ständeratspräsidentin
Exzellenzen
Meine Damen und Herren

Herr Nationalratspräsident, Frau Ständeratspräsidentin: Ich danke Ihnen, dass Sie uns diesen Empfang einmal mehr im Parlamentsgebäude durchführen lassen.

Herr Nuntius und Doyen des diplomatischen Corps, vielen Dank für Ihre Botschaft und Ihre Neujahrswünsche.

Und Ihnen allen, Exzellenzen, danke ich für Ihre Anwesenheit heute und Ihre Arbeit während des ganzen Jahres.

Es gibt ja den etwas boshaften Spruch in der Diplomatie: «Wir lösen Probleme nicht. Wir versetzen sie.» Bei Bundespräsidentinnen ist es noch einfacher: Die sind jedes Jahr neu … it’s magic!

Was bleibt, sind die Maximen unserer Aussenpolitik. Dazu zählt, dass die Schweiz mit allen spricht. Wir suchen das Gespräch auf der Basis unserer Werte und vertreten diese auf der internationalen Bühne. Das heisst: Die neutrale Schweiz ist in vielen Fragen Partei!

Beispielsweise lehnt mein Land die Todesstrafe kategorisch und unter allen Umständen ab. Wir wollen eine Welt ohne Todesstrafe und engagieren uns dafür. Ein anderes Beispiel ist die Demokratie, zu der wir unverbrüchlich halten, auch wenn demokratische Werthaltungen vielerorts unter Druck sind.

Demokratieförderung gehört zu den aussenpolitischen Prioritäten der Schweiz. Schon Goethe hat gefragt, ob viele nicht besser vielen vertrauen sollten als einem Einzelnen. Und schon zu seinen Zeiten war die Antwort klar… In seltenen Fällen ist Politik so einfach. Oft ist sie komplizierter.
 
Exzellenzen
Meine Damen und Herren

Gerade heute brauchen wir Zuversicht und Mut, um die komplexen Herausforderungen anzupacken. Für die Schweiz sind aus meiner Warte dies die wichtigsten internationalen Themen im laufenden Jahr:

  • die Beziehungen zur Europäischen Union
  • die internationale Sicherheitslage und
  • der Zustand des Multilateralismus.

In all diesen Fällen ist die Umsetzung von Grundwerten in konkrete Politik höchst anspruchsvoll. Nehmen Sie die Beziehungen der Schweiz zur Europäischen Union. Dass wir dieses grosse Friedensprojekt würdigen und die beidseitig vorteilhafte Partnerschaft weiterentwickeln wollen, ist eine bekannte und wichtige Satzung. Auf der aussenpolitischen Bühne verfolgen die Schweiz und die EU sehr ähnliche Ziele. Aber gleichzeitig müssen wir die Kärrnerarbeit leisten und auf die vielen, teilweise sehr technischen Fragen Antworten finden, die unsere bilateralen Beziehungen mitprägen. Hier stehen wir jetzt vor einer neuen Phase – den Verhandlungen, die uns ermöglichen sollen, unsere Partnerschaft zu erneuern und zukunftsträchtig zu machen. Von grossem Interesse ist für die Schweiz auch die Europäische Politische Gemeinschaft als neues Gefäss des Austausches, an dem wir uns aktiv beteiligen.

Das zweite Thema, über das ich hier gerade auch als Verteidigungsministerin sprechen will, ist die internationale Sicherheitslage. Angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und weiterer Konfliktherde wird über die Rolle der neutralen Schweiz intensiv diskutiert. Die Sicherheitspolitik muss im Inland breite Legitimität geniessen, wirksam sein und im Ausland auf Achtung, Verständnis und Akzeptanz stossen. Das ist nicht immer einfach. Ich tausche mich hierzu regelmässig mit meinen Amtskolleginnen und Amtskollegen aus. Neutralität bedeutet nicht Gleichgültigkeit, für mich muss sie international mit Engagement einhergehen.

Die Schweiz hat gezeigt, dass sie mit der Ukraine auch auf lange Frist solidarisch ist. Wir unterstützen die Friedensformel und das Treffen, das in Davos angesetzt ist. Es ist aus unserer Sicht zudem von grosser Bedeutung, dass die Schäden des Krieges verzeichnet werden und Verbrechen nicht ungestraft bleiben. Das sind entscheidende Signale für die Zukunft – weit über den aktuellen Krieg in Europa hinaus. Bekanntlich ist die Weltöffentlichkeit derzeit mit einer Vielzahl an Konflikten konfrontiert, namentlich mit dem Krieg in Gaza. Und leider gibt es auch eine Reihe an humanitären Katastrophen und Krisen, die öffentlich kaum Widerhall finden. Oder wann haben Sie in den Medien das letzte Mal vom Bürgerkrieg in Sudan gelesen, der sich seit neun Monaten hinzieht? Die Schweiz hat ihre humanitäre Hilfe für die Flüchtenden in der Region substanziell aufgestockt.

Lassen Sie mich zum dritten Punkt kommen, dem Multilateralismus. Die internationale Ordnung ist zunehmend dem neuen Blockdenken ausgesetzt. Das bedeutet für Länder wie die Schweiz, dass sie sich unter erschwerten Bedingungen für ein effizientes und funktionierendes multilaterales System engagieren müssen – dieses Jahr auch als Mitglied des UNO-Sicherheitsrates. Die Rückkehr der Machtpolitik torpediert Lösungen und die Umsetzung von bereits vereinbarten Plänen. Beim Zukunftsgipfel in September haben alle Staaten die Chance, dem Multilateralismus neuen Schub zu verleihen. Das müssen wir nutzen!

Exzellenzen
Meine Damen und Herren

Wir erinnern dieses Jahr daran, dass die Genfer Konventionen vor 75 Jahren verabschiedet wurden. Sie waren Teil des Bemühens, das Vertrauen nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufzubauen. Dieses Jubiläum sollte alle Staaten in der Gegenwart verpflichten.

Grundwerte sind keine Baupläne! Aber sie sind unverzichtbar und in einer turbulenten Welt wichtiger denn je. In diesem Geiste überbringe ich Ihnen und den Ländern, die Sie vertreten, die besten Wünsche des Bundesrates und des Schweizer Volkes. Wie auch meine persönlichen Wünsche für Frieden, Sicherheit und Wohlergehen.

 


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