Brücken- und CFK-Pionier mit Weltformat - Urs Meier wird 80

(Letzte Änderung 06.01.2023)

Dübendorf, St. Gallen und Thun, 06.01.2023 - Kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe (CFK) im Bauwesen einzusetzen, galt vor gut 40 Jahren als revolutionär, wenn nicht gar utopisch. Der ehemalige Direktor des Empa-Standorts Dübendorf Urs Meier, der diese Idee hatte und durch seine Forschung und Entwicklungen Wesentliches zu ihrer Realisierung beitrug, feiert am 8. Januar 2023 seinen 80. Geburtstag.

Seit den 1980er-Jahren hat Urs Meier weltweit Pionierleistungen im Bereich der Forschung, Entwicklung und Anwendung von kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffe (CFK) im Bauwesen erbracht. Seine Idee, das bis dahin nur in der Raum- und Luftfahrt gebräuchliche Material auch auf diesem eher «irdischen» Gebiet einzusetzen, hat zahlreiche Innovationen ausgelöst. Die nachträgliche Verstärkung von Bauwerken und anderer Strukturen mit CFK ist eine ökologisch sinnvolle Massnahme, da sie einen Beitrag zur Reduktion des Verbrauchs an Ressourcen im Bau leistet. Auf die energie- und rohstoffintensive Erstellung neuer Bauwerke kann oftmals verzichtet werden, weil sich mit CFK bauliche Schäden beheben oder bestehende Bauten neuen Anforderungen anpassen lassen. Die Entwicklungen von Urs Meier und seiner Forschungsgruppe haben einer Reihe von Schweizer Unternehmen national und international neue Geschäftsfelder eröffnet und somit dazu beigetragen, den Werk- und Innovationsplatz Schweiz zu stärken. Heute gehören CFK auch im Bauwesen zum «Stand der Technik».

Erstmals eingesetzt wurden CFK in Lamellenform zur Sanierung der Ibachbrücke in Luzern im Jahr 1991. CFK sind sehr viel leichter, ermüdungsfester und korrosionsresistenter als die früher verwendeten Stahllaschen. Seither folgten zahlreiche erfolgreiche Projekte, etwa 1996 die Eröffnung der Storchenbrücke in Winterthur, bei der erstmals zwei Tragseile aus CFK verbaut wurden.

Doch Bauwerke haben immer auch einen kulturellen Aspekt. Die Anwendung von CFK-Lamellen bei der Sanierung historischer Bauwerke wie der Reussbrücke in Sins und des Landesmuseums in Zürich leistete einen Beitrag zur Erhaltung unseres kulturellen Erbes. Die jährlich verwendete Menge an CFK nimmt daher stetig zu. Dies war nur dank Urs Meiers unermüdlichem Einsatz möglich. Er prägt und begleitet die Entwicklung bis heute.

Vielfach ausgezeichnet und geehrt

In seiner Laufbahn erwarb Meier mehrere Patente und veröffentlichte gegen 300 wissenschaftlich-technische Publikationen. Er hielt hunderte von Vorträgen, Kursen und «Keynotes» auf der ganzen Welt, um die Verwendung von Verbundwerkstoffen, insbesondere CFK im Bauwesen, zu fördern. Meier erhielt ausserdem eine ganze Reihe renommierter Auszeichnungen: Das «Canada Research Network» bedankte sich 2004 für die jahrelange Zusammenarbeit mit einem nach ihm benannten Stipendium, dem «Urs Meier Scholarschip». Im Jahr 2005 verlieh ihm das «Royal Military College of Canada» die Ehrendoktorwürde und ehrte ihn damit als «geistigen Urheber für Kanadas Erfolge auf dem Gebiet der kohlenstofffaserverstärkten Bauwerke». Im Jahr darauf zeichnete ihn die Internationale Gesellschaft für faserverstärkte Kunststoffe im Bauwesen (IIFC) mit dem «Lifetime Achievement Award» aus. 2007 folgte der «Fellowship Award» der «International Society for Structural Health Monitoring of Intelligent Infrastructure» (ISHMII). 2008 verlieh ihm das Department Werkstoffe der ETH Zürich anlässlich seiner Verabschiedung die Staudinger-Durrer-Medaille für seine langjährige Vorlesungstätigkeit an der Hochschule; sein Kurs «Verbundwerkstoffe» wurde gar als «legendär» bezeichnet, Urs Meier selbst als «Mittler zwischen Empa und ETH» und als «Gesicht für die Composites an der ETH wie auch an der Empa». 2019 durfte der CFK-Pionier eine weitere prestigeträchtige Auszeichnung entgegennehmen – den «Fellow Award» der in rund 40 Ländern vertretenen «Society for the Advancement of Materials and Process Engineering» (SAMPE). Und 2022 wurde Urs Meier zum Abschluss der 18. «European Bridge Conference» in Edinburgh in einem feierlichen Anlass im historischen Stadthaus für seine visionären Forschungen und Entwicklungen mit dem «Lifetime Achievement Award» geehrt.

Ruhestand? Nix für Urs Meier!

Auch nach seiner Pensionierung im Jahr 2008 blieb Urs Meier der Empa erhalten und arbeitete an diversen Projekten mit. Eine der neueren Arbeiten war ein Gutachten zur Stadtbahnbrücke in deutschen Stuttgart-Degerloch. Ursprünglich war die Brücke mit herkömmlichen Stahlhängern geplant worden, danach kam die Idee auf, die Stahlseile durch vorgespannte CFK-Hänger zu ersetzen. Für neue Produkte und Konstruktionen dieser Art ist in Deutschland eine bauaufsichtliche Zulassung nötig – in diesem Fall war für das völlig neue Bauprodukt eine «Zustimmung im Einzelfall» möglich, die wiederum den detaillierten Nachweis der Eignung erforderte. Neben Ermüdungseigenschaften der CFK-Seile beachtete Meier daher auch Fragen zu Witterungsbeständigkeit, Blitzschlag oder Brand; zudem wurde der Einfluss elektrischer und magnetischer Felder sowie Vandalismus einkalkuliert. 2018 erlaubte die baden-württembergische Zulassungsbehörde die Verwendung von CFK-Hängern beim Bau der Brücke über die Autobahn A8 unter bestimmten Auflagen. Die feingliedrige, 127 Meter lange Stadtbahnbrücke über die Autobahn A8 bei Stuttgart, die 2020 eröffnet wurde und deren 72 Hängeseile komplett aus CFK der Firma Carbo-Link in Fehraltorf, ein Spin-off der Empa, bestehen, wurde erst vor kurzem mit dem Deutschen Ingenieurbaupreis 2022 ausgezeichnet – ein weiterer Erfolg.

 

Curriculum Vitae (Auszug)

1968 schloss Urs Meier sein Studium an der ETH Zürich als Bauingenieur ab und trat darauf als Projektmanager für die Untersuchung grosser Bauteile in die Empa ein. 1972 wurde er zum Abteilungsleiter «Kunststoffe/Composites» ernannt, 1979 zum Leiter des Ressorts «Baustoffe». Ab 1989 führte er die Empa am Standort Dübendorf als Direktor, 2002 wurde er zum stellvertretenden Leiter der Empa ernannt und 2008 (teil-)pensioniert. Die Jahre 1971/72 und 1977/78 verbrachte Urs Meier am renommierten «Massachusetts Institute of Technology» (MIT) in Boston. Seit 1975 hielt er Vorlesungen an der ETH Zürich, 1989 wurde ihm von der ETH Zürich der Professorentitel verliehen. Für seine Arbeiten erhielt Meier immer wieder namhafte Auszeichnungen, so etwa 1990 im Wettbewerb «Technologiestandort Schweiz». Urs Meier feierte am 8. Januar 2023 seinen 80. Geburtstag.

Audio-Podcast Spezialfolge: Der steinige Weg in die Baupraxis – mit Prof. Urs Meier, ehemaliger Empa-Direktor in Dübendorf
Es dauert oft lange, bis neue Materialien ihren Weg in die Baupraxis finden. Jemand, der sich damit besonders gut auskennt, ist Prof. Urs Meier, langjähriger Direktor der Empa am Standort Dübendorf und ein weltweit bekannter Pionier für den Einsatz von kohlefaserverstärkten Kunststoffen im Bau. In dieser Spezialfolge anlässlich seines 80. Geburtstags spricht Peter Richner mit ihm darüber, wie er vor rund 40 Jahren auf die Idee gekommen ist, dieses innovative Material zu entwickeln und welche Hürden und Herausforderungen es zu bewältigen gab, bis es in ersten Pilotprojekten zur Anwendung kam. Die beiden unterhalten sich zudem über die enormen Chancen, die kohlefaserverstärkte Kunststoffe für den Baubereich bieten und darüber, wie man künftig aus Luft Brücken bauen kann.
Link zu dieser Spezialfolge: Empa - NEST - Podcast


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