EGMR: mehr Ermessensspielraum für Mitgliedstaaten

Bern, 16.07.2021 - Am 1. August 2021 tritt das Protokoll Nr. 15 über die Änderung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) in Kraft. Es stärkt das Subsidiaritätsprinzip sowie den Ermessensspielraum der Vertragsstaaten und verbessert damit die Funktionsfähigkeit des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR).

Das Protokoll Nr. 15 zur EMRK reiht sich ein in die langjährigen Bestrebungen, die Funktionsfähigkeit des stark belasteten EGMR sicherzustellen und zu verbessern. Es enthält ein ausdrückliches Bekenntnis zum Subsidiaritätsprinzip und weist auf den Ermessensspielraum der Vertragsstaaten hin. Subsidiarität bedeutet, dass in erster Linie die Vertragsstaaten für die Einhaltung und Umsetzung der EMRK verantwortlich sind, ihnen dabei aber ein Ermessensspielraum zusteht. Der EGMR seinerseits legt die EMRK in letzter Instanz aus und schützt Personen, deren Rechte und Freiheiten innerstaatlich nicht beachtet werden.

Beschwerdefrist auf vier Monate verkürzt

Die weiteren Änderungen betreffen die Organisation und das Verfahren des EGMR. So wird die Frist für die Einreichung einer Beschwerde an den EGMR von sechs auf vier Monate nach dem endgültigen innerstaatlichen Urteil verkürzt. Diese Änderung tritt allerdings erst auf den 1. Februar 2022 in Kraft.

Zudem haben die Parteien gegen die Abgabe eines Falles an die Grosse Kammer künftig kein Widerspruchs- sondern ein Anhörungsrecht. Weiter müssen die als Richterinnen oder Richter am EGMR kandidierenden Personen künftig jünger als 65 Jahre alt sein. Sie dürfen dafür ihr Amt künftig auch nach Vollendung des 70. Lebensjahres weiter ausüben, sofern sie die maximale Amtsdauer von neun Jahren noch nicht erreicht haben. Schliesslich kann der EGMR eine Beschwerde für unzulässig erklären, wenn dem Beschwerdeführer kein erheblicher Nachteil entstanden ist. Das ist zwar bereits heute möglich, in Zukunft darf er das aber auch dann, wenn der Fall innerstaatlich nicht von einem Gericht geprüft worden ist. Diese Änderungen treten auf den 1. August 2021 in Kraft.

Das Protokoll Nr. 15 wurde am 24. Juni 2013 zur Unterzeichnung aufgelegt. Damit es in Kraft treten kann, müssen es alle 47 Vertragsstaaten der EMRK ratifiziert haben. Diese Voraussetzung ist erfüllt, nachdem Italien das Protokoll am 21. April 2021 ratifiziert hat. Die Ratifikation durch die Schweiz war am 15. Juli 2016 erfolgt.


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