Our beds are burning

Bern, 09.06.2022 - Fernwärmeforum 2022, Rede von Bundesrätin Simonetta Sommaruga

Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrter Herr Präsident

Geschätzte Anwesende

Sie hätten es vielleicht nicht erwartet – aber dieses Musikstück habe ich ausgewählt. «How can we sleep while our beds are burning?” Ich habe zwar lieber klassische Musik. Aber angesichts der drohenden Energie- und Klimakrise ist mir nicht nach lieblichen Sonaten, sondern nach lauten und deutlichen Tönen.

Es ist schliesslich längstens klar: Wir müssen handeln. Ihr Präsident Othmar Reichmuth hat in seinem Grusswort geschrieben: «Wir werden vieles, wo wir heute noch zweifeln, 2030 als normal empfinden». Das ist Musik in meinen Ohren. Ich ergänze gerne: Wir werden die Veränderungen, die wir heute einleiten, nicht nur als normal empfinden, sondern als richtig und wichtig. Denn beim Ziel sind wir uns einig:

Netto Null 2050. 

Vor 10 Jahren hat meine Vorgängerin Doris Leuthard hier gesprochen. Das war 2012, das Jahr nach Fukushima. Jetzt schreiben wir 2022, und dieses Jahr werden wir immer mit dem Ukraine-Krieg verbinden. Gravierende Ereignisse wie diese zeigen uns auf: Irgendeinmal kann man aus der Komfortzone katapultiert werden.

Der Bundesrat hat in den letzten drei Jahren schon sehr viel Vorsorgearbeit geleistet, damit die Landung nicht zu hart wird.

  • Wir fördern den Ausbau der einheimischen Erneuerbaren.
  • Wir wollen die Verfahren beschleunigen, damit grosse Wind- und Wasserkraftanlagen schneller gebaut werden können.
  • Wir haben mit der Wasserkraftreserve die Versorgung im Winter gestärkt.

Und nicht nur auf Bundesebene geht viel: Immer mehr Gemeinden und Städte machen sich Gedanken über ein Fernwärmenetz oder den Ausbau des Netzes. Es wird immer attraktiver, Wärmeüberschüsse aus grossen Energie- und Kehrichtverbrennungsanlagen für das Heizen und das Warmwasser zu nutzen, gerade in dichter besiedelten Gebieten. Und die Bevölkerung zieht mit: Jüngere Beispiele dazu sind die Volks- und Exekutiventscheide zugunsten thermischer Netze in Basel, Zürich, Schaffhausen oder auch Genf, ich spreche da auch von deutlichen Entscheiden mit bis zu 84 Prozent Ja!

Dass die Bevölkerung mitzieht, untermauert eine aktuelle Umfrage von GFS.bern im Auftrag des Verbands Schweizerischer Energieunternehmen. Sie zeigt: Für die Bevölkerung steht die Versorgungssicherheit zuoberst. Genauso wie für die Wirtschaft, für Sie und für mich.

Das Bewusstsein ist da: Investitionen in erneuerbare Energie und damit auch die Fernwärme zahlen sich aus.

Es sind Investitionen in der Schweiz für die Schweiz. Indem wir konsequent auf einheimische erneuerbare Energien setzen, tun wir einerseits etwas für das Klima – das war von Anfang an ein wichtiges Motiv. Es ist mittlerweile aber auch allen sehr bewusst geworden: Wir machen uns gleichzeitig unabhängiger von Energie aus dem Ausland, das Geld bleibt in der Schweiz – und die Arbeitsplätze auch. Wir stärken unsere Versorgungssicherheit durch einheimische erneuerbare Energien sowie durch die effiziente Nutzung nicht vermeidbarer Abwärme.

Mit dem Ausstieg aus Oel und Gas steigt der Strombedarf für die Wärmeproduktion im Winter. Thermische Netze, die Abwärme oder Geothermie nutzen, wirken unterstützend gegen eine Winterstromlücke.

Der Bundesrat hat Ende 2021 den Bericht «Potenzial von Fernwärme- und Fernkälteanlagen» verabschiedet. Der Bericht zeigt auf, dass dank thermischen Netzen verschiedene vorhandene erneuerbare Energien zur Wärmeversorgung effizient genutzt werden können. Ein forcierter Zubau in Gebieten mit hohen Wärmedichten ermöglicht eine rasche Dekarbonisierung. Das Potenzial von thermischen Netzen ist aber heute höchstens zur Hälfte ausgeschöpft.

Das erlebe ich selber: Im Bundeshaus haben wir es seit 1975 im Winter dank Fernwärme warm. Bei mir daheim habe ich dieses Privileg – noch – nicht. Ich erlebe gerade selber 1:1 wie aufreibend die Koordination für einen Fernwärmeanschluss sein kann, selbst dann, wenn alle anderen Strassen im Quartier schon ans Netz angeschlossen sind, nur eben das eigene Haus und die Nachbarhäuser nicht.

Wir stehen in einer entscheidenden Phase für die Entwicklung von thermischen Netzen. Darum wollen sich der Bund, die Kantone, Städte und Gemeinden gemeinsam für einen beschleunigten Ausbau engagieren. Mit einer Charta und einem entsprechenden Programm wollen die drei Staatsebenen die Zusammenarbeit festigen und den Ausbau weiter vorantreiben. In einer ersten Analyse wurden die wichtigsten Hemmnisse erfasst, die jetzt abgebaut werden sollen. Dazu gehören Fragen zum Beschaffungsrecht, dazu gehören aber auch Fragen zum Umgang mit bestehenden Gasnetzen. Es ist ja typisch schweizerisch, dass sich die Herausforderungen von Kanton zu Kanton und von Gemeinde zu Gemeinde unterscheiden.

Die Projektierung und Realisierung solcher Netze ist fraglos komplex. Gleichzeitig ist die Realisierung von Projekten eben auch wichtig.

Jede Erleichterung hilft Ihnen im Alltag. Eine möchte ich konkret umsetzen: Ich werde dem Bundesrat vorschlagen, dass für Fernwärme-Projekte, welche durch Private initiiert werden, künftig keine öffentliche Ausschreibung mehr erfolgen muss. Dafür sehen wir im Rahmen der CO2-Revision im Binnenmarktgesetz eine Ausnahmeregelung vor.

Im revidierten CO2-Gesetz ist ferner eine finanzielle Absicherung für Investitionen in den Neubau und Ausbau thermischer Netze vorgesehen. Das reduziert Risiken und bringt uns vorwärts.

Für den Ausbau der thermischen Netze ist eine sorgfältige, langfristige Energieplanung auf dem Weg zu Netto-Null entscheidend. Sie trägt dazu bei, Fehlinvestitionen zu vermeiden. Auch hier unterstützen wir Sie: Aus der Teilzweckbindung der CO2-Abgabe sollen neu auch kommunale und regionale räumliche Energieplanungen finanziert werden. Diese müssen auf das Netto-Null-Ziel ausgerichtet werden, damit die einheimischen Ressourcen optimal eingesetzt werden. Heute verfügen mehr als 80 Prozent der Gemeinden noch über keine räumliche Energieplanung. Und damit fehlt ihnen eine Grundlage, auf der sie die Wärme- und Kälteversorgung zukunftstauglich ausgestalten können.

Meine Damen und Herren

Aufgrund der laufenden Session konnte ich heute zwar nicht lange bei Ihnen sein, aber ich möchte Ihnen dennoch dafür danken, was im Bereich der Fernwärme geleistet worden ist. Sie mussten mit schwierigen Fragen jonglieren, mit unterschiedlichen rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Erwartungen. Mit Unklarheiten im Submissionsrecht, der Konkurrenz von Gasnetzen und anderen erneuerbaren Technologien wie Wärmepumpen. Es waren keine einfachen 20 Jahre, und leider sieht es nicht so aus, als stünden einfache an. Aber gemeinsam werden wir vorwärtskommen.

Die Zeit ist jetzt unsere grösste Herausforderung. Die Realisierung von effizienten und wirtschaftlichen thermischen Netzen mit hoher Anschlussdichte wird immer anspruchsvoller, je länger wir warten.


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