Nicht zuschauen – Stellung beziehen, solidarisch sein

Bern, 16.03.2022 - Ansprache von Bundesrätin Simonetta Sommaruga anlässlich des Benefiz-Konzerts zugunsten des ukrainischen Volkes, 1603.2022

Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter von Regierung und Behörden,

Geschätzter ukrainischer Botschafter Rybchenko,

Geschätzte Damen und Herren

Wir sind heute Abend hier, um der ukrainischen Bevölkerung unsere Solidarität auszudrücken.

Wir sind in Gedanken bei den Menschen, die ihr Leben aufs Spiel setzen für ihr Land, um ihre Familien zu retten, ihre Freunde.

Wir sind in Gedanken bei den Menschen, die sich in Kellerräume und Metrostrationen retten müssen, in der Kälte ausharren oder auf der Flucht sind.

Wir konnten uns nicht vorstellen, dass wir in Europa jemals wieder eine solche Tragödie erleben würden.

Wir gingen davon aus, dass Frieden bei uns eine Selbstverständlichkeit sei.

Jetzt kämpft die ukrainische Bevölkerung gegen den russischen Aggressor.

Aber sie kämpft genauso für uns, für unsere Werte.

Sie kämpft für die Freiheit, für die Demokratie.

Denn der Angriff auf die freie und unabhängige Ukraine - diese massive Verletzung des Völkerrechts – ist auch ein Angriff auf Europa.

Auf das Europa, zu dessen Daseinsberechtigung der Frieden gehört - der Frieden auf dem Kontinent Europa.

Die Schweiz hat den Angriff Russlands auf die Ukraine aufs Schärfste verurteilt und die Sanktionen der EU gegen Russland übernommen.

Das ist ein wichtiger Schritt unserer Aussenpolitik. Weil wir nicht zuschauen, sondern weil wir Stellung beziehen. Denn auch als neutrales Land können - und sollen - wir Stellung beziehen. 

Heute tun wir das. Wir sind solidarisch.

Ich frage mich: Werden wir es auch morgen sein, falls die Flüchtlinge bei uns bleiben?

Werden wir bereit sein, die Konsequenzen zu tragen, wenn wir uns aus der Abhängigkeit von russischem Gas lösen wollen?

Es wird viel Kraft brauchen, es werden mutige Entscheide nötig sein. Auch bei uns.

Mutig - wie es auch die Demonstrantinnen und Demonstranten in Russland sind, die ihrer eigenen Regierung widersprechen.

Vor knapp zwei Jahren war ich als Bundespräsidentin in der Ukraine. Ich erlebte ein Land mit vielen jungen Menschen, voller Elan, voller Ideen für ihr Land, für ihre Zukunft. Ingenieure, Künstlerinnen, Journalisten, Vertreterinnen der Zivilgesellschaft.

Sie waren stolz auf ihre Freiheit; auf die Freiheit, ihre Meinung zu äussern; auf die Freiheit, ihr Leben aus eigenem Willen zu gestalten.

Ich war zusammen mit Präsident Wolodimir Selenski auch im Donbass; in dem Gebiet, in dem seit 2014 täglich geschossen wurde.

Präsident Selenski wollte mir die Brücke zeigen, die er hatte bauen lassen, damit sich die Menschen in dem umkämpften Gebiet begegnen können.

Wir sind zusammen auf die Brücke zugegangen. Seine Sicherheitsleute hatten Scharfschützen gesichtet.

Wir trugen beide kugelsichere Westen.

Seine Weste wog schon damals schwer - schwerer als meine.

Heute können wir das Gewicht der Verantwortung, das dieser Präsident für seine Bevölkerung trägt, nur ahnen.

Die Musik wird uns heute Abend alle miteinander verbinden. Sie gibt uns Raum, um mit unseren Gedanken bei der leidenden Bevölkerung der Ukraine zu sein.

Und sie gibt uns Hoffnung, dass es auch in ihrem Leben wieder Zuversicht geben wird.


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