Schweizweite Überprüfung des Verwahrungsvollzugs

Bern, 27.10.2022 - Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) veröffentlicht heute ihren Bericht zum Verwahrungsvollzug in der Schweiz. Die Kommission konnte positive Sachverhalte ausmachen, erkannte aber auch Handlungsbedarf. Als positiv stuft sie den Umgang der Mitarbeitenden des Justizvollzugs mit den verwahrten Personen und die teils festgestellten Anstrengungen zur Verbesserung des Verwahrungsvollzugs ein. Sie empfiehlt jedoch, dass Spezialeinrichtungen oder Spezialabteilungen in bestehenden Einrichtungen geschaffen werden müssen. Handlungsbedarf ortet die Kommission auch im Bereich der Erstellung von psychiatrischen Gutachten.

Die angeordnete Verwahrung bedeutet faktisch einen lebenslangen Aufenthalt zumeist in einer Justizvollzugsanstalt. Die verwahrten Personen haben ihre Strafe bereits verbüsst, wenn sie den Verwahrungsvollzug antreten. Dieser hat deshalb nicht den Zweck die verwahrte Person zu bestrafen. Dem und dem langen Verbleib in einer Einrichtung und den damit einhergehenden Bedürfnissen von älteren verwahrten Personen müssen die Behörden deshalb Rechnung tragen.

Die Kommission zieht eine positive Bilanz, wenn es um die Arbeit der Mitarbeitenden des Justizvollzuges mit den verwahrten Personen geht. Sie stellt einen menschlichen und verständnisvollen Umgang fest. Sie begrüsst die Anstrengungen einzelner Einrichtungen, trotz infrastrukturellen und systembedingten Zwängen den Verwahrungsvollzug weniger restriktiv zu gestalten als den Vollzug von Strafen. Sie kommt jedoch zum Schluss, dass für eine Erfüllung der menschenrechtlichen Standards und aufgrund des Zwecks einer Verwahrung zwingend Spezialeinrichtungen oder Spezialabteilungen in bestehenden Einrichtungen geschaffen werden müssen. Entsprechend positiv bewertet sie die von den besuchten Justizvollzugsanstalten vorgestellten Projekte und Pläne zur Schaffung von spezialisierten Abteilungen.

«Die Kommission besuchte verwahrte Personen in der Justizvollzugsanstalt Solothurn und informierte sich über das Projekt zum Umgang mit diesen Personen. Sie begrüsst die Bemühungen der Behörden die Verwahrung freier zu gestalten», erklärt die Präsidentin der NKVF, Regula Mader. Die Kommission stellte im Rahmen ihrer Untersuchung jedoch fest, dass der Verwahrungsvollzug in der Schweiz teilweise nicht den menschenrechtlichen Standards entspricht. Diese Situation ist in erster Linie systembedingt, indem betroffene Personen mehrheitlich im Normalvollzug von geschlossenen Justizvollzugsanstalten untergebracht sind.

Besonderen Handlungsbedarf erkannte die Kommission bei der fehlenden individuellen Ausgestaltung des Vollzugs im Rahmen der Vollzugspläne. Aufgefallen sind der Kommission zudem die Tendenz, dass sich in Gutachten zur Gefährlichkeit von verwahrten Personen die formulierten Erkenntnisse über die Jahre wiederholen. Sie weist auf die Bedeutung eines multidisziplinären Ansatzes beim Erstellen von Gefährlichkeitsprognosen und Vollzugsplänen hin.

Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter überprüfte im Zeitraum von 2019 bis 2021 die Situation von Personen, die sich in der Schweiz in Verwahrung befinden. Die NKVF orientierte sich bei der Überprüfung an den einschlägigen nationalen und internationalen Vorgaben zum Verwahrungsvollzug. Grundlage der Überprüfung bildeten eine vertiefte Aktenanalyse sowie Gespräche mit betroffenen Personen. Im Rahmen ihrer Besuche legte die Kommission ein besonderes Augenmerk auf die Möglichkeit einer Umwandlung der Verwahrung durch die zuständigen Behörden, den Vollzugsort und das geltende Haftregime, Vollzugsöffnungen, Vorhandensein und Qualität der Vollzugspläne, den Zugang zu psychiatrischer Grundversorgung sowie die Behandlung von älteren Personen.

Vor dem Hintergrund ihrer Erkenntnisse formulierte die Kommission anschliessend eine Reihe von Empfehlungen, die sie den Behörden zur Stellungnahme unterbreitete. Der Bericht und die Stellungnahmen der Kantone und der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und - direktoren (KKJPD) wird heute in Deutscher und Französischer Sprache veröffentlicht.


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