EKR - Wie werden Rassismus und gesellschaftliche Diversität in Lehrmitteln abgebildet?
Bern, 19.06.2023 - Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) veröffentlicht eine Studie, die untersucht, wie sich Schweizer Lehrmittel mit Rassismus und gesellschaftlicher Repräsentation von Diversität auseinandersetzen. Einerseits ist eine zunehmende Sensibilität bezüglich rassistischer Begriffe feststellbar. Andererseits zeigt die Analyse aber auch, dass Lehrmittel noch kaum Ansätze für eine rassismuskritische Bildung bieten und auch die Repräsentation einer (post-)migrantischen, diversen Gesellschaft bisher nur punktuell in Erscheinung tritt. Das liegt unter anderem daran, dass das Thema «Rassismus» in den Lehrplänen nicht vorkommt.
Lehrmittel sind von hoher gesellschaftspolitischer Relevanz, dennoch gibt es in der Schweiz bisher sehr wenig schulbuchbezogene Forschung. Die Lehrmittelanalyse, die die EKR bei der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz in Auftrag gegeben hat, schliesst erste Forschungslücken in Bezug auf Rassismus sowie Repräsentation gesellschaftlicher Diversität in Lehrmitteln. Die Gesellschaft setzt sich heute stärker mit dem Thema Rassismus auseinander als noch vor einigen Jahren. Entsprechend lässt sich auch in Lehrmitteln eine zunehmende Sensibilität bezüglich rassistischer Begriffe ausmachen (so wird zum Beispiel der Begriff «Indianer» mit «Native Americans» ersetzt). Auch das Thema «koloniale Schweiz» findet sich heute in gewissen Lehrmitteln wieder. Die EKR begrüsst diese positiven Entwicklungen.
Weder im Lehrplan 21 noch im Plan d’études romand kommt das Thema «Rassismus» vor. Dies widerspiegelt sich in den Lehrmitteln dadurch, dass ein umfassendes Verständnis von Rassismus fehlt. Rassismus wird, wenn überhaupt, nur sehr verengt als zwischenmenschliches oder historisches Phänomen dargestellt. Die strukturelle Dimension von Rassismus, die zur Hierarchisierung und Differenzierung von Menschen beiträgt und so gesellschaftliche Machtverhältnisse prägt, ist in den Lehrmitteln nicht präsent. Die gesellschaftliche «Normalität» wird in Lehrmitteln eher homogen weiss dargestellt. Diversität findet sich vor allem dort, wo es explizit um das Thema «Vielfalt» geht. Der Nahraum (Schweiz und Europa) wird tendenziell diverser abgebildet als der ferne Raum. Dieses «Anderswo» wird meist stereotypisiert und als kulturell sehr homogen dargestellt. So werden Inuit etwa als stereotypisch-traditionell dargestellt, differenzierte und individuelle Portraits von modernen Inuit bleiben jedoch aus.
Eine parallele Befragung von Lehrpersonen über die Nutzung der Lehrmittel zeigt zudem Folgendes: Die Lehrpersonen verstehen die Thematisierung von Rassismus als offiziellen Bildungsauftrag. Sie empfinden aber, dass sich die verfügbaren Lehrmittel nicht eignen, um das Thema im Unterricht zu behandeln. Zudem geben die Lehrpersonen an, dass sie in ihrer Ausbildung kaum Grundlagen vermittelt erhalten, um eine Auseinandersetzung mit Rassismus im Unterricht anstossen und moderieren zu können.
Gestützt auf die Studie empfiehlt die EKR namentlich die Aufnahme des Themas Rassismus in die Lehrpläne. Weiter ist ein Kompetenzaufbau in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen nötig. Der Umgang mit bestehenden Lehrmitteln muss thematisiert werden. Und es braucht klare Kriterien für die Beurteilung, ob sich Lehrmittel sinnvoll mit Rassismus auseinandersetzen und ob gesellschaftliche Diversität repräsentiert wird.
Die Ergebnisse der Studie werden erstmals am 26. Juni 2023 an der Fachtagung der EKR zum Thema «Jugend und Rassismus» vorgestellt.
Link zur Studie, Zusammenfassung und zu den Empfehlungen der EKR: https://www.ekr.admin.ch/publikationen/d107/1380.html
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