Sicherung und Stärkung des Life Sciences Standorts Basel: Was muss die Politik beitragen?

Basel, 14.08.2023 - Ansprache von Bundesrat Guy Parmelin Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) anlässlich des Metrobasel Sommeranlasses

Sehr geehrter Herr Regierungspräsident Beat Jans,
sehr geehrter Herr Präsident von Metrobasel, Dr. Hans-Peter Wessels,
sehr geehrte Frau Direktorin Regula Ruetz
Liebe Gäste des Sommeranlasses von Metrobasel

Herzlichen Dank für die Einladung, der ich sehr gerne gefolgt bin.

In meiner Zeit als Bundesrat und vor allem die letzten viereinhalb Jahre als Wirtschaftsminister war ich mehrmals pro Jahr in dieser Region zu Gast. Das ist kein Zufall. Diese Region ist mir ans Herz gewachsen. Und sie ist für die ganze Schweiz wichtig und zentral. Die Metropolitan-Region Basel mit ihren grenzüberschreitenden Beziehungen ist der grösste Life Sciences Standort in Europa.

Ich bin hier, um folgende Fragen mit Ihnen zu diskutieren: Was muss die Politik beitragen, damit der Life Science Standort Basel gesichert und gestärkt werden kann? Was kann der Bund tun? Wie kann er unterstützen?

Für mich als Wirtschafts- Bildungs-, Forschungs- und Innovationsminister stehen folgende drei Faktoren im Vordergrund, damit die Schweiz und damit auch der Life-Science-Standort Basel gestärkt werden kann: Erstens die Wettbewerbsfähigkeit, zweitens die Digitalisierung und drittens der Arbeitsmarkt.

Zuerst zur Wettbewerbsfähigkeit. Was meine ich damit? Für den Life-Sciences-Standort sind insbesondere die regionale Einbettung und die Beziehungen mit der EU zentral. Der Bundesrat will unter anderem deshalb geordnete Verhältnisse zu seiner wichtigsten Wirtschaftspartnerin. Er wollte dies auch schon in der Vergangenheit. Deshalb hat er dafür gesorgt, dass die zahlreichen bilateralen Abkommen den Zugang zum EU-Binnenmarkt sichern. Und er will es auch in Zukunft. Der Bundesrat ist überzeugt, dass der bilaterale Weg für die Schweiz weiterhin die beste Lösung ist. Deshalb hat der Bundesrat im Juni auch die Eckwerte eines Verhandlungsmandats mit der EU verabschiedet. Die Gespräche gehen auf allen Ebenen weiter. Sie haben es sicher in den Medien gelesen: Mein Kollege und Aussenminister Ignazio Cassis hat im Juli mit dem EU-Vizekommissionspräsidenten Maroš Šefčovič gesprochen. Es liegt auf der Hand, dass ich diese Gespräche zum jetzigen Zeitpunkt nicht weiter kommentieren kann.

Der Bundesrat und auch mein Departement leben nach dem Motto «Das eine tun und das andere nicht lassen.» Deshalb suchen wir auch den Marktzugang ausserhalb der EU. So haben wir für den Pharma- und Biotechnologie-Standort das Abkommen zwischen der Schweiz und den USA über die gegenseitige Anerkennung der Guten Herstellungspraxis aufgegleist. Es ist Ende Juli in Kraft getreten. Dieses [dji-ème-pi] GMP-Abkommen vereinfacht den Arzneimittelhandel mit den USA und verringert den administrativen Aufwand für die Branche. Schon vorher wurden GMP-Abkommen mit der EU, dem Vereinigten Königreich und mit Südkorea abgeschlossen.

Zentral bei der Wettbewerbsfähigkeit sind für mich auch unsere Freihandelsabkommen. Mein Departement verhandelt gegenwärtig intensiv mit Indien. Wir sind in diesen Verhandlungen weiter als auch schon, aber der Teufel liegt manchmal im Detail. Das sehen wir auch beim Mercosur-Abkommen. Meine Reise nach Brasilien diesen Sommer hat dem Abkommen aber wieder neues Leben eingehaucht und ich hoffe, dass wir es nach der grundsätzlichen Einigung im Sommer 2019 nun endlich in den nächsten Monaten unterschreiben können. Bei beiden Abkommen stehen wir im Wettbewerb mit der EU. Es ist für die Schweiz zentral, dass wir auch hier keinen Nachteil haben.

Apropos Wettbewerbsfähigkeit: Von besonderer Relevanz für die forschungsintensive Branche ist Horizon Europe, das weltweit grösste Forschungs- und Innovationsförderprogramm. Ich kann Ihnen versichern: Der Bundesrat will die baldmöglichste Assoziierung der Schweiz an Horizon Europe und damit verbundene Programme und Initiativen. Wir sind seit Monaten bereit für Verhandlungen mit der Europäischen Kommission. Die EU verbindet die Frage der Assoziierung der Schweiz aber - wie Sie sicher alle wissen - weiterhin mit den Gesamtbeziehungen Schweiz-EU. Dieser sachfremde Link ist nicht angebracht und schadet vor allem dem gesamt-europäischen Forschungs- und Innovationsstandort!

Um die Teilnahme an verschiedenen Programmteilen aus Horizon Europe bis zu einer Assoziierung zu ermöglichen, hat der Bundesrat Übergangsmassnahmen beschlossen. Dadurch können Forschende und Innovatoren in der Schweiz im Rahmen von Horizon Europe weiterhin an internationalen Projekten mitwirken, bleiben für ihre europäischen Kolleginnen und Kollegen attraktive Partner und können sich international vernetzen.

Komplementär zu seinen Bemühungen mit der EU erweitert der Bundesrat die internationale Forschungs- und Innovationszusammenarbeit. So konnte ich im letzten November in London ein wichtiges Memorandum of Understanding zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich unterschreiben. Damit wird die Zusammenarbeit der beiden führenden Forschungs- und Innovationsstandorte deutlich gestärkt.

Und wir bleiben dran: Wir konnten alleine in diesem Jahr gute Kontakte in diesen Bereichen ausbauen mit Ländern wie Südkorea, Kanada oder zuletzt auch in Brasilien. In Seoul war zum Beispiel der Basler Regierungsrat Kaspar Sutter mit dabei, oder in Brasilien auch der Präsident von Science Industries Matthias Leuenberger. Beide konnten sich vor Ort überzeugen, dass wir in diesen Bereichen vorwärtsmachen wollen.

der zweite wichtige Faktor zur Stärkung der Schweiz und des Standortes Basel ist für mich die Digitalisierung. Hier gibt es eine Vielzahl an Herausforderungen, die wir unbedingt angehen müssen und wo der Bundesrat auch aktiv sein will.

Hier nur kurz zwei Beispiele:

Erstens: Die klinische Forschung erfordert den Zugang zu hochwertigen, aber auch vielen standardisierten Daten. Der Bundesrat ist bestrebt, das Potenzial von Daten weiter auszuschöpfen, und hat deshalb letztes Jahr verschiedene Massnahmen beschlossen, um in der Schweiz und im Ausland vertrauenswürdige Datenräume und die digitale Selbstbestimmung zu fördern. Dabei möchte ich auch auf das revidierte Datenschutzgesetz hinweisen, das bald in Kraft tritt.

Zweitens: Für die Nutzung des Innovationspotenzials aus der Forschung spielen Start-ups eine wichtige Rolle. Wir haben dies bei der Revision des Bundesgesetzes über die Förderung der Forschung und der Innovation berücksichtigt: die Innovationsagentur Innosuisse kann neuerdings Innovationsprojekte von Jungunternehmen zur Vorbereitung ihres Markteintritts direkt fördern. So wird auch die Standortattraktivität für Start-ups verbessert. Zudem wurden verschiedene Verbesserungen der steuerlichen Rahmenbedingungen und beim Zugang zu ausländischen Fachkräften umgesetzt.

Und damit sind wir schon beim dritten für mich entscheidenden Faktor für den Wirtschaftsstandort Schweiz und Basel: dem Arbeitsmarkt.

Wir haben in der Schweiz im Moment eine Arbeitslosigkeit von unter 2%. Das ist historisch wenig. Wir haben praktisch Vollbeschäftigung. Das spüren Sie als Wirtschaftsinteressierte überall. Wir sprechen heute generell von einem Arbeitskräftemangel. Damit hat sich aber auch der Fachkräftemangel weiter verschärft, der die Life-Sciences-Branche stark betrifft.

Auch hier bleibt der Bundesrat nicht untätig:

  • Der vorhin erwähnte bilateralen Weg führt auch zur Erhaltung des Personenfreizügigkeitsabkommens mit der EU. Dieses Abkommen ermöglicht einen unbürokratischen Zugriff auf Fachkräfte und auch Arbeitskräfte aus der EU.

  • Der Arbeits- und Fachkräftemangel ist kein schweizerisches Problem, sondern betrifft auch viele EU-Länder. Wegen des demografischen Wandels wird diese Herausforderung in Zukunft noch grösser werden. Deshalb sollen, so der Wille von Parlament und Bundesrat, Drittstaatenangehörige, die an Schweizer Hochschulen in einer Fachrichtung mit ausgewiesenem Fachkräftemangel ausgebildet wurden, einfach und unbürokratisch in der Schweiz bleiben und eine Erwerbstätigkeit ausüben können.

  • Wir wollen aber eine Abhängigkeit von ausländischen Fachkräften unbedingt verhindern. Deswegen steht die Förderung des inländischen Fachkräftepotenzials im Zentrum der Schweizer Fachkräftepolitik. Deshalb wollen wir Schweizer Arbeitnehmende, die motiviert sind, sich weiterzubilden, so weit wie möglich unterstützen. Zudem hat die Schweizerische Hochschulkonferenz einen Schwerpunkt auf die Aus- und Weiterbildung in den Bereichen, Medizin, Gesundheit und Bildung gelegt. Schliesslich hat der Bundesrat den ETH-Bereich beauftragt, das Interesse an den MINT-Fächern zu fördern und den Frauenanteil auf allen Stufen zu erhöhen.

das sind nur ein paar Beispiele von vielen, die aufzeigen, wie der Bund auch die Pharmaindustrie und Biotechnologie angesichts der aktuellen Herausforderungen stärkt. Ich will aber zum Schluss betonen: Die Schweiz hat eine lange wirtschaftsliberale Tradition. Darauf beruht im Wesentlichen der Wohlstand der Schweiz. Und nicht etwa auf einer «Industriepolitik», die international auf einer Welle hoher Beliebtheit reitet.

Der Life-Sciences-Standort Schweiz und Basel braucht keine Industriepolitik. Der Bundesrat ist überzeugt, dass die Schweiz und ihre Wirtschaft langfristig besser aufgestellt sind, wenn sich der Staat auf die Sicherstellung von guten Rahmenbedingungen konzentriert. 3 Faktoren haben Sie gehört: eine grosse Wettbewerbsfähigkeit, eine gute Digitalisierung und ein funktionierender Arbeitsmarkt.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich nun auf die Diskussion mit Ihnen.


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