Alimentierung von Armee und Zivilschutz: Bundesrat prüft «Sicherheitsdienstpflicht» und «bedarfsorientierte Dienstpflicht»

Bern, 04.03.2022 - Der Bundesrat will den Bestand von Armee und Zivilschutz langfristig sicherstellen. Er prüft dazu vertieft zwei alternative Dienstpflichtvarianten. Dabei handelt es sich um die «Sicherheitsdienstpflicht», in der der heutige Zivildienst und Zivilschutz zusammengelegt würden, sowie um eine «bedarfsorientierte Dienstpflicht», bei der die Dienstpflicht auf Schweizerinnen ausgedehnt würde. Zudem wird geprüft, die Teilnahme am Orientierungstag der Armee auch für Frauen obligatorisch zu machen. Diese Arbeiten hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 4. März 2022 in Auftrag gegeben, gestützt auf den zweiten Teil des Berichts zur Alimentierung von Armee und Zivilschutz, den der Bundesrat in derselben Sitzung gutgeheissen hat.

Der Sollbestand des Zivilschutzes von 72’000 Zivilschutzpflichten wird bereits heute leicht unterschritten. Die Armee wird gegen Ende des Jahrzehnts Schwierigkeiten haben, den Effektivbestand von 140'000 Armeeangehörigen sicherzustellen, falls es nicht gelingt, die vorzeitigen Abgänge substanziell zu senken. Deshalb hat der Bundesrat Ende Juni 2021 mit dem ersten Teil des Berichts zur Alimentierung von Armee und Zivilschutz kurz- und mittelfristige Massnahmen in die Wege geleitet. Zum einen erarbeiten VBS und WBF bis Mitte 2022 eine Revision des Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetzes. Zum anderen wird das VBS im Abschlussbericht zur Umsetzung der «Weiterentwicklung der Armee» Mitte 2023 Vorschläge zur mittelfristigen Verbesserung der Alimentierung unterbreiten.

Mögliche Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems und der «Status Quo Plus»

Parallel zu diesen kurz- und mittelfristigen Massnahmen wurden im Hinblick auf eine nachhaltige Sicherung der Bestände Überlegungen zu grundlegenden, langfristigen Anpassungen des Dienstpflichtsystems angestellt. Im nun vorliegenden zweiten Teil des Berichtes hat der Bundesrat vier Varianten geprüft:

• Die «Sicherheitsdienstpflicht» sieht eine Zusammenlegung des Zivildienstes und des Zivilschutzes in einer neuen Organisation vor. Dadurch wird die personelle Alimentierung des Zivilschutzes sichergestellt. Da die Armee bei der Rekrutierung Vorrang hat, sollte diese Variante auch eine ausreichende Alimentierung der Armee ermöglichen.
• Die «bedarfsorientierte Dienstpflicht» dehnt die Dienstpflicht auf Frauen aus. Es werden aber nur so viele Personen rekrutiert, wie Armee und Zivilschutz benötigen, nämlich rund die Hälfte aller weiblichen und männlichen Stellungspflichtigen. Damit kann die Alimentierung von Armee und Zivilschutz sichergestellt werden, weil der Rekrutierungspool verdoppelt wird.
• Mit der «Bürgerdienstpflicht» wird die Dienstplicht ebenfalls auf Frauen ausgeweitet, jedoch leisten alle Diensttauglichen effektiv Dienst. Die Aufgabenbereiche umfassen die heutigen Aufgaben von Armee, Zivilschutz und Zivildienst, wobei die Leistungen für Gesundheit und Betreuung, Natur und Umwelt ausgebaut werden.
• Auch bei der «Bürgerdienstpflicht mit Wahlfreiheit» leisten alle diensttauglichen Schweizer Frauen und Männer Dienst. Sie können aber selber wählen, welche Art von Dienst sie leisten. Um noch besser auf die Bedürfnisse der Dienstpflichtigen einzugehen, werden die Aufgabenbereiche bei dieser Variante nochmals erweitert, beispielsweise auf politische Mandate oder Feuerwehrdienst.

Zudem wurden Überlegungen zu einem «Status Quo Plus» angestellt: die Einführung der obligatorischen Teilnahme am Orientierungstag über Militär- und Schutzdienstpflicht auch für Frauen, als Ergänzung zum heutigen Dienstpflichtsystem.

Im Zentrum: langfristige Sicherung der Bestände und Bezug zur Sicherheit

Für die Beurteilung der Varianten ist für den Bundesrat die langfristige Sicherung der Bestände von Armee und Zivilschutz das wichtigste Kriterium. Zudem muss die Dienstleistung einen klaren Bezug zur Sicherheit haben und einem echten Bedarf für die Dienstleistung durch Dienstpflichtige entsprechen. Die beiden Varianten «Sicherheitsdienstpflicht» und «bedarfsorientierte Dienstpflicht» erfüllen diese Anforderungen am besten. Insbesondere wird sichergestellt, dass genügend und geeignete Dienstleistende rekrutiert werden können, damit Armee und Zivilschutz bzw. Katastrophenschutz ihre Aufgaben erfüllen können.

Es müssen aber noch offene Fragen geklärt werden, beispielsweise bezüglich des tatsächlichen Bedarfs nach einer Zunahme der Dienstleistungen im Zivilschutz, der Gewährleistung der Dienstgerechtigkeit, der Ausgestaltung eines möglichen Anreizsystems bei der bedarfsorientierten Dienstpflicht, der konkreten Folgen einer Umsetzung der Varianten und der genauen Kostenfolgen.

Vertiefte Prüfung bis Ende 2024

Der Bundesrat hat deshalb das VBS beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem WBF die Varianten «Sicherheitsdienstpflicht» und «bedarfsorientierte Dienstpflicht» bis Ende 2024 vertieft zu prüfen. Was die obligatorische Teilnahme von Frauen am Orientierungstag («Status quo plus») betrifft, ist diese aus Sicht des Bundesrates in jedem Fall ein nützlicher Schritt, um den Frauenanteil in der Armee innerhalb des heutigen Dienstpflichtsystems zu erhöhen. Deshalb wird auch diese Option vertieft geprüft.

Die zu prüfenden Anpassungen setzen alle eine Revision der Verfassung voraus.

Die beiden Varianten einer «Bürgerdienstpflicht» werden nicht weiterverfolgt. Der Bezug zur Sicherheit ist nur bedingt gegeben. Auch wird die Anzahl zu leistender Diensttage verdoppelt. Damit würden insbesondere ausserhalb des Sicherheitsbereichs Kapazitäten geschaffen, für die der Bedarf nicht ersichtlich ist, womit sich auch Fragen zur Vereinbarkeit mit dem Konkurrenzierungsverbot mit dem privaten Sektor stellen.

Umfrage und Anhörungen zur Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems

Weil eine Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems einschneidende Veränderungen bedeutet, hat das VBS dazu eine Umfrage und Anhörungen durchgeführt. Diese haben gezeigt, dass grundsätzlich die Bereitschaft vorhanden ist, Dienst zu leisten. Diese Bereitschaft ist jedoch gekoppelt an einen erkennbaren Nutzen für die Dienstleistenden und eine verbesserte Vereinbarkeit mit der persönlichen Lebensplanung. Bei der Dienstpflicht für Frauen hat sich gezeigt, dass man gegenüber einer solchen Ausweitung der Dienstpflicht zurückhaltend ist, solange die Gleichstellung in anderen Bereichen nicht realisiert worden ist.


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