Menschenhandel: Bericht zeigt grosse kantonale Unterschiede auf

Bern, 15.09.2022 - Die Schweiz hat in der Bekämpfung des Menschenhandels Fortschritte gemacht. Ein von fedpol in Auftrag gegebener Bericht zeigt, dass die Kantone unterschiedlich mit Menschenhandel konfrontiert sind und ihn folglich auch unterschiedlich bekämpfen. In den meisten Kantonen sind die Massnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels dem jeweiligen Risiko angepasst. Es besteht indes noch Luft nach oben.

Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung oder der Ausbeutung der Arbeitskraft macht in einer globalisierten Welt auch vor der Schweiz nicht halt. Internationale Überwachungsgremien kritisieren, dass es in der Schweiz erhebliche kantonale Unterschiede in der Bekämpfung von Menschenhandel gibt. fedpol mandatierte das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) mit der Erstellung des Berichts «Bekämpfung von Menschenhandel im kantonalen Kontext», um mehr Erkenntnisse über das tatsächliche Risiko von Menschenhandel in den Kantonen sowie die kantonalen Massnahmen gegen Menschenhandel zu erhalten.

Unterschiedliche Risiken führen zu unterschiedlichen Massnahmen

Die Autoren und Autorinnen des nun publizierten Berichts kommen zum Schluss, dass die einzelnen Kantone nicht alle die gleichen Risiken für Menschenhandel aufweisen. Dieses Risiko wird von verschiedenen Faktoren massgeblich bestimmt. Urban geprägte Kantone weisen ein hohes Risiko für Menschenhandel auf, das massgeblich von der Grösse des Sexgewerbes mitbestimmt wird. Eher ländlichere und touristische Kantone können ein beträchtliches Risiko für Ausbeutung der Arbeitskraft aufweisen. Dieses Bewusstsein ist in der Mehrheit der Kantone denn auch vorhanden: In den meisten Kantonen sind die Massnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels dem jeweiligen Risiko angepasst. 18 Kantone setzen einen Runden Tisch gegen Menschenhandel ein und stellen damit die Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Akteuren (Polizei, Justiz, Migrationsbehörden, Opferschutzstellen) sicher.

Fokus auf sexueller Ausbeutung

Generell ist die Bekämpfung von Menschenhandel in der Schweiz noch stark auf die sexuelle Ausbeutung fokussiert, während Ausbeutungsrisiken in anderen Bereichen in vielen Kantonen zu wenig mitberücksichtigt werden. Hierzu schlägt der Bericht die Intensivierung der Ausbildungen von Arbeitsinspektoren und weiteren Akteuren, die mit potentiellen Opfern in Kontakt kommen könnten, die Vernetzung der relevanten Stellen und Organisationen, die Schaffung eines separaten Straftatbestands zur Arbeitsausbeutung sowie die Sensibilisierung der Bevölkerung vor.

Mehr Kontrollen - mehr aufgedeckte Fälle

Menschenhandel ist ein sogenanntes Kontrolldelikt: Er passiert im Versteckten und wird von der Öffentlichkeit in der Regel nicht wahrgenommen. Es braucht Kontrollen und Ermittlungen, um Fälle von Menschenhandel aufzudecken. Ohne die Aussagen der Opfer ist es zudem schwierig, gegen Menschenhändler zu ermitteln und sie vor Gericht zu bringen. Damit die Polizei und weitere Fachpersonen potentielle Opfer erkennen können und wissen, wie in Verdachtsmomenten konkret vorzugehen ist, bedürfen sie spezifischer Kenntnisse und müssen Aus- und Weitergebildet werden. Dies setzt gewisse Strukturen voraus. In kleineren Kantonen mit einem mässigen Risiko wäre die Schaffung gesonderter kantonaler Strukturen nur bedingt gerechtfertigt. Stattdessen könnten gemeinsame, kantonsübergreifende Mechanismen geschaffen werden.

Erkenntnisse fliessen in Erarbeitung des dritten NAP gegen Menschenhandel ein

Die Erkenntnisse der Studie werden durch die Resultate der im Oktober 2021 veröffentlichten Evaluation des zweiten Nationalen Aktionsplans (NAP) gegen Menschenhandel gestützt und dienen als Grundlage für die Erarbeitung des dritten NAP: Dieser soll sich auf diejenigen Bereiche konzentrieren, bei welchen weiterhin Handlungsbedarf besteht. Dazu gehört insbesondere der Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft. Auch sollen die Kantone in der Strafverfolgung und der Opferunterstützung weiter gestärkt werden.


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