Wege für eine bessere Nutzung wissenschaftlicher Expertise in Krisenzeiten

Bern, 15.11.2022 - Die Wissenschaft ist stärker in die Politikgestaltung einzubeziehen, vor allem in Krisen. Es ist jedoch nicht möglich, dass für jede denkbare Krise ein Referenzinstitut geschaffen wird. Sicher aber müssen sich Forschende im Hinblick auf Politikberatung vernetzen und die Anlaufstellen bei Politik und Verwaltung kennen. Zwischen den Behörden und den wissenschaftlichen Organisationen braucht es einen regelmässigen Austausch. Verbesserungspotenzial ortet der Schweizerische Wissenschaftsrat SWR zudem bei der Krisentauglichkeit von ausserparlamentarischen Kommissionen sowie den Regeln für wissenschaftliche Task Forces.

Kriege, Epidemien, Erderwärmung, Migrationsbewegungen, Verknappung von Gütern und Strommangellage. «Was wir heute beobachten, ist nicht eine Krise, sondern mehrere, die in komplexer Weise zusammenwirken. Die Rolle der Wissenschaft in der Politik muss deshalb auf vielfältige Art und Weise gestärkt werden», sagt Sabine Süsstrunk, Präsidentin des Schweizerischen Wissenschaftsrates SWR. In seiner neusten Publikation untersucht der Rat, wie wissenschaftliche Expertise und Beratung die Schweiz am effektivsten unterstützen können.

Ein vom SWR in Auftrag gegebener Expertenbericht analysiert die Fallbeispiele Finanzkrise, Fukushima-Unfall und Covid-19-Pandemie. Aufgrund der Vielfalt und der Unberechenbarkeit von Krisen kommen die Autorinnen und Autoren zum Schluss, dass es nicht einen Beratungsmechanismus gibt, der für alle Krisentypen geeignet ist. Vielmehr müssen verschiedene Instrumente verbessert oder weiterentwickelt werden.

Die Empfehlungen des SWR an den Bundesrat sollen dazu dienen, dass wissenschaftliche Expertise systematischer in der Prävention, Vorbereitung und Bewältigung von Krisen zu Nutzen kommen. Zentrales Anliegen dieser Empfehlungen ist, dass Politik- und Wissenschaftswelt mehr voneinander wissen, sich besser verstehen und damit ihre unterschiedlichen Rollen stärken.

Die Empfehlungen des SWR im Überblick:

Agenda Setting
Die Wissenschaft muss die Möglichkeiten haben, neue und weniger bekannte Risiken auf die politische Agenda zu bringen – auf Anfrage und aus eigener Initiative. Dazu sollen die Anlaufstellen auf allen Ebenen von Politik und Verwaltung ausgebaut und in der Wissenschaftscommunity bekannt gemacht werden.

Die Wissenschaftsorganisationen einbeziehen

Politikerinnen und Politiker sollen regelmässig mit den Präsidien von swissuniversities, ETH-Rat, Akademien, dem Schweizerischen Nationalfonds, Innosuisse und SWR zusammenkommen, um Bedrohungen und Herausforderungen zu diskutieren. Hochschulen sollen ermutigt werden, Politikberatung als Teil ihres Auftrags zugunsten der Gesellschaft zu verstehen. Die Akademien sollen die Expertinnen und Experten der Politikberatung koordinieren und vernetzen.

Wissenschaft und Krisenmanagement verbinden
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen Zugang zu den Kenntnissen und Fähigkeiten haben, die für eine effiziente Politikberatung erforderlich sind. Dazu braucht es gemeinsame Übungen sowie weitere Formen der Vernetzung mit Fachleuten des Krisenmanagements in der Bundesverwaltung.

Ressortforschung konsequenter nutzen

Die Ressortforschung kann in der Bereitschaftsplanung von Krisen eine wichtige Rolle einnehmen; sie soll genutzt werden, um in kurzer Zeit Wissen über Bedrohungen und Risiken zu generieren. Zudem ist sie systematisch in den Prozess der Politikgestaltung einzubeziehen. Die Ressortforschung kann auch dazu beitragen, Brücken zwischen Wissenschaft und Politik zu schlagen.

Ausserparlamentarische Kommissionen krisentauglich machen
Diejenigen ausserparlamentarischen Kommissionen, die sich unter anderem mit Krisenbereitschaft und -bewältigung beschäftigen, sind zu benennen und ihre geeignete fachliche Zusammensetzung ist zu garantieren. Sie sollen sich auf spezifische Krisen ausrichten können, indem sie eine adäquate Rechtsgrundlage und verstärkte Unterstützung erhalten. Im Krisenfall sollen sie auch aus eigener Initiative beratend aktiv werden können.

Regeln für wissenschaftliche Task Forces festlegen
Für komplexe Situationen mit besonderem Beratungsbedarf soll eine wissenschaftliche Task Force die Behörden unterstützen. Die Expertinnen und Experten sollen in Zusammenarbeit mit den Wissenschaftsorganisationen aus einem übergreifenden Netzwerk in einem transparenten Verfahren rekrutiert werden. Die Task Force muss thematisch angemessenen breit aufgestellt sein; je nach Entwicklung einer Krise ist die fachliche Zusammensetzung anzupassen. Die Regeln der Mitarbeit und Kommunikation sind im Vorfeld zu klären.


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Lukas Zollinger, Leiter der Geschäftsstelle SWR
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