Internationaler Vergleich: Ärztinnen und Ärzte der Schweizer Grundversorgung bewerten die Leistungen des Gesundheitssystems am besten

Bern, 14.02.2023 - Die Ärztinnen und Ärzte der Schweizer Grundversorgung bewerten das eigene Gesundheitssystem im internationalen Vergleich am besten. Über die Hälfte ist mit der eigenen Tätigkeit zufrieden; allerdings hat die Zufriedenheit in den letzten Jahren abgenommen, während der wahrgenommene Stress deutlich zugenommen hat. Der hausärztliche Nachwuchs ist primär weiblich; immer mehr Ärztinnen und Ärzte arbeiten in Gruppenpraxen. Dies geht aus der internationalen Umfrage hervor, die unter der Schirmherrschaft der Stiftung Commonwealth Fund in zehn Ländern durchgeführt wurde.

Die Schweiz nimmt regelmässig an den internationalen Befragungen der Stiftung Commonwealth Fund teil. 2022 wurden die Grundversorgerinnen und Grundversorger befragt; dazu zählen Ärztinnen und Ärzte der Allgemeinen Inneren Medizin, der Kinder- und Jugendmedizin sowie praktische Ärztinnen und Ärzte. Von den 1114 befragten Grundversorgerinnen und Grundversorger in der Schweiz bewerten über 90 Prozent die Gesamtleistung des Gesundheitssystems als gut oder sehr gut, was international erneut dem ersten Platz entspricht, trotz zwischenzeitlicher Covid-19-Pandemie.

Die Mehrheit (81 Prozent) der Ärztinnen und Ärzte gibt an, dass die Qualität der Behandlungen, die sie angeboten haben, während der Pandemie gleich gut geblieben ist wie in der Zeit vor der Pandemie; nur 11 Prozent haben eine Verschlechterung wahrgenommen. Dies ist international das beste Ergebnis und spricht für eine gewisse Robustheit der Behandlungsqualität in Krisensituationen.

Zunehmender Stress

Über die Hälfte (58 Prozent) der befragten Ärztinnen und Ärzte ist äusserst zufrieden oder sehr zufrieden mit der eigenen Praxistätigkeit, was international – wie bereits 2019 – einem ersten Rang entspricht. Allerdings ist dieses hohe Niveau an Zufriedenheit seit 2019 deutlich zurückgegangen, wie in fast allen befragten Ländern.

Gleichzeit nimmt der Anteil gestresster Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz zu: 43 Prozent bewerten ihre Arbeit als sehr stressig oder äusserst stressig, was deutlich höher ist als 2019 (37 Prozent), im internationalen Vergleich jedoch dem zweitniedrigsten Wert entspricht. Eine mögliche Ursache für die Zunahme des Stressniveaus könnte die Covid-19-Pandemie sein, da mehr als die Hälfte (56 Prozent) der Ärztinnen und Ärzte angeben, die Arbeitsbelastung habe aufgrund der Pandemie etwas zugenommen oder erheblich zugenommen. Beim Stressniveau gibt es Unterschiede zwischen den Ärztegruppen, wobei die Pädiater und Pädiaterinnen mit 32 Prozent das tiefste Stressniveau angaben. Ein Drittel der Befragten ist indes mit der Work-Life-Balance in hohem Masse zufrieden, was im internationalen Vergleich der höchste Wert ist.

Über zwei Drittel (68 Prozent) der Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz sehen den Zeitaufwand, der durch administrative Arbeiten (wie z.B. im Zusammenhang mit der Rechnungsstellung) entsteht, als grosses Problem. Im internationalen Vergleich ist dies der höchste Wert und es entspricht einer deutlichen Zunahme seit 2019 (61 Prozent). Allerdings gibt ein grosser Anteil der Befragten an, dass sie weniger als 10 Prozent der Arbeitszeit für administrative Arbeiten aufwenden.

Fehlender Nachwuchs in der Hausarztmedizin

In der Schweiz ist knapp die Hälfte (48 Prozent) der Ärztinnen und Ärzte in der Grundversorgung 55-jährig oder älter, was im internationalen Vergleich ein hoher Wert darstellt. Der Bund hat in den vergangenen Jahren diverse Massnahmen zur Stärkung der medizinischen Grundversorgung umgesetzt. Die Abschlüsse in allgemeiner innerer Medizin und als Praktischer Arzt bzw. Praktische Ärztin haben seit 2016 zugenommen. Der Frauenanteil in der Hausarztmedizin hat sich seit 2012 von knapp einem Drittel (30 Prozent) auf fast die Hälfte (46 Prozent in 2022) erhöht. Die Feminisierung erklärt sich wohl auch durch die Möglichkeit zu Teilzeitarbeit. Dennoch ist der hausärztliche Nachwuchs noch tief, vor allem bei den Männern.

Einzelpraxen nehmen ab

Die Befragung bestätigt den Trend zu Gruppenpraxen und die Abkehr von langen Arbeitswochen. Der Anteil Ärztinnen und Ärzte, die in einer Gruppenpraxis arbeiten, ist in den letzten zehn Jahr von 44 auf 67 Prozent gestiegen.
Gleichzeitig sinkt der Anteil an Ärztinnen und Ärzten, die lange Arbeitswochen von 45 oder mehr Stunden leisten. Waren es vor zehn Jahren noch 68 Prozent, die mehr als 45 Stunden in der Woche arbeiteten, sind es 2022 50 Prozent. Knapp ein Viertel der befragten Ärztinnen und Ärzte arbeitet zwischen 35 und 44 Stunden; ein weiteres Viertel unter 35 Stunden in der Woche.

Die Hälfte der Befragten plant mit einem Anschluss ans Elektronische Patientendossier


Immer mehr Ärztinnen und Ärzte in der Grundversorgung dokumentieren die Krankengeschichte ihrer Patientinnen und Patienten elektronisch (82 Prozent). Verglichen mit der letzten Erhebung 2019 (70 Prozent) haben vor allem die älteren Ärztinnen und Ärzte sowie die Pädiaterinnen und Pädiater aufgeholt. Trotzdem belegt die Schweiz im internationalen Vergleich weiterhin den letzten Rang.

Drei Prozent der befragten Ärztinnen und Ärzte in der Grundversorgung nutzen das elektronische Patientendossier (EPD) und sind entsprechend an einer Stammgemeinschaft oder Gemeinschaft angeschlossen. Ein grosser Anteil (57 Prozent) der Ärztinnen und Ärzte plant mit einem baldigen EPD-Anschluss, während 40 Prozent angeben, einen Anschluss nicht zu planen. Es sind vor allem Ärztinnen und Ärzte, die sich bereits im Pensionsalter befinden oder in Einzelpraxen arbeiten, die keinen Anschluss planen. Den höchsten Anteil der bereits ans EPD angeschlossene Ärztinnen und Ärzte findet man mit gut 6 Prozent in der französischsprachigen Schweiz.
Das EPD soll in zwei Schritten weiterentwickelt und seine Verbreitung vorangetrieben werden. Dazu hat der Bundesrat im Januar erste Massnahmen getroffen und Vorschläge in die Vernehmlassung geschickt.

Die Studie zeigt zudem, dass die Grundversorgerinnen und Grundversorger in der Schweiz im internationalen Vergleicht bezüglich elektronischen Austausches (z.B. Labordaten oder Krankheitsbilder) mit anderen Gesundheitsfachpersonen in den hinteren Ränge fungiert. Abgesehen von der E-Mail-Kommunikation fällt auch das eHealth-Angebot von Seiten der Grundversorgerinnen und Grundversorgen für die Patientinnen und Patienten in der Schweiz vergleichsweise begrenzt aus.

Die Schweiz nimmt seit 2010 an der internationalen Befragung des Commonwealth Fund zur Gesundheitsversorgung teil. Der Commonwealth Fund ist eine private, nicht-gewinnorientierte Stiftung, die die Förderung gut funktionierender und effizienter Gesundheitssysteme mit besserem Zugang zur Krankenversicherung und die Qualitätsverbesserung der Leistungen zum Ziel hat.

Die Erhebung 2022 bezieht sich wie bereits in den Jahren 2012, 2015 und 2019 auf die Ärztinnen und Ärzte in der Grundversorgung. Beteiligt haben sich neben der Schweiz auch Australien, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Kanada, Neuseeland, Niederlande, Schweden und die USA. Die Befragung wurden in der Schweiz im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit BAG und in enger Kooperation mit der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH durchgeführt. Insgesamt wurden 1114 Grundversorger in den drei grossen Sprachregionen der Schweiz befragt.


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