20. Photovoltaiktagung

Bern, 29.03.2022 - Rede von Bundesrätin Simonetta Sommaruga bei der Eröffnung der 20. Photovoltaiktagung im Kursaal Bern am 29. März 2022

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Damen und Herren hier im Saal

und im Stream

Ich habe mich sehr gefreut, heute zu Ihnen zu kommen.

Ich hätte auch gerne einen launigen Einstieg gemacht, etwas über das Häusermeer gesagt, das man von hier – vom Kursaal aus – sieht, und das sich für Solarpanels auf Dächern und Fassaden so richtig anbietet. Ganz ohne Altstadt, ganz ohne Solaranlagen auf Grünflächen – es hat genug.

Doch die Situation mit dem Krieg in der Ukraine bringt uns alle in eine andere Stimmung. Da ist Trauer, Wut – und die Hoffnung, dass dieser Krieg bald ein Ende findet.

Es ist dieses menschliche Drama, das uns alle am meisten beschäftigt. Aber auch die Folgen des Krieges sind bei uns spürbar – gerade auch, wenn es um die Frage der Energieversorgung geht.

Deshalb, meine Damen und Herren, bin ich so froh, dass diese Tagung heute stattfindet.

Dass heute hier – und im Live-Stream – ganz viele Menschen zusammen kommen, die etwas anzubieten haben. Die Lösungen haben für unsere Bevölkerung, für unsere Wirtschaft, für unser Land – für unsere Versorgungssicherheit. Selbstverständlich können wir diese Lösungen auch exportieren und damit auch anderen Ländern echte, gute Angebote für eine der zentralsten Sicherheiten überhaupt machen: nämlich mehr Unabhängigkeit und eine robuste Versorgungssicherheit.

Eigentlich wissen wir es schon lange, viele wollten es aber nicht wahrhaben: Mit dem Import von Öl, Gas und Uran sind wir zu hundert Prozent vom Ausland abhängig. Und auch beim Strom hat sich die Schweiz in den letzten zehn Jahren viel zu stark auf die Importe verlassen.

Jetzt wissen wir – und alle haben es zur Kenntnis nehmen müssen –, wie verwundbar unser Land ist. Wir müssen von dieser Abhängigkeit wegkommen – und zwar rasch. Viel rascher als bisher.

Gleichzeitig geht es darum, die Energieversorgung unseres Landes für den nächsten Winter zu sichern.

Was läuft konkret, respektive: was tut der Bund um die Abhängigkeit zu verringern und um die Versorgung kurzfristig zu sichern?

Für den nächsten Winter hat der Bundesrat bereits beschlossen, eine Wasserkraft-Reserve aufzugleisen. Damit kann man für den Notfall vorsorgen. Ausserdem hat der Bundesrat der Gasbranche ermöglicht, sich für die Beschaffung von Erdgas für den nächsten Winter abzusprechen. So können sie gemeinsam Gas beschaffen und Gasspeicher, respektive LNG-Terminals, reservieren.

Das sind kurzfristige Massnahmen.

Zentral ist, dass wir beim Ausbau der einheimischen Erneuerbaren Energien vorwärts machen.

Gerade bei der Photovoltaik ist das Potenzial enorm. Das Bundesamt für Energie hat es schon vor drei Jahren bestätigt: Das tatsächlich Machbare auf Dächern und Fassaden liegt bei 67 Terawattstunden. Kombiniert mit Speicherlösungen könnte das 110 Prozent des heutigen Stromverbrauchs der Schweiz decken. Das ist eine vorsichtige Rechnung ohne freistehende Anlagen.

Wie sieht es bei der Umsetzung aus?

Die Ausgangslage ist gut.

Sie, meine Damen und Herren, haben Fakten geschaffen. Die Photovoltaik ist im Alltag der Menschen angekommen.

Sie ersetzt heute schon im Alleingang praktisch das ganze AKW Mühleberg.

Noch nie wurden so viele Solaranlagen gebaut wie jetzt. In den letzten beiden Jahren gab es einen Rekord an Zubau von Photovoltaik. Und im Februar dieses Jahres gab es mehr als doppelt so viele Anträge wie ein Jahr vorher, die Leistung hat sich praktisch verdreifacht.

Ich kann Ihnen voraussagen: der Boom wird nicht nur anhalten, er wird noch viel stärker werden. Die Leute wollen weg vom Öl, weg vom Gas, sie kaufen Elektro-Autos und wollen eigenen Strom fürs Haus produzieren.

Nicht nur in der Bevölkerung hat der Wind – respektive die Sonne – gedreht. Was früher der Energiepapst Ruedi Rechsteiner als einsamer Rufer in der Wüste sagte, verbreitet heute die BKW. Sie sagt: „Es gibt keine günstigere Energie als die Photovoltaik“.

Nun, meine Damen und Herren, sind Sie gerüstet für den Ansturm?

Ich hoffe es!

Für das laufende Jahr 2022 stehen 450 Millionen Franken für Photovoltaikanlagen zur Verfügung.

Wartefristen gibt es seit letztem Jahr kaum mehr.

Die politischen Rahmenbedingungen sind auch für die kommenden Jahre geklärt.

Die Energiegesetz-Revision war eines meiner ersten Projekte als ich vor drei Jahren ins UVEK kam. Das Parlament hat den Ball aufgenommen, einen Teil dieser Revision heraus gelöst und zügig beraten. Diese Neuerungen treten nun am 1. Januar 2023 in Kraft. Damit wissen alle, wie die Förderung bei der Photovoltaik in den nächsten Jahren aussieht. Das schafft Investitionssicherheit. Ab 1. Januar 2023 gibt es ausserdem neu Auktionen für grosse PV-Anlagen. Machen Sie sich bereit, sehr geehrte Damen und Herren. Wir zählen auf Sie!

In der Vernehmlassung ist ausserdem das Beschleunigungsgesetz. Damit wollen wir, dass Investitionen für Photovoltaikanlagen auch bei Neubauten von den Steuern abgezogen werden können. Und die Zulassung von Solarpanels an Fassaden soll einfacher werden: Es würde dann nur noch eine Meldung brauchen und keine Bewilligung mehr. Das gibt Schub.

Der Bau von PV-Anlagen soll auch einfacher werden. Ich werde dem Bundesrat beantragen, dass die angepasste Raumplanungs-Verordnung am 1. Juli in Kraft tritt. Damit wird es einfacher, Solaranlagen auf Staumauern oder Lärmschutzwänden zu installieren. Dazu gehören auch schwimmende Solaranlagen auf Stauseen. Ab Sommer würde es zudem auf Flachdächern in Arbeitszonen unter bestimmten Voraussetzungen nur noch eine Meldung und keine Bewilligung mehr brauchen – so, wie wir das bereits auf nicht geschützten Gebäude in Bau- und Landwirtschaftszonen kennen.

Sie sehen: der Bund macht vorwärts, er beschleunigt, vereinfacht und sorgt dafür, dass die finanzielle Unterstützung für die Photovoltaik gesichert ist.

Das allein genügt aber nicht, meine Damen und Herren. Es braucht mehr.

Ich habe mit der Photovoltaikanlage auf unserem Hausdach persönlich erlebt, wie wichtig die Beratung ist. Wie wichtig das Zusammenspiel der Handwerker ist bei der Montage, bei der Inbetriebnahme, beim Beheben von Komplikationen.

Es braucht Fachkräfte, es braucht Handwerksleute, die verstärkt zusammenarbeiten und über ihr Fachgebiet hinausdenken. Es braucht Ausbildung und Weiterbildung.

Und da sind viele von Ihnen gefordert. Es darf nicht sein, dass jetzt, wo die Bevölkerung bereit ist und auf PV setzen will, wir nicht bereit sind! Gerade die Branche kann und soll jetzt richtig loslegen!

Wir unterstützen Sie gerne, EnergieSchweiz, das Staatssekretariat für Bildung und Forschung, und alle, die sich beteiligen.

Ihre Berufe sind attraktiv, sie sind zukunftsweisend, es sind sinnstiftende Berufe, die sich weiter entwickeln werden und auch neue Karrieren möglich machen.

Auch die Energieversorgungsunternehmen sind gefordert. Sie gehören zu 90 Prozent den Kantonen und Gemeinden und sind heute hier ebenfalls vertreten. Wir brauchen auch sie, um die Menschen und die Betriebe zu unterstützen, die jetzt umsteigen und auf Photovoltaik und Elektromobilität setzen wollen.

Meine Damen und Herren, es gibt noch etwas, das mir zur Zeit Sorgen macht: ich höre viele Stimmen, die zwar etwas bewegen wollen, aber sie wollen immer etwas anderes. Nicht das, was man vorschlägt, nicht so, wie es aufgegleist ist.

Ich höre, dass es andere Fördermodelle brauche. Ich höre, dass man jetzt vor allem auf die alpinen Freiflächen zielt mit der Photovoltaik. Ich höre, dass zuerst die Solarpanels in Europa oder in der Schweiz produziert werden sollen bevor man sie montieren könne.

Wir leben nicht in einer perfekten Welt, wir werden nie das perfekte System haben. Aber ich bitte Sie: Machen wir jetzt mit dem vorwärts, was bereits aufgegleist und entschieden ist.

Selbstverständlich bin ich offen für Verbesserungen, für Anpassungen, für Weiterentwicklungen. Aber das soll uns nicht hindern, das zu tun, was JETZT möglich ist, was JETZT drinliegt. Denn jede zugebaute Kilowattstunde Photovoltaik ist ein Stück Unabhängigkeit und Sicherheit, das wir schaffen können.

Ich finde es ebenfalls sinnlos, die Photovoltaik gegen die Wasserkraft oder die Windkraft oder die Geothermie auszuspielen. Wir brauchen alle diese Energieträger – sämtliche! Bei der Photovoltaik ist aber das Potenzial zur Zeit am grössten, vorwärts zu machen ohne zuvor noch anspruchsvolle Interessenabwägungen vornehmen zu müssen.

Die Photovoltaik kommt nicht von allein. Sie ist tendenziell kleinräumig und dezentral. Das heisst: es braucht Einzelentscheide von hunderttausenden von Haushalten und Liegenschaftsbesitzern. Landwirtschaftsbetriebe müssen sich für die Photovoltaik entscheiden, Gewerbebetriebe, Besitzer von Schulhaus-, Schwimmbad- oder Parkhaus-Dächern.

Bei der Photovoltaik sind es oft nicht die ganz grossen Anlagen, nicht das ganz grosse Kapital, auch nicht die ganz grossen Egos…

Bei der Photovoltaik zählt vielmehr das Zusammenspiel, die intelligente Vernetzung.

So wie heute: Fast 600 verschiedene Player und Akteurinnen, die hier sind, die gut und clever zusammenarbeiten. Die Energie, mit der Sie arbeiten, ist nicht nur erneuerbar – sie ist auch unerschöpflich.

Schön, dass Sie hier sind, meine Damen und Herren. Schön, dass es Sie gibt.

Unser Land braucht Sie. Für unsere Versorgungssicherheit, für unsere Unabhängigkeit und natürlich auch fürs Klima.

Danke!


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