Akzeptanz von Krisenmassnahmen durch die Bevölkerung – Publikation des Schweizerischen Wissenschaftsrates

Bern, 29.08.2022 - Die Covid-19-Pandemie hat die Gesundheitssysteme, die Wirtschaft und fast alle Lebensbereiche unter grossen Druck gesetzt. Daher hat der Schweizerische Wissenschaftsrat SWR analysiert, wie sich die Schweiz für künftige Krisen unterschiedlichster Art rüsten kann. Dazu hat er das Fachwissen von Forschenden wie auch von Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft, der Politik und der Verwaltung eingeholt. Seine Empfehlungen betreffen die Gesellschaft, die Politik sowie die Wissenschaft und konzentrieren sich auf den Aspekt der Akzeptanz.

«Die Akzeptanz der Präventions- und Krisenbewältigungsmassnahmen ist eine Voraussetzung für jede Verhaltensänderung durch die Bevölkerung», so Sabine Süsstrunk, Präsidentin des SWR. In der Schweiz tragen die direkte Demokratie und der Föderalismus zur Unterstützung der Massnahmen bei. Dauert eine Krise an, nimmt die Akzeptanz ab. Dann müssen die politischen Entscheidungsträgerinnen und -träger Wege finden, um den Zusammenhalt in der Bevölkerung zu stärken. Sie müssen dazu die Partizipation neu erschliessen, ohne die politische Handlung zu beeinträchtigen.

In Zeiten grosser Unsicherheit engagieren sich zahlreiche Forschende und stellen Entscheidungshilfen bereit. Ihr Beitrag ist unerlässlich, um die verfügbaren Daten und wissenschaftlichen Resultate zu interpretieren. Die Expertinnen und Experten müssen jedoch zunächst ihre Rolle in der Politik und in der Gesellschaft klären − sowohl für sich selbst als auch gegenüber anderen.

Auf der Grundlage seiner Analyse identifiziert der SWR Handlungsfelder und formuliert folgende Empfehlungen für Gesellschaft, Politik und Wissenschaft:

Erwartungen aufeinander abstimmen
Damit die Bevölkerung schwierige Massnahmen mitträgt, muss sie in der Lage sein, Risiken zu bewerten, ohne sie zu überschätzen oder deren langfristigen Auswirkungen zu unterschätzen. Zudem ist es wichtig, die Möglichkeiten und Grenzen von Wissenschaft und Politik richtig einzuordnen.

Gesellschaftsrelevante Daten teilen
Die Entscheide der Behörden müssen sich auf verschiedenartige und rasch verfügbare Daten abstützen. Die Sozialwissenschaften sollen dazu beitragen, die aussagekräftigen Indikatoren zusammenzustellen. Überdies muss der Aufbau des nationalen Datenmanagements beschleunigt und eine engere Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen gefördert werden. Ab Beginn einer Krise müssen die kantonalen Massnahmen wissenschaftlich begleitet werden. 

Dialogplattformen einrichten
Um den Zusammenhalt und die Akzeptanz in der Bevölkerung sicherzustellen, sind vielfältige ‒ sowohl virtuelle als auch analoge ‒ Formate des Austauschs zu entwickeln. Dabei sollen eine respektvolle Diskussionskultur gefördert werden und auch widersprüchliche Stimmen Platz haben.

Migrationsgemeinschaften einbinden
Die Behörden müssen sich über die Schule, Unternehmen und Fachstellen explizit an die Migrationsbevölkerung wenden. Dies bedeutet auch, ausländische Gemeinschaften anzuhören und aus ihren Erfahrungen bei der Bewältigung von Krisen zu lernen. Die Schweiz nutzt dieses Potenzial noch nicht genügend.

Verantwortung übernehmen
Offenheit und Transparenz bilden die Grundlagen von Leadership, auch in Zeiten hoher Belastung. Politische Entscheidungsträgerinnen und  träger müssen proaktiv über die interne Organisation des Krisenmanagements informieren. Am Ende einer Krise sollen unabhängige Evaluationen in Auftrag gegeben werden.

Expertise mobilisieren
Die Hochschulen müssen Expertinnen und Experten identifizieren und ihnen die nötige Unterstützung bieten, wenn sie beispielsweise in einen Ausschuss berufen werden oder den Medien Auskunft geben sollen. Ausserdem müssen die Hochschulen die Wissenschaftskommunikation als Disziplin weiterentwickeln.

Kommunizieren und zuhören
Die Forschenden müssen sich in guten Kommunikationspraktiken schulen und mit den Abläufen des politischen Systems der Schweiz vertraut machen. Die wissenschaftlichen Organisationen sollen sich an alle Bevölkerungsgruppen wenden, besonders an jene, die die wissenschaftliche Aktualität nicht eng verfolgen.

Social Media untersuchen
Da der Informationsfluss das Vertrauen in der Bevölkerung mitprägt, soll der Bund ein nationales Forschungsprogramm lancieren, das sich mit der Bedeutung der herkömmlichen und sozialen Medien für die Schweizer Demokratie befasst.

Brücken schlagen zwischen Wissenschaft und Politik
Das Grundverständnis zwischen Wissenschaft und Politik soll nicht nur in Krisenzeiten gefördert werden. Ein regelmässiger Austausch hilft, um die jeweiligen Akteure, Mechanismen, Praktiken und Probleme besser kennenzulernen.


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