Inspektion der AB-BA 2022 - Nichtanhandnahmen und Einstellungen

3001 Bern, 20.06.2023 - In ihrer ordentlichen Inspektion 2022 hat die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) rund 6’400 Verfahrenseinstellungen und Nichtanhandnahmen der Bundesanwaltschaft aus den Jahren 2016-2020 untersucht. Die AB-BA formuliert in ihrem Bericht fünf Empfehlungen zur Optimierung der Geschäftsverwaltung und der Darstellung der Verfahrenserledigungen in den Geschäftsberichten sowie zur Verteidigung von Beschuldigten in Bundesstrafverfahren.

Wenn die Bundesanwaltschaft auf Anzeige hin ein Strafverfahren nicht eröffnet oder später wieder einstellt, hat dies von Gesetzes wegen die gleiche Wirkung wie ein Freispruch. Weil solche Verfügungen nur selten an das Bundesstrafgericht weitergezogen werden, kommt der AB-BA hier eine besondere Kontrollfunktion zu. In ihrer ordentlichen Inspektion 2022 hat sie deshalb rund 6’400 Verfahrenseinstellungen und Nichtanhandnahmen der Bundesanwaltschaft untersucht.

Die Inspektion hat gezeigt, dass die Dossierverwaltung lückenhaft und veraltet ist. So erhebt die Bundesanwaltschaft nicht systematisch, welche Straftaten sie verfolgt. Teilweise wurden Dossiers zur Erledigung sprichwörtlich «abgestempelt», ohne die Genehmigungen im System zu erfassen. Die Bundesanwaltschaft führt derzeit ein neues Fallverwaltungssystem (Core.Link) ein, um diese Mängel zu beheben.

Sodann weichen die in der Inspektion erhobenen Erledigungszahlen von denjenigen ab, welche die Bundesanwaltschaft in ihren Jahresberichten ausgewiesen hatte. Strafbefehle wurden dort einzeln aufgeführt, Einstellungen und Nichtanhandnahmen nur gebündelt nach Verfahren. Dadurch entstand der Eindruck einer deutlich strengeren Erledigungspraxis. Im Geschäftsbericht 2022, der erstmals unter Leitung des neuen Bundesanwalts, Dr. Stefan Blättler, verfasst wurde, wurden die Zahlen korrigiert.

Weiter hat die Analyse der einzelnen Abteilungen gezeigt, dass im Völkerstrafrecht in 97 Prozent der Fälle Verfahren nicht eröffnet wurden. Im Wirtschaftsstrafrecht wurden rund 90 Prozent der Verfahren eingestellt oder nicht an die Hand genommen. Die Analyse der Untersuchungsdauer hat ergeben, dass 90 Prozent der Verfahren im Bereich Staatsschutz in sechs Monaten abgeschlossen werden, mehr als die Hälfte der Verfahren im Wirtschaftsstrafrecht jedoch frühestens nach drei Jahren. 

Schliesslich hat die Inspektion ergeben, dass Beschuldigte nur in jedem zehnten Strafverfahren eine Strafverteidigerin haben und dass Staatsanwälte des Bundes sehr selten Einvernahmen durchführen. Der gesetzliche Auftrag der Bundesanwaltschaft ist die Bekämpfung schwerer Kriminalität in den Bereichen Staatsschutz, organisiertes Verbrechen, Terrorismus und Wirtschaftskriminalität. Die erhobenen Zahlen weisen jedoch darauf hin, dass sich die Bundesanwaltschaft auch viel mit niederschwelliger Kriminalität befassen muss, was eine Überprüfung des Zuständigkeitskatalogs nahelegt. 

 

Zur AB-BA:

Kernaufgabe der unabhängigen Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) ist die Beaufsichtigung der systemischen Aspekte der Tätigkeit der Bundesanwaltschaft. Die AB-BA umfasst als Kollegialbehörde sieben von der Vereinigten Bundesversammlung für die Dauer von vier Jahren gewählte Mitglieder. Gemäss Gesetz setzt sich die AB-BA aus einer Bundesrichterin, einer Bundesstrafrichterin, zwei im Anwaltsregister eingetragenen Anwaltspersonen und drei Fachpersonen zusammen. In ihrer Tätigkeit werden die Mitglieder der AB-BA von einem ständigen Sekretariat unterstützt.


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