IV: Bundesrat will bei künftigen Gesetzesrevisionen auch den Ersatz von kritisierten Ausdrücken prüfen

Bern, 15.09.2023 - Verschiedene Ausdrücke im Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG) können als herabsetzend oder missverständlich aufgefasst werden. Der Bundesrat will bei künftigen Änderungen des Gesetzes jeweils betroffene Ausdrücke prüfen und wenn sinnvoll und möglich einen Ersatz vorschlagen. Dies hält er in einem Bericht fest, den er am 15. September 2023 verabschiedet hat. Der Bundesrat verzichtet aber auf ein eigenes, umfassendes Gesetzesprojekt zur sprachlichen Modernisierung, weil ein solches zu aufwendig wäre.

Seit Jahren werden mehrere gesetzliche Ausdrücke der Invalidenversicherung als problematisch kritisiert. Als herabsetzend aufgefasst werden je nach Sprache zum Beispiel die Ausdrücke «Invalidität», «Hilflosigkeit», «Behinderte(r)», «Gebrechen» und «Missbildung». Der Ausdruck «Kinderrente» wiederum kann insbesondere auf Deutsch missverständlich sein, weil diese Rente an IV-rentenbeziehende Erwachsene mit Kindern geht.

Sprachliche sowie rechtliche Hürden und hoher Aufwand

Der Bundesrat hält nun in einem Bericht fest, dass gerade die Vorbehalte gegenüber Bezeichnungen, die von Betroffenen als herabsetzend und veraltet wahrgenommen werden, für ihn nachvollziehbar sind. Gute Ersatzausdrücke zu finden, sei aber sehr anspruchsvoll.

Neu gewählte Ausdrücke müssten eine Vielzahl von Bedingungen erfüllen. Unter anderem müssten sie sich in die Begriffssystematik mehrerer Bereiche des schweizerischen Rechts einfügen lassen, das zudem mit dem internationalen Recht vereinbar bleiben müsste. Die neuen Ausdrücke dürften nicht zu einer Verwechslung mit bereits bestehenden Leistungen führen, müssten einfach verständlich sein und dürften keine materiellen Änderungen zur Folge haben. Ausserdem müsste für jede der betroffenen Amtssprachen eine Lösung gefunden werden, die eine eindeutige Verbesserung gegenüber dem Status quo mit sich bringt, wobei zu berücksichtigen wäre, dass Ausdrücke in den Sprachräumen teilweise unterschiedlich wahrgenommen werden.

Die Änderung von Ausdrücken im IVG hätte einen sehr hohen Aufwand zur Folge, nicht nur für den Bund, sondern auch auf kantonaler und kommunaler Ebene, zudem auch bei privaten Organen. Es müssten nicht nur unzählige Gesetze und Verordnungen angepasst werden, sondern auch eine enorme Anzahl sonstiger amtlicher und anderer Texte. Für den Ersatz von «Invalidität» und weiteren Ausdrücken müsste zudem die Verfassung geändert werden, was eine Volksabstimmung bedingt. Internationale Sozialversicherungsabkommen müssten mit der Zustimmung der Vertragsstaaten geändert werden. Es wäre mit beträchtlichen Kosten zu rechnen, auch wenn diese nicht konkret geschätzt werden können.

Punktuelle Umsetzung anlässlich künftiger IVG-Änderungen

Aus all diesen Gründen lehnt der Bundesrat ein umfassendes Gesetzgebungsprojekt zur Änderung der kritisierten Ausdrücke ab. Er wird sich mit dem Anliegen einer sprachlichen Modernisierung des IVG jedoch im Rahmen künftiger Revisionen des Gesetzes weiter befassen. Wenn bei solchen Gesetzgebungsprojekten Bestimmungen materiell zur Diskussion stehen, die problematisierte Ausdrücke enthalten, so werden diese nochmals vertieft geprüft. Ist es sinnvoll und möglich, so wird ein adäquater Ersatzausdruck vorgeschlagen.

Der Bericht des Bundesrates erfolgte im Auftrag der Sozial- und Gesundheitskommission des Ständerats (Postulat 20.3002). Er wurde vom Bundesamt für Sozialversicherungen in Zusammenarbeit mit den Zentralen Sprachdiensten der Bundeskanzlei verfasst. Beigezogen wurde auch das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. Die Behindertenorganisationen Inclusion Handicap, AGILE.CH, Insieme Schweiz, Procap Schweiz und Pro Infirmis wurden für die Erstellung einer Liste von kritisierten Ausdrücken befragt.


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