Generalversammlung des Verbandes der verladenden Wirtschaft und Logistik VAP

Bern, 19.08.2022 - Rede von Bundesrätin Simonetta Sommaruga

Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrter Herr Präsident

Geschätzte Damen und Herren

Letzte Woche haben wir gemeinsam ein schönes Jubiläum feiern können:

175 Jahre Bahnen in der Schweiz. Zwar sind wir im internationalen Vergleich eher spät ins Eisenbahnzeitalter gestartet. Und bis wir einen einheitlichen Fahrplan hatten, dauerte es wegen den kantonal unterschiedlichen Lokalzeiten auch noch eine Weile. Danach haben wir aber rasch aufgeholt.

Dass die Schweiz diesen Vorwärtsdrang uns Bernerinnen und Bernern zu verdanken hat, die mit der BLS mutig auch eine eigene Bahn geschaffen haben, möchte ich nicht behaupten. Was aber wahr ist: Die Genfer Uhren hinkten lang den Berner Uhren hinterher… man glaubt das heute kaum mehr.

Seither haben wir die Bahn stetig ausgebaut – und so verfügen wir heute über ein dichtes Bahnnetz, das sowohl die Zentren als auch die Regionen gut erschliesst. Es dient unserer Bevölkerung und der Wirtschaft. Denn wir haben sie von Anfang an auf den Transport von Menschen und Gütern ausgelegt.

Bei uns ist die Bahn für viele Branchen bis heute das Rückgrat der Logistik. Dass das so ist, hat natürlich auch mit Ihrem Engagement zu tun: Sie sorgen dafür, dass alles gut aufeinander abgestimmt ist. Dass die Logistik-Kette von Produktion, Lagerhalle, Logistikzentren bis auf die Bahn und zu den Kunden gut verzahnt ist und funktioniert. Dafür möchte ich Ihnen herzlich danken!

Die Bahn ist in der Lage, viele Güter auf einmal zu transportieren. Sie ist damit unschlagbar effizient und erst noch umweltfreundlich. Im Güterverkehr durch die Alpen erreicht die Bahn inzwischen Rekordwerte. Die Massnahmen, die wir für die Verlagerung getroffen haben, greifen erfreulicherweise: Mit NEAT, LSVA und 4-Meter-Korridor haben wir die Bahn stärken und dem alpenquerenden Gütertransport auf der Schiene neuen Schwung geben können.

Die Verlagerung der Güter auf die Schiene hat bei uns inzwischen denn auch breiten Rückhalt. Auch für die verladende Wirtschaft geht es nicht mehr um die Frage, ob sie auf der Schiene transportieren soll, sondern wie das am besten erfolgen kann. Für den Bundesrat ist daher klar: Wir wollen das Potenzial, das die Bahn für den Gütertransport hat, weiter stärken.

Dabei wollen wir unser Augenmerk verstärkt dem Binnenverkehr schenken, der für unsere Versorgung ebenfalls von grosser Bedeutung ist. Gemäss Gesetz müssen Angebote des Gütertransports auf der Schiene eigenwirtschaftlich sein. Da der Schienengüterverkehr in der Fläche – und zwar vor allen die aus einzelnen Wagen zusammengestellten Transporte – aber sehr aufwändig ist, rechnet sich das Angebot heute nicht mehr.

Für mich ist darum klar, dass es hier Veränderungen braucht, dass wir das System verbessern, es weiterentwickeln müssen. Sie kennen die beiden Varianten, die zur Diskussion stehen:

  • Entweder hält der Bund an der Eigenwirtschaftlichkeit fest und versucht, die Situation vorab mit Anreizen zu verbessern. Dann würde auf ganze Züge fokussiert, kombiniert mit einer Dekarbonisierung des Strassentransports. Dies würde aber unweigerlich zur Einstellung des Einzelwagenladungsverkehrs führen. Und hätte zur Folge, dass die ohnehin schon stark frequentierte Strasse mit mehreren Hunderttausend Lastwagenfahrten pro Jahr zusätzlich belastet würde. Ganze Züge wären zudem nur noch dort verfügbar, wo grössere Transportvolumen anfallen – also in den urbanen Gebieten.
  • Oder aber wir modernisieren und entwickeln den Einzelwagenladungsverkehr gemeinsam mit Ihnen, mit der Branche weiter. Und sorgen so für eine dauerhafte Sicherung des Netzwerkangebotes. Eines Angebotes, das Transporte zwischen den wichtigsten Logistikzentren und Produktionsstätten sicherstellt. Und es Ihrer Branche so ermöglicht, auf eine aufwändige Lagerhaltung zu verzichten. Diese Option erfordert eine finanzielle Förderung durch den Bund. Wir könnten so neben der Versorgung allerdings auch den Klimaschutz stärken – heutzutage eigentlich ein Gebot der Stunde!

Ich weiss, dass einige von Ihnen SBB Cargo sehr kritisch verfolgen. Deshalb ist es mir wichtig klarzustellen, dass finanzielle Förderung durch den Bund nicht bedeutet, dass der Bund unbesehen hilft. Die Förderung ist an Bedingungen geknüpft: SBB Cargo muss sich neu aufstellen und den Betrieb des Einzelwagenladungsverkehrs effizienter und marktorientierter machen. SBB Cargo muss auch offen sein für neue Geschäftsmodelle in Zusammenarbeit mit den privaten Eisenbahnunternehmen. Was wir uns aber auch bewusst sind: Ohne SBB Cargo geht es nicht! Es geht mit dieser Vorlage um das Überleben des Einzelwagenladungsverkehrs: Diese Vorlage wird nur Erfolg haben, wenn in dieser kritischen Phase alle zusammenstehen.

Wir sind auch bereit, die flächendeckende Einführung der automatischen Kupplung zu unterstützen. Dies ist in beiden Varianten vorgesehen und davon profitiert die ganze Branche. Weil wir so Transporte mit der Bahn vereinfachen, beschleunigen und vergünstigen können. Für eine reibungslose Umsetzung ist aber auch hier wieder eine enge Zusammenarbeit gefragt!

Mein Departement wird im Herbst eine Vorlage mit den beiden Varianten in die Vernehmlassung geben. Deren Ergebnisse werden für den Schienengüterverkehr eine entscheidende Rolle spielen. Es liegt also an Ihnen, an der Branche, sich entsprechend einzubringen.

Wir stehen vor einem wegweisenden Entscheid. Darum sollten wir nicht aus den Augen verlieren, was das Erfolgsrezept der Schweiz ist, was unser Land seit je stark gemacht hat: Dass wir die nötigen Veränderungen am besten gemeinsam anpacken, dass wir gemeinsam Verantwortung übernehmen: Bahn, Branche und natürlich auch der Bund.

Mesdames et Messieurs

Nous sommes à la veille d’une décision importante. C’est pourquoi nous ne devons pas perdre de vue la formule qui fait le succès de la Suisse, ce qui a toujours fait la force de notre pays : aborder les changements nécessaires ensemble, assumer la responsabilité ensemble. Le rail, la branche et bien sûr aussi la Confédération.

Im Interesse einer guten Versorgung mit der Bahn hat der Bundesrat daneben weitere Vorlagen aufgegleist: So die Verlängerung der Rollenden Landstrasse um fünf Jahre. Wir wollen zudem die LSVA weiterentwickeln. Und im Rahmen der «Perspektive Bahn 2050» schlagen wir vor, zusätzliche intermodale Umschlagplattformen und City-Logistik-Angebote zu realisieren. Wir wollen ausserdem den Gütertransport auf dem Rhein fördern.

Meine Damen und Herren

All dies zeigt: Der Bundesrat ist gewillt, die Bahn weiter zu stärken.

Weil die Bahn für Bevölkerung und Wirtschaft so wichtig ist, und weil sie zentraler Bestandteil einer nachhaltigen Verkehrspolitik ist. Natürlich auch, weil die Bahn gute Verbindungen garantiert und weil sie den Zusammenhalt unseres Landes stärkt. 

Der Krieg in der Ukraine führt uns eindrücklich vor Augen, wie wichtig die Bahn ist – und welchen Stellenwert sie auch sicherheitspolitisch hat. «Die Bahn ist Teil der europäischen Sicherheitsarchitektur», hat mein deutscher Kollege, Verkehrsminister Wissing kürzlich zu mir gesagt. Die Bahn bringt Flüchtlinge in Sicherheit, sie transportiert Hilfsgüter und sie exportiert ukrainisches Getreide. LKW-Transporte waren lange kaum mehr möglich. Der Krieg zeigt uns also auch, wie wichtige robuste Lieferketten sind.

Tragen wir darum Sorge zu unserem multimodalen Gütertransport – und entwickeln wir ihn gemeinsam weiter!


Adresse für Rückfragen

Kommunikation UVEK, Tel. +41 58 462 55 11


Herausgeber

Generalsekretariat UVEK
https://www.uvek.admin.ch/uvek/de/home.html

https://www.admin.ch/content/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-89998.html