«Ich bin überzeugt, dass wir unsere Eigenständigkeit und Souveränität nur dann aufrechterhalten können, wenn wir mit Staaten zusammenarbeiten, die unsere Werte teilen.»

Bern, 15.11.2022 - Ansprache von Bundesrätin Viola Amherd, Chefin des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), anlässlich der Zeremonie «Dies Academicus» an der Universität Fribourg, Dienstag, 15. November 2022.

Es gilt das gesprochene Wort

Madame la Rectrice,
Madame la Conseillère d’État,
Mesdames et Messieurs les Professeurs,
chers invités,

Je suis très heureuse de pouvoir vivre avec vous la cérémonie du Dies Academicus en tant que présidente d’honneur. Il y a 35 ans, je terminais mes études dans cette même université, qui reste chère à mon cœur.

C’est l’occasion pour moi de me pencher sur l’université en tant que « fabrique de la pensée ». Car, par les temps qui courent, il me semble plus important que jamais de réfléchir à ce qui nous arrive.

Je vais aller droit au but. Une guerre a été déclenchée en dépit de tout bon sens à notre porte, dans un pays d’Europe, et comme nous l’avons toutes et tous bien compris, elle entraîne un véritable changement d’époque.

Non seulement elle se traduit sur place par une avalanche sans fin ni raison de missiles et de bombes, mais elle bouleverse aussi notre quotidien en modifiant fondamentalement nos perspectives et en remettant en question des certitudes de longue date.

Als Mitglied der Landesregierung muss ich stets einen breiten Horizont im Auge haben, und als Verteidigungsministerin bin ich mir auch unterschiedliche Flughöhen gewohnt. Horizont und Flughöhe helfen mir, meiner wichtigsten Verpflichtung nachzukommen: die Sicherheit unserer Bevölkerung und unseres Landes im Blick zu haben.

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, muss ich mich hie und da auch auf eine akademische Flughöhe begeben. Dabei erkenne ich an dieser – ja: meiner – Universität einen sehr breiten Horizont.

Nomen est Omen: Die Schweiz kann am Programm «Horizon Europe» als sog. «nicht assoziiertes Drittland» nur sehr beschränkt teilnehmen – die schwierige Situation ist allen bekannt. Sie kann aber auch so wertvolle Beiträge zu europäischen Forschungsprojekten leisten.

Erst kürzlich hat das Internationale Forschungs- und Beratungszentrum des Instituts für Föderalismus den Zuschlag für ein Projekt erhalten. Dieses untersucht die Auswirkungen staatlicher Massnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie in 31 europäischen Ländern auf die Legitimität der demokratischen Regierungsführung, die Rechtsstaatlichkeit und das Engagement des Staates gegenüber seinen Bürgern.

Die Schweizerinnen und Schweizer sind diesbezüglich – zurecht – sehr sensibel, gehört doch die direkte Partizipation der Bevölkerung an der politischen Entscheidfindung zu unserer DNA.

Ich kann Ihnen heute schon versprechen, dass wir uns die Forschungsresultate genau ansehen werden, denn sie sollen nicht nur helfen, die Covid-19-Krise besser zu verstehen, sondern auch für die Bewältigung künftiger Krisen herangezogen werden.

Die Berücksichtigung des renommierten Instituts erhöht nicht nur die Legitimation des Projekts selbst, sondern adelt auch Ihre Universität und den Forschungsplatz Schweiz. Weil «adeln» alleine nicht genügt, ist die möglichst rasche Assoziierung der Schweiz an «Horizon Europe» nach wie vor ein erklärtes Ziel des Bundesrates. – Wir bleiben dran.

«Denken» in den Dimensionen «Breite» und «Flughöhe» wird auch von der Landesregierung eingefordert. In ihrem jährlichen Sicherheitspolitischen Bericht vom 24. November 2021 wies sie – beinahe prophetisch – darauf hin, ein «schwerwiegender Krisenfall an der Nato-Ostgrenze könne zu einer grossen Herausforderung für Europa und zu politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Instabilitäten und zu Ausfällen der Versorgungsketten sowie Migrationsbewegungen» führen.

Nach dem kurz darauf erfolgten Einmarsch in die Ukraine fügte der Bundesrat die Dimension «Dringlichkeit» hinzu und liess einen Zusatzbericht über die Folgen des Krieges ausarbeiten.

Herausforderungen wie die Sicherstellung der Energieversorgung oder rissig gewordene Lieferketten sind also innert kürzester Zeit zur Aufforderung mutiert, grenzüberschreitend – und ich meine damit: global – zu denken und zu handeln.

Wenn ich hier Bundesrat Ogi zitiere, wonach es nicht darum geht, wer zuerst auf dem Gipfel ist, sondern dass alle dort oben ankommen, muss ich beifügen, dass er diesen Satz an der Eröffnungsrede des WEF gesagt hat, also vor einem globalen Publikum, und das im Jahr 2000.

Heute sind wir alle – d.h. Staat, Wirtschaft, Bildungsstätten und die Zivilgesellschaft – besonders gefordert. Für unsere kleine Schweiz im Herzen Europas ist «Kooperation» das Gebot der Stunde.

Es mag paradox erscheinen, aber ich bin überzeugt, dass wir unsere Eigenständigkeit und Souveränität nur dann aufrechterhalten können, wenn wir mit Staaten zusammenarbeiten, die unsere Werte teilen, sei es in Europa oder darüber hinaus.

In diesem Rahmen dürfen dem Denken von Wissenschaft, Gesellschaft und Politik keine Grenzen gesetzt werden.

«Universität», «Wissenschaft» und «Forschung» sind nicht etwas Weltfremdes. Die Rolle der Universitäten kann ohnehin nicht genug gewürdigt werden, haben sie doch als «Denkfabriken» avant la lettre seit jeher massgeblich zu unserem Wohlstand beigetragen.

Heute heisst es zuweilen, sie hätten sich von den gesellschaftlichen Realitäten entfernt und seien «abgehoben». Dabei vergisst man gerne, dass die technologische Innovationsfähigkeit, um die die Schweiz weltweit benieden wird, auch auf hochqualifizierte Forschung und die konkrete Anwendung der Resultate zurückgeht, sei es im industriellen Massstab oder in zahllosen Start-ups sowie KMUs, welche das Rückgrat unserer Wirtschaft bilden.

Gleichzeitig wird mit dieser Behauptung die Bedeutung des «Denkens» in der «Denkfabrik» unterminiert.

Zum einen ist das erwähnte Forschungsprojekt Bestandteil eines grossen Forschungsrahmenprogramms mit dem Titel «Globale Herausforderungen und die industrielle Wettbewerbsfähigkeit Europas». Wissenschaftlich «nachgedacht» wird dort über existentielle Themen wie Gesundheit, zivile Sicherheit, Digitalisierung, Industrie, Klima, Energie, Mobilität und andere mehr. Die Resultate werden dann auch den politischen Entscheidungsträgern zugutekommen.

«Nachgedacht» wird hier aber auch über weniger handfeste, aber in Zeiten von fake news immer wichtiger werdende Themen.

So ist historisches Denken über Osteuropa schweizweit nirgends so stark verankert wie an den Universitäten Freiburg und Bern. Sie besitzen mit der Schweizerischen Osteuropabibliothek auch eine der grösseren europäischen Forschungsbibliotheken zur Zeitgeschichte und Gegenwart Osteuropas. Mich erstaunt deshalb nicht, dass sich Vorlesungen und Seminare ausführlich mit Fragen zur politischen und sozialen Transformation, zur Demokratisierung oder zum institutionellen Wandel in dieser Region befassen und diese historisch einzuordnen versuchen.

Wenn also der russische Präsident von der Ukraine als «künstlichem» oder «gescheitertem Staat» spricht oder ihr schlichtweg das Existenzrecht abspricht, können Sie dem mit der Aufarbeitung historischer Quellen und aktueller Forschungsliteratur entgegenhalten.

Mit Verlaub: «Abgehoben» ist anders!

Bei allem Ernst: Ich spreche auch gerne über andere Dinge und lache zwischendurch gerne. Hier geht man nun tatsächlich wissenschaftlich einer Frage nach, die wir eigentlich schon lange beantworten können: dass man vor lauter Lachen nicht mehr sprechen kann! Damit sind auch schon Bundesräte beinahe weltberühmt geworden. Bevor es mit mir so weit kommt, beschliesse ich hier meine Rede und danke für Ihre Aufmerksamkeit!


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