Statistik zur Fernmeldeüberwachung: Mehr Überwachungsmassnahmen

Bern, 28.04.2023 - Im Jahr 2022 haben die Schweizer Strafverfolgungsbehörden und der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) insgesamt rund 27 Prozent mehr Überwachungsmassnahmen beim Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr (Dienst ÜPF) angeordnet. Der Anstieg an Überwachungsmassnahmen ist vor allem auf die starke Zunahme der Antennensuchläufe zurückzuführen.

Die Anzahl Echtzeitüberwachungsmassnahmen ist auf 1218 gestiegen (gegenüber Vorjahr 1055). Eine Zunahme ist auch bei den rückwirkenden Überwachungsmassnahmen zu verzeichnen. Es wurden 8114 rückwirkende Überwachungen (Vorjahr: 6265) angeordnet, wovon 3317 Antennensuchläufe (Vorjahr 1695) sind. Dies entspricht einer Zunahme von 1849 rückwirkenden Überwachungen gegenüber dem Jahr 2021.

Der Anstieg an Überwachungsmassnahmen ist vor allem auf die starke Zunahme der Antennensuchläufe (beinahe Verdoppelung gegenüber 2021) zurückzuführen. Die Anzahl Antennensuchläufe verteilt sich dabei auf eine gleichbleibende Anzahl Fälle. Wie schon 2021 haben die Strafverfolgungsbehörden und der NDB in 27 Fällen Antennensuchläufe angeordnet. Diese Zunahme der durchgeführten Antennensuchläufe bei gleichbleibender Fallzahl kann verschiedene Ursachen haben, wie beispielsweise die Erhöhung der Anzahl Mobilfunkantennen im betroffenen Gebiet. Werden die Antennensuchläufe ausser Betracht gelassen, ist lediglich eine Steigerung der Überwachungsmassnahmen von 9 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen.

Zunahme der komplexen Auskünfte und Telefonbuchabfragen

Im Jahr 2022 haben die Strafverfolgungsbehörden und der NDB rund 21 Prozent mehr Auskünfte (komplexe und einfache Auskünfte) beim Dienst ÜPF eingeholt. Es wurden 14'483 komplexe Auskünfte (z.B. Ausweiskopien oder Vertragsdaten) geliefert, was einem Anstieg von rund 59 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Diese Erhöhung ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass auf jede Anfrage mehrere Ergebnisse geliefert werden können. Die Anzahl der Anfragen nach komplexen Auskünften ist lediglich um ungefähr 33 Prozent gestiegen. Ebenso wurden die einfachen Auskünfte (Telefonbuch- oder IP-Adressen-Abfragen) häufiger verlangt. Die Anzahl der erteilten einfachen Auskünfte stieg um 19 Prozent auf 356'286.

Vermögensdelikte und Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz

Ein Drittel aller Überwachungsmassnahmen (Echtzeit- und rückwirkende Überwachungen) wurde zur Aufklärung von Vermögensdelikten angeordnet. Ein Viertel der Massnahmen wurde zur Ermittlung von schweren Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz durchgeführt und fast 9 Prozent für Notsuchen. Rund 5 Prozent der Massnahmen jeweils aufgrund strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben sowie Verbrechen und Vergehen gegen die Freiheit. Letztere haben im Vergleich zum Vorjahr um fast 70 Prozent zugenommen. Die übrigen Überwachungsmassnahmen teilen sich auf Fahndungen und diverse Deliktarten auf, darunter auch strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität sowie Verbrechen und Vergehen gegen den öffentlichen Frieden.

IMSI Catcher und GovWare

Im Jahr 2022 ist die Anzahl Einsätze mit besonderen Informatikprogrammen (GovWare) auf 7 (gegenüber 11 im Vorjahr) gesunken. Die meisten davon wurden bei der Überwachung schwerer Betäubungsmitteldelikte eingesetzt. Die Anzahl Einsätze der besonderen technischen Geräte (IMSI-Catcher) beläuft sich auf 120 (Vorjahr: 112). Diese Instrumente wurden grösstenteils bei Notsuchen nach vermissten Personen (39) und schweren Betäubungsmitteldelikten (41) eingesetzt.

Überwachungen des NDB

Der NDB ordnete im Jahr 2022 95 Überwachungen an und stellte 13'721 Auskunftsgesuche (15'654 erteilte Auskünfte). Im Jahr davor waren es 47 Überwachungen bzw. 6811 Auskunftsgesuche (7781 erteilte Auskünfte). 2022 führte der NDB bedingt durch die weltpolitische Lage vermehrt komplexe Abklärungen durch. Anzumerken ist, dass sich die Zählweise des NDB und des Dienstes ÜPF unterscheidet (siehe dazu Infobox).

Gebühren und Entschädigungen

Die Strafverfolgungsbehörden der Kantone und der Bund (z.B. Bundesanwaltschaft, NDB) entrichteten im Jahr 2022 mit fast 12,4 Millionen Franken 6 Prozent mehr Gebühren als im Vorjahr. Den Mitwirkungspflichtigen wurden Entschädigungen in der Höhe von rund 6,7 Millionen Franken vergütet (gegenüber rund 5,9 Mio. im Vorjahr). Der Gesamtaufwand des Dienstes ÜPF lag mit 31,7 Millionen Franken leicht tiefer als im Vorjahr mit 31,9 Millionen Franken. Der Kostendeckungsgrad des Dienstes ÜPF ist von 37 Prozent im Vorjahr auf 39 Prozent gestiegen.

Infobox

Massnahmen zur Überwachung

Die Schweizer Strafverfolgungsbehörden können zur Aufklärung von schweren Straftaten gestützt auf die Strafprozessordnung (StPO; SR 312.0) Massnahmen anordnen zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs. Dasselbe kann auch der Nachrichtendienst des Bundes (NDB), gestützt auf das Nachrichtendienstgesetz (NDG; SR 121).

Jede Überwachungsanordnung einer Staatsanwaltschaft muss von der zuständigen richterlichen Genehmigungsbehörde (Zwangsmassnahmengericht) geprüft und genehmigt werden. Der NDB holt vor jeder Durchführung einer Massnahme die Genehmigung des Bundesverwaltungsgerichts sowie die Freigabe durch den Vorsteher oder die Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) ein. Vorab konsultiert diese bzw. dieser den Vorsteher oder die Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und den Vorsteher oder die Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD).

Der Dienst ÜPF nimmt zuletzt eine formelle Prüfung vor. Dabei prüft er, ob die anordnende Behörde tatsächlich zuständig ist und ob sich die Überwachungsanordnung auf eine strafbare Handlung gemäss Deliktkatalog (Art. 269 StPO) bezieht respektive ob im Falle des NDB eine genehmigte und freigegebene genehmigungspflichtige Beschaffungsmassnahme laut Art. 26 ff. NDG vorliegt. Der Dienst ÜPF weist die Mitwirkungspflichtigen (MWP) anschliessend an, ihm die fraglichen Daten zu übermitteln. Er stellt die Daten dann den auswertenden Strafverfolgungsbehörden oder dem NDB zur Verfügung. Vom Inhalt der Daten und den betreffenden Ermittlungen erhält der Dienst ÜPF keine Kenntnis. Die Strafverfolgungsbehörden und der NDB bezahlen für die Durchführung der Überwachungsmassnahmen Gebühren und die MWP werden für ihre Tätigkeit entschädigt. Massgebend für die Höhe der Gebühren und Entschädigungen ist die Verordnung über die Gebühren und Entschädigungen für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (GebV-ÜPF; SR 780.115.1).

Hinweis zur neuen Zählweise ab 2018 bzw. 2019

Mit dem Inkrafttreten des revidierten Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF; SR 780.1) hat der Dienst ÜPF eine angepasste Zählweise der statistischen Daten eingeführt. Grundsätzlich werden alle Massnahmen, die einen Überwachungsauftrag an eine MWP zur Folge haben, in der Statistik berücksichtigt. Eine Ausnahme bilden Aufträge an eine MWP aus technischen Gründen, etwa weil die MWP für die Ausführung einer Massnahme zwei Aufträge vom Dienst ÜPF benötigt. Diese technischen Aufträge werden seit dem Jahr 2018 nicht mehr in die Statistik aufgenommen. Der Transparenz halber werden seit 2019 die Antennensuchläufe getrennt von den rückwirkenden Überwachungsmassnahmen in der Statistik geführt.

Es ist zu beachten, dass auf ein Delikt bzw. eine genehmigungspflichtige Beschaffungsmassnahme, mehrere Überwachungsanordnungen entfallen können. So können zum Beispiel sowohl der Festnetzanschluss als auch mehrere Mobiltelefone einer mutmasslichen Täterschaft überwacht werden. Weiter wird häufig dieselbe Mobiltelefon-Nummer bei verschiedenen MWP zur Überwachung in Auftrag gegeben, um sämtliche Roaming-Fälle abdecken zu können. Die Anzahl der von Überwachungsmassnahmen direkt betroffenen Personen liegt demnach merklich tiefer, als die Anzahl der angeordneten Überwachungsmassnahmen.

Hinweis zur unterschiedlichen Zählweise NDB und Dienst ÜPF
Die Zählweise des NDB und des Dienstes ÜPF unterscheiden sich, weshalb die Zahlen nicht miteinander vergleichbar sind. Der Dienst ÜPF erfasst die Anzahl Überwachungsaufträge pro beauftragte MWP. Wird beispielsweise dieselbe Mobiltelefonnummer bei drei verschiedenen MWP zur Überwachung in Auftrag gegeben, weist der Dienst ÜPF in seiner Statistik drei Überwachungsaufträge aus. Der NDB hingegen weist in einem solchen Fall eine Massnahme aus. Eine genehmigungspflichtige Beschaffungsmassnahme nach Artikel 26 ff. NDG kann dabei zu mehreren Überwachungsanordnungen führen, wenn z.B. die Überwachung derselben Mobiltelefon-Nummer bei verschiedenen MWP angeordnet wird.

Glossar

Echtzeitüberwachung
Eine Echtzeitüberwachung ist die simultane, leicht verzögerte oder periodische Übertragung der Post- oder Fernmeldeverkehrsdaten; z. B. Telefon- oder E-Mail-Überwachungen (Mithören von Telefonaten bzw. Mitlesen von E-Mails).

Rückwirkende Überwachung
Eine rückwirkende Überwachung beinhaltet die Verbindungsnachweise (wer hat mit wem wann und wie lange telefoniert etc.) der zurückliegenden sechs Monate.

Antennensuchlauf
Ein Antennensuchlauf umfasst die rückwirkende Überwachung aller an einem bestimmten Standort angefallenen Kommunikationen, Kommunikationsversuche und Netzzugänge, welche über eine bestimmte Mobilfunkzelle (oder WLAN Zugangspunkt) während eines bestimmten Zeitraumes stattgefunden haben. Relevant ist die Anordnung pro Zelle pro 2 Stunden.

Fahndung
Im Rahmen einer Fahndung können die Strafverfolgungsbehörden Personen aufspüren, gegen die in einem rechtskräftigen und vollstreckbaren Entscheid eine Freiheitsstrafe verhängt oder eine freiheitsentziehende Massnahme angeordnet worden ist.

Notsuche
Ausserhalb von Strafverfahren können Massnahmen der Fernmeldeüberwachung angeordnet werden, um vermisste Personen wie z. B. verunfallte Wanderer oder vermisste Kinder zu finden und zu retten.

Einfache Auskunft
Einfache Auskünfte können Basisinformationen zu Teilnehmeranschlüssen (Telefonbuchabfragen) sein oder sie können den Behörden über Fragen wie "Welche Telefonnummern sind auf eine bestimmte Person registriert?" Auskunft geben.

Komplexe Auskunft
Komplexe Auskünfte (ehemals technisch-administrative Auskünfte) liefern weitergehende Informationen zu Fernmeldeanschlüssen wie Vertrags- oder Ausweiskopien.


Adresse für Rückfragen

Jean-Louis Biberstein (Leiter Recht & Controlling), Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr, T +41 58 462 26 27


Herausgeber

Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr
https://www.li.admin.ch/

https://www.admin.ch/content/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-94661.html