TRAFIGURA BEHEER BV und drei natürliche Personen vor Bundesstrafgericht angeklagt

Bern, 06.12.2023 - Die Bundesanwaltschaft hat am 5. Dezember 2023 gegen drei natürliche Personen sowie das Rohstoff-Handelsunternehmen TRAFIGURA BEHEER BV Anklage beim Bundesstrafgericht eingereicht. Einerseits soll ein ehemaliger angolanischer Amtsträger zwischen April 2009 und Oktober 2011 Korruptionszahlungen von mehr als EUR 4.3 Millionen und USD 604’000.- von der Unternehmensgruppe TRAFIGURA in Zusammenhang mit deren Aktivitäten in der Erdölindustrie in Angola angenommen haben. Andererseits sollen ein ehemaliger Intermediär sowie eine ehemalige Führungskraft der Unternehmensgruppe TRAFIGURA an der Umsetzung dieses Korruptionsschemas beteiligt gewesen sein. TRAFIGURA BEHEER BV wird zudem vorgeworfen, nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren ergriffen zu haben, um das Tätigen dieser Korruptionszahlungen innerhalb der Unternehmensgruppe zu verhindern. Es ist das erste Mal, dass das Bundesstrafgericht die strafrechtliche Verantwortung eines Unternehmens in Bezug auf Bestechung fremder Amtsträger zu beurteilen hat.

Die Bundesanwaltschaft (BA) hat im Juli 2020 wegen Verdachts auf Bestechung fremder Amtsträger (Art. 322septies StGB) und Geldwäscherei (Art. 305bis StGB) in Zusammenhang mit möglichen Korruptionszahlungen zugunsten von angolanischen Amtsträgern eine Strafuntersuchung gegen Unbekannt eröffnet. Im August 2021 wurde die Strafuntersuchung wegen Verdachts auf Bestechung fremder Amtsträger (Art. 322septies StGB) und Geldwäscherei (Art. 305bis StGB) auf den ersten Beschuldigten, den ehemaligen Chief Executive Officer und exekutives Mitglied des Verwaltungsrats von SONANGOL DISTRIBUIDORA SA, der Tochtergesellschaft des staatlichen Erdölkonzerns von Angola SOCIEDADE NACIONAL DE COMBUSTÍVEIS DE ANGOLA EP (SONANGOL EP), ausgeweitet. Zwischen Januar und März 2023 wurde die Strafuntersuchung wegen Verdachts auf Bestechung fremder Amtsträger (Art. 322septies Abs. 1 StGB) auf den zweiten Beschuldigten, einen ehemaligen Intermediär der Unternehmensgruppe TRAFIGURA in Angola, auf den dritten Beschuldigten, den ehemaligen Chief Operating Officer und Mitglied des Management Board von TRAFIGURA BEHEER BV, sowie auch auf das Unternehmen TRAFIGURA BEHEER BV (Art. 322septies Abs. 1 StGB in Verbindung mit Art. 102 Abs. 2 StGB) ausgeweitet.

Korruptionszahlungen vorgeworfen

Zwischen 2009 und 2011 war TRAFIGURA BEHEER BV, deren Sitz sich in den Niederlanden befindet, die Referenz-Muttergesellschaft des Rohstoff-Handelsunternehmens TRAFIGURA und verfügte über Niederlassungen in Genf und Luzern. Zu dieser Zeit war die Unternehmensgruppe TRAFIGURA insbesondere in Angola in den Bereichen Schiffscharterung und -bunkerung tätig. Ihre wichtigste Kontrahentin war die angolanische Regierung beziehungsweise SONANGOL EP und deren Tochtergesellschaften, insbesondere SONANGOL DISTRIBUIDORA SA, welche für den Vertrieb und die Vermarktung von Erdölprodukten auf dem in- und ausländischen Markt zuständig war.

Gemäss Anklageschrift soll der erste Beschuldigte zwischen April 2009 und Oktober 2011 in seiner Funktion als angolanischer Amtsträger nicht gebührende Vorteile, die ihm im Auftrag der Unternehmensgruppe TRAFIGURA gewährt wurden, in Form von Geldüberweisungen in der Höhe von insgesamt EUR 4'346'176.60 auf eine Bankbeziehung in Genf, Barzahlungen in der Höhe von insgesamt USD 604'000.- in Angola sowie Hotelübernachtungs- und Verpflegungskosten von insgesamt CHF 797.25 in Zusammenhang mit einem Aufenthalt in Genf angenommen haben. Diese Sachverhalte würden den Tatbestand der Bestechung fremder Amtsträger (Art. 322septies Abs. 2 StGB) erfüllen.

Der zweite Beschuldigte, der über ein Offshore-Unternehmen als Intermediär der Unternehmensgruppe TRAFIGURA agierte, bei der er früher angestellt war, soll zwischen August 2009 und Oktober 2011 einen Teil der oben genannten nicht gebührenden Vorteile zugunsten des angolanischen Amtsträgers in Form von Geldüberweisungen in der Höhe von insgesamt EUR 3'991'315.- auf eine Bankbeziehung in Genf und Barzahlungen in der Höhe von insgesamt USD 604'000.- in Angola gewährt haben. Diese Sachverhalte würden den Tatbestand der aktiven Bestechung fremder Amtsträger (Art. 322septies Abs. 1 StGB) erfüllen.

Der dritte Beschuldigte soll in erster Linie in seiner Funktion als Führungskraft der Unternehmensgruppe TRAFIGURA von Genf aus zwischen Juli 2009 und Oktober 2011 einen Teil der oben genannten nicht gebührenden Vorteile zugunsten des angolanischen Amtsträgers in Form von Geldüberweisungen in der Höhe von insgesamt EUR 4'346'176.60 auf eine Bankbeziehung in Genf und Barzahlungen in der Höhe von insgesamt USD 604'000.- in Angola gewährt haben. Eventualiter wird ihm vorgeworfen, diese nicht gebührenden Vorteile durch Unterlassung gewährt zu haben, während er innerhalb der Unternehmensgruppe TRAFIGURA eine Garantenstellung innehatte. Diese Sachverhalte würden den Tatbestand der aktiven Bestechung fremder Amtsträger (Art. 322septies Abs. 1 StGB) erfüllen.

Als Gegenleistung für die oben genannten nicht gebührenden Vorteile soll der angolanische Amtsträger die Interessen der Unternehmensgruppe TRAFIGURA bevorzugt haben. Dies indem er die Entwicklung von Aktivitäten in den Bereichen Schiffscharterung und -bunkerung zwischen der Unternehmensgruppe TRAFIGURA und SONANGOL DISTRIBUIDORA SA und - insbesondere den Abschluss - zwischen Juni 2009 und Juli 2010 - von acht Verträgen für Schiffscharterung und einem Vertrag für Schiffsbunkerung ermöglicht haben soll. Dank der Einkünfte aus diesen Verträgen soll die Unternehmensgruppe TRAFIGURA Gewinne von bislang USD 143.7 Millionenerzielt haben.

Mangelhafte Organisation vorgeworfen

Die BA wirft TRAFIGURA BEHEER BV schliesslich vor, zwischen April 2009 und Oktober 2011 nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen zu haben, um das Begehen von Straftaten mit aktiver Bestechung fremder Amtsträger im Sinne von Art. 322septies Abs. 1 StGB in Verbindung mit Art. 102 Abs. 2 StGB zu verhindern.

Gemäss Anklageschrift sollen die zwischen April 2009 und Oktober 2011 gültigen internen Vorschriften der Unternehmensgruppe TRAFIGURA nicht den internationalen Standards zur Korruptionsprävention und -bekämpfung entsprochen haben und dementsprechend nicht geeignet gewesen sein, um dem erhöhten Korruptionsrisiko in Zusammenhang mit den Tätigkeiten der Unternehmensgruppe TRAFIGURA in der Erdölindustrie in Angola vorzubeugen. Dieses Risiko war umso grösser, da die Unternehmensgruppe TRAFIGURA in Verbindung mit einem staatlichen Unternehmen in Angola stand und sich für die Entwicklung ihrer Geschäfte in diesem Staat an Intermediäre wandte. Ferner sollen die zuvor genannten internen Vorschriften und internationalen Standards, insbesondere in Verbindung mit der Due Diligence und der Kontrolle der Tätigkeit der Intermediäre, innerhalb der Unternehmensgruppe TRAFIGURA nicht wirksam umgesetzt worden sein. Aufgrund dieser Desorganisation, die sich bis in die oberste Hierarchiestufe des Unternehmens gezeigt haben soll, hätten die oben genannten Straftaten der aktiven Bestechung fremder Amtsträger begangen werden können.

Teilweise Einstellung

Betreffend den Verdacht auf Geldwäscherei (Art. 305bis StGB) konnte die Untersuchung nicht beweisen, dass der subjektive Tatbestand erfüllt ist. Die BA hat deshalb in Bezug auf den ehemaligen angolanischen Amtsträger am 5. Dezember 2023 die teilweise Einstellung des Verfahrens verfügt. Gegen die Einstellungsverfügung kann noch Einspruch erhoben werden, weshalb sie noch nicht einsehbar ist.

Bis zur definitiven Urteilsverkündung gilt für die Beschuldigten die Unschuldsvermutung. Ab Einreichen der Anklageschrift liegt die Zuständigkeit für weitere Informationen ausschliesslich beim Bundesstrafgericht.

Originalversion des Textes auf Französisch.


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