Bundesrat lehnt Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» ab

Bern, 09.12.2022 - Der Bundesrat beantragt dem Parlament, die Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» ohne Gegenvorschlag abzulehnen. Dies hat er an seiner Sitzung vom 9. Dezember 2022 beschlossen. Die Initiantinnen und Initianten wollen mit einer Verfassungsänderung eine Impfpflicht und bei Bekämpfungsmassnahmen übertragbarer Krankheiten eine Differenzierung der Bevölkerung nach Impfstatus ausschliessen. Der Initiativtext geht indes weit über das Thema «Impfen» hinaus. Er verlangt generell, dass das Grundrecht auf körperliche und geistige Unversehrtheit vom Staat nur eingeschränkt werden darf, wenn die betroffene Person zustimmt. Dies würde in diversen gesellschaftlichen Bereichen zu Rechtsunsicherheit führen, etwa in der Strafverfolgung oder im Kindes- und Erwachsenenschutz. Bereits heute gilt zudem, dass in der Schweiz niemand gegen seinen Willen zu einer Impfung gezwungen werden darf.

Die Initiantinnen und Initianten wollen sicherstellen, dass jede Person in der Schweiz frei entscheiden kann, ob sie sich impfen lassen will oder nicht. Lehnt eine Person eine Impfung ab, soll das für sie keine sozialen oder beruflichen Nachteile haben. Der Initiativtext enthält indes keinerlei explizite Erwähnung von Impfungen. Die Initiative verlangt generell, dass bei jedem staatlichen Eingriff in die körperliche oder geistige Unversehrtheit die Zustimmung der betroffenen Person vorliegen muss.

Damit tangiert die Initiative insbesondere das staatliche Gewaltmonopol (Polizeiwesen, Strafverfolgung und Strafvollzug, Militär, Ausländer- und Asylwesen etc.). Würde die Initiative angenommen, dürfte die Polizei beispielsweise ohne Zustimmung der betroffenen Personen keine Verdächtigen mehr festnehmen, und der Staat könnte keine ausländischen Straftäter mehr ausschaffen oder keine abgewiesenen Asylsuchenden mehr in ihr Heimatland zurückführen, wenn die Zustimmung dieser Personen fehlt. Insofern zielt die Initiative weit über Impfungen hinaus.

Grundrecht auf persönliche Freiheit und Zustimmungserfordernis

Das Grundrecht auf persönliche Freiheit, insbesondere auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Bewegungsfreiheit, ist in der Bundesverfassung festgeschrieben. Ein staatlicher Eingriff in das Grundrecht setzt grundsätzlich die Zustimmung der Betroffenen voraus.

Der Staat kann dieses Grundrecht aber unter bestimmten Bedingungen einschränken, etwa bei Massnahmen im polizeilichen Bereich, in der Strafverfolgung oder im Kindes- und Erwachsenenschutz. Bedingung ist, dass eine gesetzliche Grundlage besteht, ein öffentliches Interesse vorliegt oder die Grundrechte anderer Personen gefährdet sind und die Einschränkungen verhältnismässig sind. Die neue Verfassungsbestimmung würde hier zu einer grossen Rechtsunsicherheit führen, da unklar wäre, wie die genannten Bedingungen für die Einschränkung der persönlichen Freiheit von den Verwaltungs- und Gerichtsbehörden ausgelegt und angewendet würden.

Bereits heute gilt: Keine Impfung ohne Einwilligung

Bereits heute darf in der Schweiz niemand gegen seinen Willen zu einer Impfung gezwungen werden. Für jede Impfung braucht es die Einwilligung der betroffenen Person.

Zur Bekämpfung von Epidemien sieht das Epidemiengesetz die Möglichkeit vor, dass die Kantone oder der Bundesrat eine Impfung für bestimmte Personengruppen und für eine begrenzte Zeit für obligatorisch erklären können. Dies, wenn eine erhebliche Gefahr besteht und die Bevölkerung nicht mit anderen Massnahmen geschützt werden kann. Lehnt eine Person die Impfung ab, kann dies für sie gewisse berufliche oder soziale Konsequenzen haben, bei Gesundheitsfachpersonen etwa der Wechsel in eine andere Abteilung. Ein solches behördliches Impfobligatorium auf Bundesebene wurde bisher noch nie zur Anwendung gebracht; weder während der H1N1-Pandemie 2009, noch in der Covid-19-Pandemie.

In der Abstimmung über das Epidemiengesetz im Jahr 2013 hat sich die Stimmbevölkerung klar für die Möglichkeit eines beschränkten Impfobligatoriums ausgesprochen. Der Bundesrat erachtet es zudem als angemessen, dass im Kontext einer Pandemiebekämpfung Personen ohne Impf- oder Immunitätsnachweis gewisse Einschränkungen der Teilnahme am öffentlichen Leben erfahren können, wenn damit weitergehende Massnahmen wie beispielsweise Schliessungen verhindert werden können.

Der Bundesrat beantragt dem Parlament, die Volksinitiative Volk und Ständen zur Abstimmung vorzulegen und sie ohne direkten Gegenentwurf oder indirekten Gegenvorschlag zur Ablehnung zu empfehlen.


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