Verbesserter Lohnvergleich für Menschen mit Invalidität

(Letzte Änderung 05.04.2023)

Bern, 05.04.2023 - Die Bestimmung des Invaliditätsgrades von Versicherten, bei welchen kein Vergleich des effektiven Einkommens vor und einem nach der Invalidität möglich ist, soll verbessert werden. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 5. April 2023 eine entsprechende Änderung der IV-Verordnung bis zum 5. Juni in die Vernehmlassung geschickt. Die bisher angewendeten hypothetischen Löhne, die als zu hoch kritisiert wurden, sollen um einen Pauschalabzug von 10% reduziert werden, um den Einschränkungen auf dem Arbeitsmarkt Rechnung zu tragen. Dies führt zu höheren IV-Renten. Die vom Parlament verlangte rasche Erarbeitung von neuen, invaliditätskonformen Lohntabellen erweist sich als kompliziert und sehr zeitaufwändig und kann vorderhand nicht wie verlangt umgesetzt werden. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Anpassung hingegen kann mit dem gewünschten Effekt bereits auf Anfang 2024 in Kraft gesetzt werden.

Der sogenannte Invaliditätsgrad (IV-Grad) bestimmt die Höhe einer IV-Rente. Er wird ermittelt aus dem Vergleich des Einkommens, welches eine Person vor der Invalidität erzielt hat, und jenem, das sie mit der Invalidität noch erzielt. Die Differenz in Prozenten ergibt den IV-Grad. Bei invaliden Personen ohne Einkommen muss ein in ihrer Situation erzielbares Einkommen angenommen werden. Dazu werden Erhebungsdaten des Bundesamtes für Statistik (BFS) für zahlreiche Berufsbilder und mehrere Kompetenzstufen beigezogen. Diese bilden die Einkommen von Personen ohne Invalidität ab, also tendenziell höhere Löhne, als Personen mit Behinderung sie erzielen können.

Wenn beim Einkommensvergleich ein zu hohes hypothetisches Einkommen angenommen wird, so resultiert eine zu kleine Differenz zum Einkommen vor der Invalidität, somit ein zu tiefer IV-Grad. Dies führt zu einer zu tiefen Rente, in Grenzfällen kann der Anspruch auf eine Rente vollständig entfallen. Mit der seit 2022 geltenden IV-Reform wurde dieses Problem bereits teilweise behoben. Zur umfassenden Korrektur sieht der Bundesrat mit der Änderung der IV-Verordnung nun vor, dass das hypothetische Einkommen gemäss Lohnerhebungsdaten des BFS mit einer pauschalen Reduktion von 10% in die Vergleichsrechnung einbezogen wird. Der Prozentsatz beruht auf der Einschätzung einer Studie von 2021 des Büros BASS. Dieses Alternativmodell erzielt den vom Parlament gewünschten Effekt. Es basiert auf anerkannter statistischer Methodik, berücksichtigt den Forschungsstand, ist praktikabel und kann ohne umfangreiche regelmässige Anpassungen bereits auf Anfang 2024 umgesetzt werden.

Anwendung auch auf laufende Renten

Die Neuerung wird in allen neuen Rentenfällen angewendet, sofern die invaliden Personen kein Einkommen erzielen. Entsprechende bereits laufende Renten müssen die IV-Stellen innerhalb von zwei Jahren nach den neuen Regeln revidieren. Dies betrifft nur die grob geschätzt 30'000 Rentnerinnen und Rentner ohne Invalideneinkommen, die nicht bereits eine ganze Rente (IV-Grad von 70% und mehr) erhalten.

Finanzielle Auswirkungen auf die IV und andere Sozialversicherungen

Gemäss einer groben Schätzung werden für die IV Mehrkosten von 85 Mio. Franken pro Jahr erwartet. Es werden auch mehr Personen, deren IV-Grad nicht für die Zusprache einer Rente ausreicht, Anspruch auf Umschulungsmassnahmen haben. Die Mehrkosten dafür können nicht zuverlässig abgeschätzt werden.

Bei den Ergänzungsleistungen ergeben sich durch die höheren Renten einerseits Einsparungen. Da mehr Betroffene Anspruch auf eine Rente und somit teilweise auch Anspruch auf EL haben werden als heute, ergeben sich für die EL anderseits auch Mehrausgaben. Per Saldo werden jährliche Mehrkosten von 23 Mio. Franken geschätzt. Diese Kosten entfallen zu 5/8 auf den Bund, zu 3/8 auf die Kantone. Gemäss grober Schätzung könnten sich die Mehrkosten in der beruflichen Vorsorge auf rund 20 Mio. Franken pro Jahr belaufen.

Festlegung des IV-Grads

Derzeit wird zur Festlegung des IV-Grads auf die Medianlohndaten aus der Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik abgestützt (LSE-Lohntabellen). Fachpersonen aus den Bereichen Recht und Forschung hatten auf dieser Basis und abgestützt auf Ergebnisse aus der Schweizer Paraplegiker-Forschung erste Entwürfe von angepassten Lohntabellen für den IV-Bereich erarbeitet. Das Parlament beauftragte mit der Motion 22.3377 «Invaliditätskonforme Tabellenlöhne bei der Berechnung des IV-Grads» den Bundesrat, eine der Einkommensrealität von Menschen mit Behinderung besser angepasste Bemessungsgrundlage für die IV einzuführen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen berief dazu Anfang 2022 eine Arbeitsgruppe ein, in der das BFS, das Bundesamt für Gesundheit und die erwähnten Fachpersonen vertreten sind. Die Arbeiten haben rasch bestätigt, dass die Erarbeitung von angepassten Lohntabellen sehr anspruchsvoll und in kurzer Zeit nicht möglich ist. Eine solche müsste die Situation aller Betroffenen (körperlich, psychisch, kognitiv beeinträchtigt; Mehrfacherkrankungen; Männer und Frauen; Berufsfeld; berufliche Kompetenzen) angemessen widerspiegeln, den gewünschten Effekt für alle erzielen, dürfte dabei keine nachteiligen Effekte auslösen und müsste mit verhältnismässigem Aufwand praktikabel sein.

 


Adresse für Rückfragen

Florian Steinbacher
Vizedirektor
Leiter Geschäftsfeld Invalidenversicherung
Bundesamt für Sozialversicherungen BSV
+41 58 462 43 00
florian.steinbacher@bsv.admin.ch



Herausgeber

Der Bundesrat
https://www.admin.ch/gov/de/start.html

Eidgenössisches Departement des Innern
http://www.edi.admin.ch

Bundesamt für Sozialversicherungen
http://www.bsv.admin.ch

https://www.admin.ch/content/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-94138.html