AEE Kongress

Bern, 01.09.2022 - Rede von Bundesrätin Simonetta Sommaruga, 01.09.2022, Emmen

(Es gilt das gesprochene Wort)

Sehr geehrter Herr Regierungsrat

Geschätzte Vertreterinnen und Vertreter der eidenössischen Räte

Liebe Gäste

Erinnern Sie sich noch daran, was Sie am 21. Mai 2017 getan haben?

Ich weiss es noch. Ich habe mich gefreut, und zwar so richtig gefreut über das Ja der Bevölkerung zur Energiestrategie.

Gefreut haben mich auch die Einordnungen. Der Tagesanzeiger kommentierte damals, das sei ein «überlegter und wichtiger Schritt». Und der Walliser Bote schrieb: «Gut so. Mit dem überaus deutlichen Ja zur Energiestrategie hat das Stimmvolk den Weg frei gemacht in eine Energiezukunft, die auf Sicherheit und Sauberkeit setzt». Recht hatten sie.

Es war ein 58-prozentiges Ja zum Energiegesetz und es war zu 100 Prozent die richtige Strategie – damals schon, und heute erst recht. Wir müssen unsere fatale Abhängigkeit von Gas und Öl reduzieren.

Aber natürlich: Eine Strategie darf nicht toter Buchstabe sein, sondern muss umgesetzt werden. Und das konsequent, wir müssen sie «z Bode bringe».

Darum haben wir rasch einige Änderungen an die Hand genommen.

Es hat sich beispielsweise gezeigt, dass es für die erneuerbare Energie weiter Förderung braucht. Die Energiestrategie wollte die Förderung eigentlich auslaufen lassen, aber wir haben das korrigiert. Die Wirtschaft und die Strombranche brauchen schliesslich Investitionssicherheit – und zwar bis mindestens 2035.

Neben der Förderung braucht es auch mehr Tempo. Darum haben wir auf Ebene Bund die Bürokratie abgebaut und Vorschriften vereinfacht. Zudem schlägt der Bundesrat eine Beschleunigung der Planungs- und Bewilligungsverfahren vor. Wir können es uns nicht mehr leisten, dass grössere Projekte 20 Jahre zwischen Behörden und Gerichten hin- und hergeschoben werden.

Klar ist auch, dass Worte nicht reichen, es braucht handfeste Projekte, damit wir weiterkommen.

Darum habe ich einen Runden Tisch Wasserkraft gemacht. Und siehe da: Branche, NGO und Kantone haben sich auf 15 ganz konkrete Stausee-Projekte verständigt. Diese Projekte sind sowohl aus Sicht der Produktion als auch aus Umweltsicht sinnvoll. Darum müssen wir ihren Bau jetzt vorantreiben.

Diese Anpassungen habe ich schon vor dem Krieg in der Ukraine eingeleitet. Mit dem Krieg sind sie aber noch viel wichtiger geworden.

Denn Russland hat uns den Gashahn zugedreht. Mal kommen noch 60 Prozent dann noch 20, derzeit kommt gar kein Gas mehr. Da spielt jemand mit uns, und zwar ein übles, bitterernstes Spiel. Das müssen wir uns vergegenwärtigen, wenn wir mit der aktuellen Situation hadern.

Wenn wir nicht mehr länger Spielball von fremden, autoritären Mächten bleiben wollen, müssen wir uns aus dieser Abhängigkeit lösen.

Als wären der Krieg gegen die Ukraine und der Energie-Krieg, den Putin führt, nicht schon genug, haben wir auch noch andere Sorgen:

  • Mehr als die Hälfte der Atomkraftwerke in Frankreich steht still. Wegen Korrosionsschäden und Revisionen kommt viel weniger Strom zu uns.
  • Dazu kommt dieser heisse Sommer, kaum ein Tropf Regen ist gefallen. Wir konnten wegen der tiefen Pegelstände weniger Öl auf dem Rhein in die Schweiz holen.

Es braucht jetzt vorausschauende, kluge Politik. Wir müssen mehr einheimischen Strom produzieren und Energie sparsam einzusetzen. Wer noch nicht angefangen hat, muss jetzt ran, aber subito. Oder die Bremsen lösen, wie es Ihrem heutigen Motto entspricht.

Ich kann es nicht oft genug wiederholen. Jetzt scheint mir, wird es gehört. Die Energiekommission des Ständerats hat dringliche Massnahmen zur Erhöhung der Winterstromproduktion beschlossen. Sie will eine Solarpflicht für Neubauten.

Die UREK will zudem eine gesetzliche Grundlage für grosse Solaranlagen in den Alpen. Es sind beides Vorschläge, für die sich auch Ihre Branche stark gemacht hat, Vorschläge, wo ich Ihre Unterstützung habe. Dafür danke ich Ihnen.

Die Solarpflicht auf Neubauten und die alpinen Solaranlagen kommen nun im Dringlichkeitsrecht.

Die Kommission macht jetzt also vorwärts. Der Bundesrat macht schon länger Nägel mit Köpfen.

Mit Blick auf den Winter haben wir Reserven und Polster angelegt.

  • Als erste Absicherung hat er eine Wasserkraftreserve beschlossen, mit der die Schweiz beim Strom die kritische Zeit Ende Winter besser überbrücken kann.
  • Als zweite Absicherung ist der Bund daran, Reservekraftwerke einzurichten, die mit Öl betrieben und ebenfalls gegen Ende Winter gezielt eingesetzt werden können. 
  • Der Bundesrat hat die Gasbranche auch beauftragt, ergänzend zu den ordentlichen Gaslieferungen für den kommenden Winter Gas zu beschaffen. Die Branche hat dieses Ziel erreicht.
  • Damit es möglichst gar nicht erst zu einem Engpass kommt, haben wir gestern zudem die grosse Energiesparkampagne lanciert. Die Botschaft ist klar: Energie ist kostbar. Darum dürfen wir sie nicht verschwenden. Alle können mithelfen, dass es für alle reicht. Das Interesse seitens der Wirtschaft an der Kampagne ist riesig, ich danke allen für die Unterstützung.
Die Liste dieser Massnahmen zeigt: Wir sind rund um die Uhr daran, den Winter vorzubereiten. Eine kurzfristige Massnahme für mehr Winterstrom hat das UVEK jetzt an die Hand genommen:

Wasserkraftwerke sollen diesen Winter zeitlich befristet mehr Wasser für die Stromproduktion nützen dürfen. Wir sind an einer Verordnung. Sie erfasst die Wasserkraftanlagen, die bereits saniert worden sind und heute Restwassermengen haben, die über gesetzliche Mindestanforderungen hinausgehen. Aber nur diese.

Sie sehen, mit mir kann man über Kompromisse beim Umweltschutz reden. Sei es bei der Photovoltaik, der Wasserkraft oder auch der Windenergie.

Wer über die Schweizer Energiepolitik spricht, darf zudem eines nicht vergessen Wir haben unsere AKW mit dem Ja zur Energiestrategie nicht einfach abgeschaltet. Die AKW laufen, solange sie sicher sind und es sich für die Betreiber rentiert. Heute ist die Rede von Laufzeiten von bis zu 60 Jahren. Das würde bedeuten, dass Gösgen bis 2039 und Leibstadt bis 2044 Strom produzieren könnten. Mein Grosskind wird dann längst erwachsen sein. Soviel zum Vorwurf, wir würden übereilt aus der Atomenergie aussteigen.

Der Krieg in der Ukraine ist also ein Weckruf. Nicht nur bezüglich Energie. Er ist es auch aussenpolitisch.

Wir müssen uns Überlegungen machen über unser künftiges Verhältnis zu Europa. Wir haben zahlreiche Themen zu klären. Sie wissen, die Schweiz hat seit langem Interesse an einem Stromabkommen. Das Abkommen könnte einiges verändern. Wir hätten wohl eine einfachere Zusammenarbeit mit der EU. Aber alles kann ein Abkommen auch nicht.

Das aktuelle Problem – unsere Abhängigkeit bei Öl und Gas – würde das Abkommen nicht lösen. Dieses Problem müssen wir selber angehen.

Geschätzte Damen und Herren

Das Jahr 2022 ist ein aufwühlendes Jahr. Es führt uns vor Augen welche Risiken wir mit unserem Handeln seit Jahren in Kauf nehmen. Das Jahr 2022 kann aber auch zum Jahr der nächsten Generationen werden. Es zeigt, was möglich ist.

Oft wird unterschätzt, wie schnell sich neue Technologien durchsetzen, wenn sie effizienter und billiger werden und die Rahmenbedingungen stimmen.

Viele Technologien sind heute da und verbreiten sich gut. Gebäude werden energetisch gedämmt, Elektrobusse ersetzen Dieselbusse. Wir haben immer mehr Ladestationen. Elektroautos können aber nicht nur Strom beziehen, sondern ihn auch wieder ins Netz einspeisen – ich stelle dazu in Kürze ein konkretes Projekt vor.

Auch andere neue Technologien könnten sehr viel bringen, haben jedoch Mühe, sich von allein zu verbreiten. Gutes ist für ein Nischendasein aber viel zu schade. Wir sollten dafür sorgen, dass wir Gutes gross machen, skalieren und die Wertschöpfung hierbehalten. Ich bin dankbar, dass ich dabei auf Ihre Unterstützung zählen kann.

Mesdames et messieurs

À vous qui assistez aujourd’hui à ce congrès, je le répète très volontiers en français.

Nous avons d’importants défis à relever. Pour y parvenir, il nous faut faire preuve d’ouverture. Nous devons produire davantage d’électricité renouvelable indigène et utiliser l’énergie de manière économe. Nous devons agir rapidement et de manière cohérente. Ceux qui n’ont pas encore commencé doivent maintenant vraiment s’y mettre.

Comme le suggère le titre de votre congrès, il est temps que les derniers aussi passent à l’action. Je tiens tout particulièrement à vous remercier de votre soutien.

Herzlichen Dank für Ihren Mut und Ihr Engagement in den letzten Jahren!


Adresse für Rückfragen

Kommunikation UVEK, Tel. +41 58 462 55 11


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